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Joseph Blatter will Fifa-Präsident bleibenDer immer davonkam

Korruption brachte Joseph Blatter 1998 an die Spitze der Fifa, Korruption begleitet ihn seither. Wie konnte er sich so lange als Präsident halten?

Trotz Korruptionsvorwürfen: Joseph Blatter kandidiert für den Fifa-Chefposten. Gegenkandidaten gibt es nicht. Bild: dpa

BERLIN taz | "Das Spiel ist aus." Mit diesen Worten begann am 8. Juni 1998 in Paris die Herrschaft des Schweizers Joseph "Sepp" Blatter über den Weltfußball. Ausgesprochen hatte diese Worte Lennart Johansson, der damals Präsident der Europäischen Fußballunion Uefa war. Er war Blatters Gegenkandidat bei jenem Kongress des internationalen Fußballverbands - und der haushohe Favorit. Doch er unterlag. Das Ergebnis: 111 zu 80 für Blatter. Johansson wunderte sich darüber, dass Delegierte, die ihm ihre Stimme noch am Vortag zugesichert hatten, am Ende doch für den Schweizer gestimmt hatten.

Anderen war klar, was gelaufen war. Sepp Blatter soll sich Stimmen afrikanischer Delegierter gesichert haben. Der britische Journalist David A. Yallop beschrieb 1999 in seinem Buch "How they stole the Game" in aller Ausführlichkeit, wie die Bestechungen gelaufen sind. Von braunen Kuverts ist da die Rede, gefüllt mit 50.000 US-Dollar. Verteilt haben soll sie ein enger Vertrauter Blatters: ein Katarer namens Mohammed bin Hammam. Sepp Blatters Spiel konnte beginnen.

"Welche Krise?"

Am heutigen Mittwoch stellt sich Blatter beim Fifa-Kongress in Zürich zur Wiederwahl. Er ist der einzige Kandidat. Sein früherer Freund Mohammed bin Hammam, der gegen Blatter antreten wollte, hat seine Kandidatur am Sonntag zurückgezogen. Er darf nicht einmal mitstimmen. Die Ethikkommission, ein von Blatter eingesetztes Fifa-internes Komitee, hat den Chef des asiatischen Kontinentalverbands AFC von allen Ämtern im Fußball suspendiert. Hammam wird vorgeworfen, bei den Delegierten des Nord- und Mittelamerikanischen Kontinentalverbands Concacaf Stimmen für seine Wahl als Fifa-Präsident gekauft zu haben.

Stimmen soll er auch gekauft haben, um die WM 2022 nach Katar zu holen. Davon geht auch Fifa-Genaralsekretär Jerôme Valcke aus, sonst hätte er das kaum in eine E-Mail an Jack Warner, den ebenfalls suspendierten Concacaf-Chef geschrieben. In den letzten Tagen wurden beinahe täglich neue Korruptionsvorwürfe laut. Schlecht beleumundete Fifa-Mitglieder beschuldigen andere ebenso verrufene Funktionäre, Dreck am Stecken zu haben. Blatters Reaktion: Die Fifa habe ein "Image-Problem". Mehr ist es nicht für ihn.

Die Fifa-Wahl

Der Kongress: Das höchste Gremium des Verbandes kommt einmal im Jahr zusammen. Es segnet den jährlichen Bericht ab und entscheidet über die Aufnahme neuer Verbände. Alle vier Jahre findet die Wahl des Fifa-Präsidenten statt.

Die Delegierten: Alle 208 Mitgliedsverbände der Fifa entsenden einen Vertreter zum Kongress. "Im Geiste einer wahren Demokratie hat jeder Verband eine Stimme, unabhängig von seiner Größe oder Leistungsstärke im Fußball", so steht es auf fifa.com.

Der Kandidat: Sepp Blatter tritt ohne Gegenkandidat zur Wiederwahl an. Er strebt eine vierte Amtszeit als Präsident an.

Die Proteste: Der englische Verband fordert wegen der aktuellen Korruptionsenthüllungen eine Verschiebung der Wahl. Dafür müsste der Kongress mit einer Dreiviertelmehrheit stimmen. Zehn asiatische Verbände bleiben dem Kongress aus Protest gegen die Suspendierung von Mohammed bin Hammam fern.

"Krise? Was ist eine Krise?", fragte Blatter in die Presserunde. Da wusste er bereits von den neuesten Gerüchten. 20 Millionen Euro sollen an vier Mitglieder des Fifa-Exekutiv-Komitees, den Argentinier Julio Humberto Grondona, den Paraguayer Nicolás Leoz, den Kameruner Issa Hayatou und den Guatemalteken Rafael Salguero, gegangen sein, damit sie für eine WM im Nahen Osten stimmen. Blatter versprach, die Probleme zu lösen - "innerhalb der Fußballfamilie".

