Gewalt: Hilft jetzt nur noch beten?
Der Tod eines 20-Jährigen am Alexanderplatz hat eine neuerliche Debatte über Verrohung und Videoüberwachung ausgelöst.
Nach dem tödlichen Angriff am Alexanderplatz am Wochenende ist eine Debatte über Gewalt in Berlin entflammt. Innensenator Frank Henkel (CDU) sprach sich in der Senatssitzung am Dienstag dafür aus, Gewalt in der Gesellschaft stärker zu ächten. Der evangelische Landesbischof Markus Dröge warnte, Berlin dürfe nicht zur Hauptstadt der Gewalt werden. „Es kann nicht sein, dass wir uns in der Mitte Europas an No-go-Areas gewöhnen“, so Dröge. Der Grünen-Innenpolitiker Benedikt Lux forderte eine „politische Debatte über die Eindämmung der Gewalt“. Umstritten bleibt dabei die Videoüberwachung in Bahnhöfen und auf öffentlichen Plätzen.
Die Attacke auf den Mann, der seinen Verletzungen am Montag erlag, war der bisherige Tiefpunkt einer Gewaltserie. Videoüberwachung ist für Piraten-Fraktionschef Christopher Lauer jedoch kein Weg, solchen Taten zu begegnen: Sie sei oft nicht mehr als eine Simulation von Sicherheit. Die Aufnahmen würden meist erst später ausgewertet. „Einzig mehr Personal kann für mehr Sicherheit sorgen.“
Die Grünen hatten sich schon im Wahlprogramm nicht generell gegen Videokameras ausgesprochen, aber flächendeckende Videoüberwachung öffentlicher Plätze abgelehnt und eine Überprüfung des Nutzens gefordert. Die Überwachung „mag das subjektive Sicherheitsempfinden verbessern, Hilfe leisten können jedoch nur Menschen“. Laut Senatssprecher Richard Meng steht der Senat geschlossen hinter der Position Henkels, Gewalt zu ächten. Dessen ungeachtet werde der Senat mögliche Hinweise aus den Polizeiermittlungen aufnehmen, was sich ganz praktisch in Sachen Sicherheit noch verbessern lässt.
Die Fahndung nach den Tätern vom Alexanderplatz dauert an. Wegen der Brutalität des Verbrechens hat die Staatsanwaltschaft Berlin eine Belohnung in Höhe von bis zu 15.000 Euro ausgesetzt.
Nach bisherigen Erkenntnissen feierte das spätere Opfer mit drei Freunden in einem Club am Alex. Gegen 4 Uhr morgens mussten die vier das Lokal wegen "erheblicher Alkoholisierung" verlassen. Aus einer Gruppe von etwa sieben Personen wurde der 20-Jährige zunächst von zwei Angreifern mit Fäusten geschlagen. Dann schlugen und traten offenbar alle sieben auf ihn ein, als er am Boden lag. Dabei erlitt er schwere Kopfverletzungen und starb am Montagnachmittag im Krankenhaus.
Die Polizei hofft nun vor allem, dass sich Zeugen melden. Denn: Im benachbarten Club Cancun fand am Samstagabend eine große Party mit 500 bis 700 Gästen statt. "Genau in dem Moment der Tat verließen viele Gäste den Club", sagte Jutta Porzucek, Leiterin der Mordkommission. (jok)
Der CDU-Nachwuchs Junge Union warnte vor einer „Verrohung der Gesellschaft“. Aus der außerparlamentarischen Opposition meldete sich FDP-Landeschef Martin Lindner, der eine „bedenkliche Entwicklung rechtfreier Räume“ sah. Der Soziologe Claudius Ohder wurde zitiert, die Gewalt habe nicht zugenommen, werde aber zunehmend von purem Hass getragen. Täter hätten oft keine Erfolgserlebnisse in Schule, Familie und Beruf. Und der Bielefelder Gewaltforscher Wilhelm Heitmeyer warnte: „Die zunehmende soziale Ungleichheit zersetzt die Gesellschaft.“
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