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HygienevorschriftenChaos in der Tagesmütterküche

Die verschärften Hygienevorschriften für Tagesmütter gelten nicht, sagt die EU-Kommission. Sie gelten doch, erklärt hingegen die Senatsverwaltung für Gesundheit

Sie betrifft die Vorschrift nicht. Bild: DAPD

In der Debatte über die verschärften Hygienevorschriften für Tagesmütter herrscht Chaos. Eigentlich sollten die Regeln ab Januar gelten - allerdings in jedem Bezirk in anderer Form. Nun ist unklar, ob sie überhaupt verschärft werden. Laut Europäischer Kommission gelten Tagesmütter und -väter nicht als Lebensmittelunternehmer, wie eine Kommissionssprecherin der taz sagte. Ihrer Auffassung nach müssen sie deshalb auch nicht - wie von Senat und Bezirken geplant - ab 1. Januar gemäß der EU-Verordnung für Lebensmittelrecht kontrolliert werden. Doch die Senatsverwaltungen für Gesundheit und Bildung sind sich uneins, ob die Kommission recht hat.

Als Reaktion auf viele Medienberichte über verunsicherte Tagesmütter und -väter in Berlin hat sich die Europäische Kommission vom Leitfaden der Berliner Behörden distanziert. Dieser war Anfang November an alle Tagespflegepersonen ausgegeben worden und sieht strenge Hygienevorschriften sowie Kontrollen durch die Lebensmittelaufsicht vor. So müsse zum Beispiel täglich die Küche desinfiziert werden, in der das Essen für die Kinder zubereitet wird.

Bis zum Bund ist die Interpretation der Kommission noch nicht vorgedrungen. Das Bundesministerium für Verbraucherschutz hält die Tagesmütter nach wie vor für Lebensmittelunternehmer, sagte Sprecher Philipp Erbach-Fürstenau. "Da sie regelmäßig Lebensmittel abgeben, ist das hygienische Risiko anders zu beurteilen als bei den Fällen, die die Kommission anführt." Laut dem Sprecher müssen die Länder die Auffassung des Bundes aber nicht teilen. "Da die Lebensmittelaufsicht Ländersache ist, können sie entscheiden, wie, was und in welchem Umfang sie kontrollieren."

Sowohl die Senatsverwaltung für Bildung als auch die für Gesundheit verweisen auf Anfrage jedoch darauf, dass sie auf eine aktuelle Stellungnahme des Bundes angewiesen seien, bevor sie an ihren bisherigen Regelungen etwas ändern könnten. Diese könnte bald kommen: Das Bundesfamilienministerium hat das Bundesverbraucherministerium dazu aufgefordert.

Um das Chaos aber perfekt zu machen, haben die beiden Senatsverwaltungen auch unterschiedliche Wünsche, was die Umsetzung angeht. Beate Stoffers, Sprecherin der Senatsverwaltung für Bildung, erklärte: "Wir wollen handhabbare Vorschriften für die Tagesmütter. Diese entsprechen der Auffassung des Hauses nach nicht denen für Lebensmittelunternehmen." Stoffers Kollegin Regina Kneiding aus der Senatsverwaltung für Gesundheit sagte der taz hingegen: "Wir sind weiter der Auffassung, dass Tagesmütter Lebensmittelunternehmen sind und die Vorschriften demnach angemessen sind." Beide Verwaltungen weisen sich wechselseitig die Federführung in der Angelegenheit zu.

In den Bezirken herrschte nach dem Klarstellungsversuch der Europäischen Kommission zunächst allgemeine Erleichterung. "Jetzt haben unsere Tagesmütter durch die Schulungen eine Auffrischung in Sachen Hygiene erhalten, die überzogenen Protokollierungspflichten bleiben ihnen aber hoffentlich erspart", sagt Elfi Jantzen, Bezirksstadträtin für Jugend in Charlottenburg-Wilmersdorf. Ähnlich äußerte sich ihre Amtskollegin Christa Markl-Vieto aus Steglitz-Zehlendorf. Doch da das Land die Bezirke bisher nicht weiter informiert habe, bleibe sie unsicher, so Markl-Vieto. Angesichts des offensichtlichen Kommunikationschaos der zuständigen Senatsverwaltungen wohl zu Recht.