Von der spricht der 75-jährige Schweizer gern. Er hat sie zu großen Teilen selbst geschaffen. Als Fifa-Mitarbeiter und langjähriger Generalsekretär reiste er durch die ganze Welt, um der Familie neue Mitglieder hinzuzufügen. Auch in den kleinsten Inselrepubliken gründeten sich Fußballverbände, die der Fifa beigetreten sind. Der Verband hat längst mehr Mitglieder als die UNO.

Blatter, der Fußballamateur

Auf dem Fifa-Kongress hat jeder Verband eine Stimme. Mächtige Verbände, und seien sie so groß wie der DFB mit 6 Millionen Mitgliedern, gibt es nicht. Immer wenn es für ihn eng wurde, präsentierte sich Blatter als der Mann der kleinen Verbände.

Das war zunächst nicht einfach. Als Blatter seine erste Amtszeit antrat, war die Fifa alles andere als ein reicher Verband. Kleine Verbände mit großen Wahlversprechen zu ködern, so wie er es dieser Tage macht, war damals nicht möglich.

Blatter fing 1975 als Direktor für Entwicklungsprogramme bei der Fifa an. Da hatte der Verband kaum das Geld, den studierten Ökonomen, der Fußball nur im Amateurbereich gespielt hat, zu bezahlen. Das Büro, das er bezog, soll vom Sportartikelhersteller Adidas unterhalten worden sein. Lange galt Blatter als eine Art V-Mann, den Adidas in den Verband eingeschleust hatte. Die Firma hat das stets vehement bestritten.

Bis Robert Louis-Dreyfus, der 2001 Geschäftsführer der Firma werden sollte, berichtete: "Ich habe erfahren, dass Sepp Blatter zu Beginn seiner Tätigkeit von Adidas bezahlt wurde, weil die Fifa nicht das Geld dafür hatte." Die Fifa war lange alles andere als finanziell unabhängig. Mit gezielten Bestechungszahlungen erkauften sich Firmen das Recht, Geschäfte im Namen des Verbandes zu führen. Wo Blatter war, war von Anfang an immer auch Korruption.

Kurz vor der Pleite

Von einer der größten Korruptionsfälle im organisierten Sport war schließlich auch die erste Amtszeit des Mannes aus dem Kanton Wallis geprägt. Die Pleite der Sportvermarkters ISL, dem die Fifa nach schier unglaublich anmutenden Bestechungszahlungen in Höhe von 140 Millionen Schweizer Franken die Fernsehrechte für die Weltmeisterschaften 2002 und 2006 übertragen hatte, brachte auch die Fifa an den Rand der Zahlungsunfähigkeit. Dann wagte auch noch Blatters Generalsekretär Michael Zen-Ruffinen eine Art Palastrevolution und zeigte Blatter wegen Korruption an.

Eine Wiederwahl Blatters schien 2002 ausgeschlossen. Der Kameruner Issa Hayatou - einer der Profiteure der ISL-Bestechung - war sein Gegenkandidat. Ein notorisch unter Korruptionsverdacht stehender Funktionär wurde zum Hoffnungsträger für den Wandel aufgebaut. Blatter gewann die Wahl mit 139 zu 59 Stimmen. Weil es kein Geld zum Verteilen gab, hatte Blatter mit Versprechungen gearbeitet. Den Afrikanern versprach er die WM 2006, ebenso den Engländern. Das Turnier fand dann bekanntlich in Deutschland statt. Egal - "das ist ein Sieg für den Fußball", jubilierte Blatter und machte sich daran, den Verband in eine neue Dimension zu führen.

Risse treten zutage

Der frühere Pleiteverband Fifa macht mittlerweile mehr als eine Milliarde US-Dollar Umsatz im Jahr und lässt über verschiedene Entwicklungshilfeprojekte überall in der Welt Geld verteilen. Die Erlöse aus dem Verkauf von Fernseh- und Markennutzungsrechten erlaubten es der Fifa, bei der Weltmeisterschaft im vergangenen Jahr in Südafrika Prämien in Höhe von 420 Millionen Euro auszuschütten.

Vier Jahre zuvor in Deutschland waren es noch 60 Prozent weniger. Doch auch die Verbände, die sich nicht qualifizieren, profitieren seit 2009 vom Fifa-Gewinn und erhalten 250.000 US-Dollar im Jahr. Blatter, der als Präsident selbst eine Million US-Dollar im Jahr kassiert, ließ sich dafür feiern und wähnte sich auf dem Gipfel der Macht. Wie ein kleiner Gott musste er sich fühlen. "Fußball ist mehr als eine Religion, mehr als alle Religionen zusammen", hat er damals gesagt.

Fest hat er damit gerechnet, bei der Wahl 2011 ebenso durchgewunken zu werden wie bei der im Jahr 2007. Dass neue Enthüllungen um die Höhe der Bestechungsgelder im ISL-Geschäft bekannt wurden, ließ ihn kalt. Die Familie schien zusammenzuhalten. Erste Risse gab es während des Bewerbungsrennens um die Weltmeisterschaften 2018 und 2022. Mit dem Zuschlag für Katar hatte Blatter nicht gerechnet. Er hatte auf die endgültige Eroberung der USA als Fußballmarkt spekuliert. Zwar gratulierte er den Kataris und sprach von einer neuen Entwicklungsstufe für den Fußball. Dann aber nahm er die Proteste der Fußballfans gegen die WM in der fußballerischen Wüste Katar wahr.

