Individuelle Kennzeichnung ist harmlos: Keinen Kummer mit der Nummer
Mit seinen Befürchtungen wegen der Kennzeichnungspflicht lag Innensenator Frank Henkel (CDU) komplett falsch
Es ist zwei Jahre her, dass die silberfarbenen Kunststoffschildchen an Berlins Polizisten ausgeteilt wurden. Auf einem steht der persönliche Name des Beamten, auf dem anderen eine individuelle Nummer. Welches Schild zur Kennzeichnungspflicht im Dienst getragen wird, ist den Polizisten selbst überlassen.
Dennoch: Keine Neuerung wurde von Polizei, Gewerkschaften und konservativen Politikern heftiger bekämpft. Der heutige Innensenator Frank Henkel (CDU) gehörte maßgeblich dazu. Gegen die Kennzeichnungspflicht ins Feld geführt wurden Argumente, von denen schon damals klar war, dass sie einer Überprüfung kaum standhalten würden. Die Linkspartei hat Henkel nun mit einer parlamentarischen Kleinen Anfrage zu einem Faktencheck genötigt. Das Ergebnis: Die Befürchtungen haben sich in keinem einzigen Punkt bestätigt.
Nicht nur in der Zeit als innenpolitischer Sprecher der Union hat Henkel die Schildchen verteufelt. Im Wahlkampf 2011 versprach der designierte CDU-Spitzenkandidat die Kennzeichnungspflicht wieder abzuschaffen. Die entsprechende Dienstanordnung, die die rund 13.000 hiesigen Uniformträger zum Tragen der Schildchen zwingt, war 2011 von dem früheren Polizeipräsidenten Dieter Glietsch unter der rot-roten Landesregierung erlassen worden.
„Das ist Unfug, der unsere Polizisten und Angehörigen gefährdet“, gab der Wahlkämpfer Henkel seinerzeit zu Protokoll. Damals ahnte er nicht, dass er die Kröte bei den rot-schwarzen Koalitionsverhandlungen werde schlucken müssen. Schlimmer noch: dass er in Funktion des Innensenators einmal das Ergebnis genau jener Kleinen Anfrage werde gegenzeichnen müssen, die seine einstigen Prognosen als hohles Geschwätz entlarvt.
Als Folge der Kennzeichnungspflicht hatten Henkel & Co eine Flut von Strafanzeigen gegen Polizisten vorausgesagt. Tatsächlich gab es im Jahr 2012 nur 31 Strafverfahren, bei denen der Name oder die individuelle Nummer angegeben wurde. Insgesamt waren 2012 immerhin 1.436 Ermittlungsverfahren gegen Polizisten eingeleitet worden. Henkel befürchtete, dass durch die Kennzeichnung private Daten von Polizisten öffentlich würden. Fälle, in denen das so war: null. Er befürchtete, Polizisten könnten bedroht werden. Fälle, in denen Ähnliches bekannt wurde: null. Er befürchtete, dass die Privatsphäre von Polizisten ausspioniert würde und es zu Angriffen auf Angehörige käme. Fälle, in denen das passiert ist: null. Henkel befürchtete, dass Angreifer einem Polizisten das Schildchen abreißen und dieses als Waffe benutzen könnten. Passiert ist das nullmal.
Auch nach Eigenverletzungen der Beamten ist Henkel gefragt worden. Bodo Pfalzgraf, Vorsitzender der Berliner Landesverbandes der Deutschen Polizeigewerkschaft im Beamtenbund, hatte aus Protest gegen die Kennzeichnungspflicht mal vor der Presse mit einem der Schildchen ein Eisbein durchtrennt. Er wollte damit zeigen, wie groß das Selbstverletzungsrisiko sei. Fälle, in denen das geschah: null.
„Henkels ganze Rabulistik aus Oppositionszeiten ist damit widerlegt“, stellte Udo Wolf, Fraktionschef der Linkspartei, fest. Die wichtigste Botschaft für Wolf ist aber eine andere. Berlin ist Vorreiter in Sachen Kennzeichnung. Andere Bundesländer diskutieren nachzuziehen. „Es gibt keinen Grund mehr, sich zu drücken“, freute sich der Linke.
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