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5 Kommentare

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  • T
    thoridel

    Ja hoffentlich hat Deutschland einen Plan für die Kinder die nach den Kontrollen auf der Strasse sitzen weil die Tagesmütter keine Möglichkeit sehen die Vorschriften im privathaushalt umzusetzen. Na soll ja alles für die Kinder sein. Nur für wen ist es wirklich?? Wer verdient hier mal wieder ordentlich? Ich habe noch von keinem Fall gehört das sich ein Kind in der Tagespflege eine Krankheit wegen nicht desinfiziertem Boden und Küche eine Krankheit weggeholt hat. Es ist wohl sehr lächerlich und bedeutet mit Sicherheit das Aus für die Tagespflege also liebe Kinder das ist Deutschland - ALLES FÜR EUCH

  • A
    Annette

    Ich bin eine von den Tagesmüttern die die neuen Hygienevorschriften umsetzen soll, seit mehr als 20 Jahren Tagesmutter ohne Hygienevorfall. Ich frage mich nur wann ich das auch noch machen soll und dabei geht es hier nur um die Dokumentation. Hierfür benötige ich täglich mind. weitere 0,5- 1 Std. meiner ohnehin schon knapp bemessenen Freizeit, von dem unbezahlten finanziellem Aufwand ganz zu schweigen.

  • D
    Diplodocus

    Da zeigt die EU-Kommission Augenmaß und einige Gesundheitsverwalter überholen sie rechts. Welche/welcher Hausfrau/Hausmann desinfiziert denn ihre/seine Küche täglich und hielte dies auch für notwendig? Es gibt einen Unterschied zwischen einem Restaurant oder Imbiss, wo ein großer Umschlag von Waren und Personen stattfindet, und einem Privathaushalt, in dem ein oder zwei Kindern mehr täglich zwei oder drei Mahlzeiten zubereitet werden.

    Die Berliner Gesundheitsverwaltung scheint den GEIST der Richtlinie nicht verstanden zu haben und verbeißt sich in Formalismus. Bleibt sie siegreich, werden vermutlich massenweise Tagesmütter wegen Aufwand und möglichen Sanktionen abspringen.

  • S
    schneeflocke

    völliger schwachsinn! Da ist jede Mutter froh, die eine Tagesmutter (- vater) gefunden hat, freut sich über die natürliche, familiäre Umgebung ihres Kindes, während sie arbeiten gehen muss um die Miete zu bezahlen...Und da kommen solche Vorschriften, von denen noch nicht mal klar ist, wie die umgesetzt, geschweige denn, kontrolliert werden sollen! Lieber die Tagesmütter regelmäßig schulen, erschwinglicher machen anstatt ständig mehr einzuschränken. Ich habe im ersten Jahr monatlich um die 650,-€ für die Tagespflege meines Kindes bezahlt, wußte es aber liebevoll betreut.Dort hat es gelernt, das Kochen und Essen imGarten Freude macht, die Tagesmutter jholt das Gemüse mit dem Fahrrad vom Biobauern und das Obst aus dem eigenen Garten.Die größeren Kinder helfen leidenschaftlich gern bei der Zubereitung und keines der Kinder ist je an einer Lebensmittelinfektion erkrankt.

    Und da die meißten Tagesmütter über "Mundpropaganda" weiter empfohlen werden, wird jede, die ihren Job und die Kinder liebt, sorgsam mit den Lebensmitteln und allem anderen umgehen.

  • A
    AberAberWerWirdDennGleichInDieLuftGehen?

    Nun verlangt man endlich mal ein bisschen mehr Respekt vor den Kindern, schon wird gemosert. Ich halte es für richtig, dass diese Richtlinie umgesetzt wird, wer weiß, wie die Kleinen sonst so untergebracht werden. Und dann sind da noch etliche Pflegefamilien, die man überprüfen sollte. Die kassieren schließlich pro Kind um die 1.000,00 EUR im Monat vom Staat. Da darf man wohl als Kind ein wenig Service erwarten oder? Wer geht schon in ein Restaurant, wo das Klo dreckig und der Kühlschrank keimig ist?