Eine WM unter brütender Sonne

Worauf er sich immer verlassen konnte, schien nicht mehr zu stimmen: Sobald eine Weltmeisterschaft angepfiffen war, verstummte alles Gerede von Korruption und mafiösen Strukturen in der Fifa. Den Fans war wichtig, wer gewinnt, nicht, wie die Fifa geführt wird. Die Turniere gerieten zu Partys, obwohl jeder wusste, wie die Fifa tickt. In Japan und Südkorea, in Deutschland, in Südafrika - die Stimmung stimmte. Aber Katar? Eine WM bei über 50 Grad im Schatten in einem Land, in dem es kaum Schatten gibt? Blatter versprach prüfen zu lassen, die WM im Winter stattfinden zu lassen.

Die Kataris kochten vor Wut. Die Fifa versandte eine Erklärung, wonach es keine Pläne gebe, die WM im Winter auszutragen. Es war die erste Presseerklärung der Fifa, die auch im Postfach der taz landete. Sie zeigte vor allem eines: Es kriselt in der Fußballfamilie, und Sepp Blatter kann nicht mehr tun und sagen, was er will. Als Mohammed bin Hammam seine Kandidatur für das Präsidentenamt ankündigte, brach der Krieg offen aus.

Die beiden Kandidaten warfen mit Geld, Versprechungen und Beschuldigungen um sich. Blatter mag den Krieg gewonnen haben. Den Riss wird er dennoch nicht so schnell kitten können. Die Engländer, immer noch beleidigt, weil sie die WM 2018 nicht ausrichten dürfen, wollen nicht mitstimmen und plädieren für eine Verschiebung der Wahl.

Zehn Delegierte des asiatischen Kontinentalverbands haben aus Protest gegen die Suspendierung ihres Präsidenten ihre Teilnahme am Fifa-Kongress abgesagt. Blatters Wiederwahl scheint dennoch nicht gefährdet. Auch die deutsche Stimme ist ihm sicher. Kein Wunder - Blatter ist seit Oktober 2010 Ehrenmitglied des DFB.

Fast 80 wird Blatter sein, wenn seine vierte Amtszeit endet. Wie es aussieht, ist sein Spiel noch lange nicht aus.

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4 Kommentare

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  • OB
    Otto Bronnert

    Den Herrn an der FiFa Spitze kann man nicht "in die wüste" schicken, solange die "Mitgliedsvereine" sich schmieren lassen, oder wegschauen wie der DFB. Dabei wurde Zwanziger seinerzeit aus ähnlichen Gründen in die DFB-Spitze gewählt. Jetzt läßt er sich selbst kaufen für irgendeinen dort herausragenden Job.

    Nun ja, was soll man von einem Verband aus Bananistan schon erwarten.

    Vielleicht sollten die Verantwortlichen in ARD/ZDF wie beim Doping im Radsport mal kürzer treten.

  • WB
    Wolfgang Bieber

    Die FIFA ist ein mafiöser, korrupter Haufen. Kein Wunder, dass einer wie Blatter immer durchkommt:

    http://bit.ly/jTZ1Xn

  • M
    mogo

    "Die Engländer, immer noch beleidigt, weil sie die WM 2018 nicht ausrichten dürfen, wollen nicht mitstimmen und plädieren für eine Verschiebung der Wahl."

     

    Vermutlich sind die Engländer auch (immer noch!) beleidigt, weil sie die WM 2006 nicht ausrichten durften - jetzt stellen sie sich schmollend in die Ecke und wollen nicht mehr mitmachen!

     

    Wie anders dagegen die deutschen Paten:

     

    "Blatters Wiederwahl scheint dennoch nicht gefährdet. Auch die deutsche Stimme ist ihm sicher. Kein Wunder - Blatter ist seit Oktober 2010 Ehrenmitglied des DFB."

     

    Was da - jenseits des Titanic-Präsentkorbs - vor der WM 2006 noch alles an dubiosem Geld geflossen ist, wird wohl niemals auch nur untersucht werden. Schließlich würde dabei nachträglich das umwerfendste Ereignis der Berliner Republik durch den Dreck gezogen: Deutschland - ein Sommermärchen...

     

    Auch die taz sollte sich mit ihrer Betroffenheit nicht zu weit aus dem Fenster hängen - schließlich trägt sie mit WM-Sonderbeilagen u.ä. nicht unwesentlich zur medialen Verbreitung der Veranstaltungen dieser zwielichtigen FIFA bei...

  • OP
    Otto Pardey

    Die mafiösen Strukturen in der Fifa mußten schon

    längst zerschlagen werden.

    Offenbar schauen alle nur paralysiert zu!