"Grüne" Suchmaschine Ecosia: Suchen für den Regenwald
Ecosia geht mit einer neuen Version online. Die "grüne" Suchmaschine will innerhalb von einem Jahr 123.000 Euro für ein Regenwaldprojekt gesammelt haben.
Ab dem 14. Dezember gibt es eine relaunchte, neue Version der Suchmaschine Ecosia. Die sogenannte grüne Suchmaschine gibt es seit einem Jahr. Zum Geburtstag lobt sie sich selbst und ihre Nutzer: In nur zwölf Monaten habe man es geschafft, 123.000 Euro für ein Regenwaldschutzprojekt des World Wide Fund For Nature (WWF) im brasilianischen Juruena-Nationalpark zu sammeln.
Ecosias Spenden investiert der WWF in den Schutz von brasilianischem Regenwald. Auf der alten Ecosia-Seite hieß es zuletzt, dass mithilfe von 119.403.027 Suchanfragen bereits 237.412.295 Quadratmeter Regenwald "gerettet" worden seien. Das hieße: pro Suchanfrage zwei Quadratmeter Regenwald.
Ecosia wendet sich, gemäß dem Image als "grüne Seite", an "Befürworter einer Nachhaltigkeit", die ihrer Suche im Web einen "ökologischen Zusatznutzen" verleihen wollen. Langfristiges Ziel sei es, die CO2-Gesamtbilanz zu senken: Die Entwaldung des Regenwaldes ist laut Ecosia zu einem Fünftel für den zu hohen Gehalt von Kohlenstoffdioxid in der Atmosphäre verantwortlich. Deswegen würden mindestens 80 Prozent der Einnahmen an die WWF-Nationalpark-Projekte Juruena und Tumucumaque gespendet. Jana Kroll, Pressesprecherin des von Christian Kroll gegründeten Unternehmens, sagt, "dass wirklich alles für den Regenwald gespendet" würde.
Allerdings sind damit nicht die Gesamteinnahmen an Spenden gemeint. Von denen geht ein Anteil an die Server der Konkurrenz von Bing und Yahoo, mit deren Suchpower Ecosia an den Start gegangen ist. Mehr als die Hälfte der Sucheinnahmen von Bing und Yahoo wiederum gehen an Ecosia. Ecosia ist es allerdings vertraglich untersagt, hier genaue Zahlen zu nennen. "Wir versprechen unseren Usern aber, dass mehr als die Hälfte der Einnahmen bei Ecosia bleibt", so Jana Kroll, die Schwester des Firmengründers. Davon gibt Ecosia 80 Prozent an den WWF weiter,
Ecosia ist bei weitem nicht die erste Suchmaschine, die sich auf einen "guten Zweck" beruft. Andere Suchmaschinen, die sich nach ihren Angaben aus sozialem oder ökologischem Engagement gegründet haben, heißen Umlu.de, Forestle.org, Znout.de, Ecocho.eu, GoodSearch.com, Ecosearch.org oder Greenmaven.com. Aus diesem Grund hatte das Userforum Greencomputing auf die Ecosia-Einführung mit Skepsis reagiert. Es gehe hierbei offensichtlich auch um Marktstärke, so die Nutzer im Forum.
Kritik wurde bei Greencomputing auch daran laut, dass Bing keine CO2-neutralen Server verwendet. "Das die Bing-Server nicht auf Ökostrom laufen, wissen wir", so Jana Kroll. Daher soll in der neuen Ecosia-Version versucht werden, diesen Anteil auszugleichen.
Die Suchmaschine selbst bezeichnet ihr Programm als "Social Business". Als Social Business gelten Unternehmen, die mit einer ökologischen oder sozialen Zielsetzung gegründet wurden und profitabel sind. Die Idee von Social Business geht vor allem zurück auf Muhammad Yunus. Der Ökonom aus Bangladesch hatte 2006 für seine Idee der "Mikrokredite" den Friedensnobelpreis verliehen bekommen. Viele Firmen, die sich heute als Social Business bezeichnen, sind im Grunde klassische NGOs, die nun verstärkt auf Profitorientierung setzen.
Angesichts dieser Entwicklung sprechen Kritiker auch von "Greenwashing". Greenwashing bezeichnet die Beschönigung von wirtschaftlichen Interessen mit einem sozialen oder ökologischen Deckmantel. Einheitliche Zertifizierungen, die diesem Vorwurf entgegen wirken könnten, gibt es nicht, weder für "Social Business", noch für "Grüne Seiten". Einen "Certified Green Site"-Stempel kann man sich so auf beliebige Art und Weise besorgen. Oder ihn sich einfach selbst geben. So hat es auch Ecosia gemacht. "Da waren wir ganz frech", sagt Jana Kroll. Dementsprechend wäre eine Öko-Zertifizierung nur so viel wert ist wie die Glaubwürdigkeit der ausstellenden Organisation. Am Ende entscheidet die Loyalitätsbereitschaft der User.
Ecosia wirbt für sich vor allem mit hohen Klickzahlen. So soll es bereits nach wenigen Wochen um die 300.000 Zugriffe täglich gegeben haben. Das kleine Unternehmen (1,5 feste und 10 freie Mitarbeiter) legt sein Gewicht generell auf Öffentlichkeitsarbeit. Das ist nachvollziehbar, hängt doch der Erfolg eines Projekts mit "einem guten Zweck" maßgeblich davon ab, wie die Idee dieses Zwecks mit guter Werbung verknüpft wird.
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