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Getöteter libyscher RebellenchefUmstrittener Wendehals

Unter noch unklaren Umständen wurde der wichtigste Kommandeur der libyschen Rebellen, General Abdelfattah Junis, ermordet. Umstritten war er schon lange.

Ermordet: General Abdelfattah Junis. Bild: reuters

General Abdelfattah Junis, Militärkomandeur der libyschen Rebellen, ist tot. Unter noch unklaren Umständen wurde der wichtigste Kommandeur der Aufständischen, die das Gaddafi-Regime in Libyen bekämpfen, am Donnerstagabend umgebracht. Seine Anhänger machen die Rebellenführung verantwortlich. Tot bringt der General die libyschen Machtverhältnisse, die er als Kriegsherr nicht umkehren konnte, doch noch zum Tanzen.

Umstritten war Junis schon lange. Er war jahrzehntelang ein enger Mitstreiter des libyschen Machthabers Muammar al-Gaddafi und nahm an dessen Militärputsch 1969 teil. Als Mitte Februar, in direkter Folge des Sturzes von Diktator Mubarak im benachbarten Ägypten, auch in Libyens Städten das Volk auf die Straße ging, war Junis Innenminister und für die Niederschlagung der Proteste mit zuständig. Dann, am 22. Februar, erklärte er in einem dramatischen Appell seinen Übertritt zur "Revolution". Das weckte bei vielen Gaddafi-Gegnern die trügerische Hoffnung, das verhasste Regime falle auseinander.

Junis blieb tatsächlich einfach Libyens höchstrangiger Überläufer. Er sorgte dafür, dass sich der Aufstand im Osten Libyens konsolidierte, da sein in Tobruk konzentrierter Stamm der Obeidat überlief. Zu diesem gehört Gaddafis zweite Ehefrau Safia, Mutter der beiden heute bekanntesten Gaddafi-Söhne Saif al-Islam und Mutassim. So vertrat Junis gewissermaßen den inneren Kern des Gaddafi-Regimes bei den Rebellen, und umgekehrt konnte er als Speerspitze des Aufstands in Gaddafis engster Entourage gelten.

Das bescherte ihm immer wieder Misstrauen bei den radikaleren Revolutionären in Bengasi. Schon aus Eigeninteresse hoffte er auf einen kurzen Krieg. Der grauhaarige, untersetzte Junis kritisierte die Nato als "unser Problem", weil sie zu langsam und zu zögerlich gegen Gaddafi vorgehe. Aber er zerstritt sich immer wieder mit anderen Militärführern bei den Rebellen. Jetzt ist Junis dem Misstrauen gegen ihn zum Opfer gefallen: Er starb nicht an der Kriegsfront, sondern nachdem er zur Befragung nach Bengasi zurückbeordert worden war.

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5 Kommentare

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  • HK
    Henner Kroeper

    von TAZ Neusprech: Al-Kaida Terroristen = 'radikale Revolutionäre', Bombenkrieg = 'humanitär', Radikalislamisten = 'Demokraten':

     

    Dem vorangehenden Schreiben kann ich bis auf den letzten I-punkt nur voll zustimmen.

     

    Für die unersätliche Raffgier, die ihren Rachen nie vollkriegen kann gilt das abgewandelte Brechtwort >Nur wer vom Chaos lebt lebt angenehm

  • GS
    Gunnar Sturm

    Das Gute an der TAZ: hier kann man noch frei zu den Artikeln posten!

     

    Ansonsten gebe ich dem Vorredner völlig recht: in Elfenbeinküste war das Vorgehen und die Mediendarstellung vergleichbar. (siehe Ivoireleaks.de , da haben wir auch so manchen Kommentar an die Medien und deren Publikum gerichtet)

  • TN
    TAZ Neusprech: Al-Kaida Terroristen = 'radikale Revolutionäre', Bombenkrieg = 'humanitär', Radikalislamisten = 'Demokraten'

    'Radikalere Revolutionäre' - schöne Umschreibung für die Al-Kaida Terroristen der Libyan Islamic Fighting Group welche für die Ermordung von Junis verantwortlich sind. Die US - Al-Kaida Connection bzw. die Zusammenarbeit zwischen weslichen und saudischen Geheimdiensten und radikalen Islamisten besteht seit langen: Afghanistan, Kosovo, Bosnien, Tschetschenien, Nagorny-Karabach (Aserbaidschan) und jetzt Libyen sind leuchtende Beispiele der Terrorunterstützung durch den Westen (siehe auch: http://www.globalresearch.ca/index.php?context=va&aid=25829).

     

    Überall wo es gilt vom Westen unabhängige säkulare sozialistische Regierungen wegzuputschen oder mit Krieg zu überziehen, sind diese radikalislamischen Terroristen willige Helfer der westlichen imperialistischen Länder. Der Tod von Junis - als Repräsentant der 'gemäßigten' Kräfte bei den sogenannten Rebellen und Mitglied des mächtigen Obeide Stammes - und die Schändung seiner Leiche im Al-Kaida Stil werfen ein bezeichnendes Licht darauf, wer in Wirklichkeit die Macht im Übergangsrat besitzt.

