Henkel unter Druck: NSU-Hinweis aus Berlin?
Berliner V-Mann soll 2002 Ort des rechten Terror-Trios gekannt haben. Untersuchungsausschuss im Bundestag ist brüskiert, Henkel verspricht "Aufklärung".
Im Untersuchungsausschuss des Bundestags zu den NSU-Morden gerät nun auch Berlin ins Visier. Mitglieder des Ausschusses teilten am Donnerstag mit, dass das Land offenbar bereits 2002 einen Hinweis auf den möglichen Aufenthaltsort der untergetauchten rechtsextremen Terrorzelle gehabt habe. Berlin habe die entsprechenden Unterlagen aber bis gestern nicht an den Ausschuss weitergeleitet.
Wie es hieß, soll der Tippgeber damalig Berliner V-Mann und einer der mutmaßlichen NSU-Helfer sein, die die Generalbundesanwaltschaft heute als Beschuldigte führt. Die Informationen stammen offenbar aus einem Bericht von Polizei und Verfassungsschutz, den Berlin am Donnerstag dem Ausschuss übersandte. Der Untersuchungsausschuss hatte diesen aus allen Bundesländern beantragt, mit der Frage nach verdeckten polizeilichen Maßnahmen zum NSU. Bisher hieß es, Berlin habe keine für die Aufklärung relevanten Unterlagen.
Innensenator Frank Henkel (CDU) kündigte an, die „schwerwiegenden Vorwürfe“ prüfen zu lassen. Berlin werde „sämtliche Informationen und Unterlagen, die der Berliner Polizei vorliegen“, dem Ausschusses zur Verfügung stellen. Ihm sei sehr an einem „engen Informationsaustausch“ gelegen, so Henkel.
Grünen-Obmann Wolfgang Wieland forderte dringende Aufklärung. Entweder habe die Berliner Innenverwaltung nichts von dem Hinweis gewusst oder aber ihn bewusst verschwiegen. „Es ist ein weiterer Schock.“
Linken-Fraktionschef Udo Wolf kündigte an, den Vorfall zum Thema im Innen- und Verfassungsschutzausschuss zu machen. Sollte sich bewahrheiten, dass Berlin den Hinweis auf das NSU-Trio „nicht mit der gebotenen Sorgfalt bearbeitet hat, wäre das ein Skandal“.
Bisher waren nur zwei vage Spuren des NSU nach Berlin bekannt: 1998 soll ein Unterstützer in der Stadt nach "Unterschlupfadressen" für das Trio gesucht haben. 2000 will ein Polizist die drei in Berlin gesehen haben. Das ließ sich nie erhärten.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Scholz und Pistorius
Journalismus oder Pferdewette?
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind