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Kinostart „Genug gesagt“Und brummt sich bärig eins

Nicole Holofceners Film „Genug gesagt“ schärft den Blick für die flüchtigen Dinge und schenkt James Gandolfini eine besonders schöne Szene.

Ringen mit ihren Projektionen und Enttäuschungen: Eva (Julia Louis-Dreyfus) und Albert (James Gandolfini). Bild: Twentieth Century Fox

Die Geschichte des Fernsehens ist über weite Strecken noch flüchtiger als die des Kinos. Was einst ausgestrahlt wurde, blieb lange, womöglich für immer verschwunden, vielleicht irgendwo archivarisch hinterlegt, doch ohne Chance auf Zirkulation.

Eine Erinnerung ohne Konkretion, die, wenn überhaupt, vom Hörensagen lebt. Albert (James Gandolfini) arbeitet diesem Vergessen nicht nur dadurch entgegen, dass er aus dem Stand historische Sendeschemata referieren kann, sondern auch, indem er das fernsehhistorische Archiv der Universität pflegt.

Wann immer ein Forscher sich die Mühe macht – viele sind es nicht –, nutzen sie zur Sichtung die von ihm verwalteten Bestände. Wenn wenig zu tun ist, arbeitet sich Albert selbst durch historische Shows vergangener Tage, holt sich noch mal konkret vors Auge, was den Augen lange schon entzogen ist und fürs Archiv im Grunde nie konzipiert war: ein friedvoller Melancholiker, der in seinen Archiven einer lakonischen Nostalgie anhängt.

Der Film

„Genug gesagt“. Regie: Nicole Holofcener. Mit Julia Louis-Dreyfus, James Gandolfini u. a. USA 2013, 93 Min.

Dass der ephemere Charakter der Fernsehgeschichte in Nicole Holofceners rundum schöner Romantic Comedy einen dezenten Moll-Ton im Background setzt, erklärt sich nicht allein dadurch, dass hier mit James Gandolfini („Sopranos“), Julia Louis-Dreyfus („Seinfeld“) in der Rolle der Eva und der Regisseurin („Sex in the City“, „Six Feet Under“ etc.) die jüngere, wenn auch nicht jüngste Fernsehgeschichte stark repräsentiert ist; er bildet auch eine sanfte Allegorie auf das eigentliche Thema des Films: dass man die flüchtigen Dinge und ihren eigentlichen Wert erst dann wirklich erkennt, wenn man sie sich bewusst und konzentriert vor Augen führt.

Charme, Humor, Gelassenheit

Damit dieser Groschen am Ende fallen kann, ist einiges an Verwicklung nötig: Da ist also Eva, alleinerziehend, die von ihrem mobilen Massagetisch recht gut lebt. Da ist Albert, den sie auf einer Party kennenlernt, der schon wegen seines runden Äußeren als Love Interest einer Hollywoodkomödie nicht in Frage kommt und deshalb auch – trotz Charme, Humor, lebensweiser Gelassenheit – für Eva zunächst nicht.

Doch dann eben schon – und dafür mit der vollen Wucht der späten großen Liebe. Und da ist Marianne (Catherine Keener), die Eva auf derselben Party kennenlernt, als Kundin gewinnt und die ihr im Folgenden auf der Massagebank Schreckliches von ihrem Ex zu erzählen hat, während Eva von ihrem neuen Lover Albert schwärmt.

Dass Mariannes Ex und Albert ein und dieselbe Person sind, dämmert Eva erst allmählich. Und je tiefer Mariannes Horrorgeschichten einsickern, umso niedriger sinkt Albert in Evas Gunst, umso monströser werden all die kleinen Details und Macken, die man auch an seinen liebsten Menschen irgendwann unweigerlich registriert.

Eingeklemmte Haare

Toll ist, wie Nicole Holofceners die Welt um diese Geschichte um Projektionen und Enttäuschungen, um die Wichtigkeit des eigenen Erlebens und Erkennens mit unaufgeregtem, aber sehr souveränem erzählerischen Gestus auffächert, die Figuren beobachtet und mit Leben füllt. Mit welcher Gelassenheit sie auch die peinlichen Aspekte des Lebens – von liebenswürdiger Verfressenheit bis zu den unterm Arm eingeklemmten Haaren beim Sex – auf gelöst menschliche Weise in den Blick nimmt. Und auch, wie sie sanft und sehr selbstverständlich die Dinge ein wenig verrückt.

Dass hier ein gestandener Mann zu Herzen gehend und emotional aufrichtig sagen kann, dass er im tiefsten Innern verletzt wurde, ohne dass das Klischee der empfindsamen Heulsuse bedient wird, sich nach Trost spendenden Frauenarmen sehnt, ist angesichts dessen, was für zugerichtete Männer sonst oft im Kino zu sehen sind, viel wert. Und wie oft steht im Kino eine Frau im Mittelpunkt, die sich nicht aufopfert, sondern um einen Mann kämpft – einfach deshalb, weil sie ihn, was ihr selbst erst viel zu spät dämmert, ja wirklich von Grund auf liebt?

Dass man sich in diese Figuren ein Stück weit auch selbst verliebt, liegt auch am schönen Schauspiel. Hier kommt zupass, dass beide vom Fernsehen mit seinen höheren Anforderungen ans mimische Spiel kommen: Mit sichtlicher Freude fängt die Kamera von Xavier Pérez Grobet alle Regungen von Louis-Dreyfus und Gandolfini ein: Während Erstere die Dynamiken ganzer Gefühlsregister auslotet, holt Gandolfini das Letzte aus den Falten in seinen Augenwinkeln und brummt sich bärig eins.

Umso trauriger stimmt es einen – insbesondere da dieser Film auch davon handelt, wie man sehenden Auges einen lieben Menschen zu verlieren droht –, dass Gandolfini im Juni von uns gegangen ist. Als hätte sie es geahnt, schenkt Holofceners ihm eine ganz besonders schöne letzte Szene.

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