     

    Diese offene Provokation durch Al-Kaida wird demaskiert entgültig die westliche Strategie und wird einen Krieg der Rebellen untereinander anheizen. Der Krieg in Libyen ist eine Bankrotterklärung der NATO und unserer 'Menschenrechtsinterventionisten' bis zu den Grünen und der TAZ. Die Unterstützung und Bewaffnung von Al-Kaida und den brutalen NATO-Angriffskrieg auf Libyen mit der rücksichtslosen Bombardierung von Großstädten als 'humanitäre Intervention' darzustellen ist der Gipfel von Perversion und moralischer Verkommenheit!

  • D
    daniel56

    Mal wieder scheinen gewisse westliche Staaten, darunter Deutschland, eine sogenannte Rebellenbewegung diplomatisch anerkannt zu haben, deren Motivation und deren Methoden höchst zweifelhaft sind. Die dt. Bundesregierung finanziert

    diese Leute auch noch von unseren Steuergeldern. Frühere Beispiele sind zB die UCK im Kosovo der 90er Jahre (Mörder und kriminelle Organhändler), die

    Mudschadidin im Afghanistan der 80er (heute "Al-Quaida"-Terroristen) und seit 2003 die Forces Nouvelles des von den Franzosen erst dieses Jahr an die Macht gebombten neuen Präsidenten der Elfenbeinküste, Outtara (Völkermord, gewaltsame

    Einschüchterung von Wählern).

    Nur dass wir hierzulande in unseren Mainstream-

    Medien von den Methoden und den wahren Beweggründen dieser Organisationen erst erfahren, lange nachdem diese von unserer Politik als "demokratische Vertreter" dieser Völker anerkannt wurden.

    Andere Hintergrund- Zusammenhänge erfahren wir

    gar nicht, z.B. dass einer der libyschen "Rebellen", Khalifa Hifter und seine Organisation, die LNSF seit 15 Jahren von der CIA begünstigt wird, siehe zB die

    kanadische site

    http://www.globalresearch.ca/index.php?context=va&aid=25827

    Was auch völlig fehlt, ist eine ausgewogene Beschreibung der Situation im Libyen Ghaddafis, bevor der jetzige Bürgerkrieg begann. Trotz unbestreitbar vorhandener demokratischer Defizite wird völlig ausser Acht gelassen, dass es in Libyen ein kostenloses Gesundheitssystem und kostenlose Schulen gab (wohingegen in fast allen anderen Staaten Afrikas jeder, der todkrank ist und kein Geld hat stirbt), dass die Einnahmen aus dem Ölexport zu 89% dem Lande und seinen Menschen zugute kommen und nur zu 11% multinationalen Konzernen; ganz anders als in vom Westen als "demokratisch" anerkannten Staaten wie Angola, Nigeria, Saudi-Arabien oder Katar.

    Dass letztere in Wahrheit auch extem undemokratisch und korrupt sind, wird hierzulande elbstverständlich kaum erwähnt, denn unsere gute Merkel sowie die dt. Grossindustrie will es sich mit diesen Regimes ja nicht verscherzen. Die Ölexporte der von den libyschen "Rebellen" kontrollierten Gebiete werden heute von Katar organisiert, zur Finanzierung der zivilen öffentlichen Aufgaben bleibt fast nichts mehr übrig.

    Dass auch zB Siemens früher mit Ghaddafi beste Geschäfte gemacht hat, davon ist heute auch gar nicht mehr die Rede, man geht dann eben zu den jetzigen "Rebellen" über, ganz egal was das für Leute sind, hauptsache, es werden noch

    mehr Gewinne an die Konzernzentralen fliessen als jetzt schon.

    Auch dass Libyen einer der wenigen Staaten war, die in ganz Afrika faire Projekte unterstützt

    haben, zb die RASCOM, eine Oragnisation für Satellitenkommunikation, die Afrikanische Zentralbank und den Afrikanischen Währungsfonds, die vom neokonservativen Diktat des IWF und der Weltbank unabhängig sein wollen, erfährt man in unseren Mainstream-Medien nicht. Der Westen hat diese Projekte stets boykottiert.

     

    In afrikanischen Medien wird sehr viel ausgewogener über den Libyenkrieg berichtet als in Europa, warum nur? Diese Berichterstattung der TAZ soll "guter

    Journalismus" sein und dafür sollen wir auch noch bezahlen? Lasst Euch doch von CIA, BND & CO bezahlen (ein Kai Diekmann ist ja schon "TAZ-Genosse"), legt das dann aber bitteschön offen, dann wissen wir Leser wenigstens, woran wir bei der

    TAZ sind, seit Bascha Mika nicht mehr dabei ist.

  • K
    Karotti

    Welche Rolle spielen Frau Pohl und ihre taz-Freiwilligen in Bengasi? Haben sie offiziellen Beraterstatus? Frau Pohl könnte den libyschen Frauer sicher Tipps über den emanzipatorischen Charakter der ihnen drohenden Burka geben.Der Rest von der taz kann den Leuten in Bengasi mit wehenden Fähnchen zeigen, wie sie ihre in den richtigen Kriegswind hängen.