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FUTURZWEI

Geschichten vom Ökokapitalismus Der tiefe Fall des Sonnenkönigs

Der Solarworld-Chef Frank Asbeck hatte eine Vision und wurde zum schillerndsten Ökounternehmer Deutschlands. Doch dann stürzte er ab. Lag es an ihm, der Bundesregierung oder den Chinesen? Eine Rekonstruktion.

Barocke Extravaganz: Asbeck 2013 in seinem Unternehmen Bild: Theodor Barth/laif

von Ingo Arzt

Peter Finger sagt, er habe für eine gute Sache gearbeitet. Für die helle Seite, für ein tolles Projekt. Finger, 63 Jahre alt, Marketingfachmann, seit den Achtzigerjahren grüner Lokalpolitiker in Bonn, seufzt am Telefon, wenn er von seinem ehemaligen Arbeitgeber spricht: Solarworld. Fast, als sei da jemand gestorben. Finger hat schon an die Energiewende geglaubt, als sie spinnerte Utopie war, er war dann Teil von ihr – und heute ist der große Traum geplatzt. Es war der Traum von einer neuen, grünen Leitindustrie in Deutschland, basierend auf Solarzellen, der Hardware für eine weltweite Solarrevolution. »Jetzt ist der Zug leider abgefahren«, sagt Finger.

Finger arbeitete von 2003 bis 2017 in der Bonner Zentrale von Solarworld an Werbekampagnen, war Betriebsratsvorsitzender und erlebte Aufstieg und Fall eines Konzerns, dessen Entwicklung exemplarisch für die deutsche Solarbranche steht. Und er sah Aufstieg und Fall eines Mannes, der das Gesicht der solaren Revolution in Deutschland war: Frank Asbeck. Der Sonnenkönig, wie man ihn nannte.

Finger und Asbeck kannten sich gut, sie arbeiteten in den Achtzigern für die Grünen gemeinsam im Kreistag des Rhein-Sieg-Kreises. Die Truppe war ziemlich chaotisch. »Bei Solarworld hingen die Leute auf den Hauptversammlungen an seinen Lippen, Asbeck war schon ein wenig der Solar-Messias«, sagt Finger. Das war, bevor der Abstieg des Unternehmens begann. Im März musste Solarworld zum zweiten Mal binnen eines Jahres Insolvenz anmelden. Vielleicht werden Teile des Unternehmens gerettet. Doch dass Asbeck noch einmal bei Solarworld einsteige, gelte als völlig ausgeschlossen, sagt ein Insider.

Die globale Energiewende findet ohne Deutschland statt

Weltweit findet unterdessen die solare Revolution statt, die der solitäre SPD-Politiker Hermann Scheer skizziert hatte und die Asbeck und viele andere sich erträumen: eine globale Energiewende. In keine andere Art der Stromerzeugung wird heute mit rund hundert Milliarden US-Dollar jährlich mehr Geld investiert als in Sonnenenergie. An immer mehr Orten liefern Solarpanels die günstigste Form der Energie. Selbst Ölstaaten wie Saudi-Arabien steuern um. Doch die Revolution findet ohne Deutschland statt. Die Investitionen in Solarenergie brachen hierzulande in den vergangenen Jahren immer weiter ein, von 133.000 Arbeitsplätzen in der Branche im Jahr 2010 sind noch rund 33.000 übrig. Es ist etwas ganz gewaltig schiefgegangen im selbst ernannten Energiewendeland.

Warum es so gekommen ist, das lässt sich sehr präzise sagen: Es hat etwas mit Asbeck zu tun, mit knallhartem chinesischem Staatskapitalismus und mit CDU, SPD und FDP, die in zwei Bundesregierungen die industrielle Basis der Solarrevolution in Deutschland einer handelspolitischen Appeasement-Politik mit Peking geopfert haben.

Fangen wir von vorn an, mit dem Faktor Asbeck. 1998 beginnt er in Bonn mit Solarworld, 1999 geht er an die Börse. Es ist die Gründerzeit der Branche, denn 1998 entsteht auch der Projektierer Conergy, 1996 der Modulhersteller Solon, 1998 in Erlangen die Solar Millennium AG, die solarthermische Kraftwerke baut, 1999 gründen in Thalheim vier Ingenieure Q-Cells, zwischenzeitlich weltgrößter Solarmodulhersteller. All diese Unternehmen sind mittlerweile aufgekauft oder pleite.

Ein rauschhaftes Jahrzehnt für Solarworld

Asbecks Schwäche ist beim Börsengang 1999 seine Stärke: Er trägt dick auf. Einer, der wie Finger all das aus nächster Nähe gesehen hat, ist Boris Klebensberger. Asbeck holte ihn 1999 zu Solarworld, von 2001 bis 2013 saß er im Vorstand, zuständig für die Planung der gesamten Produktion, ab 2006 war Klebensberger auch noch Chef der US-Tochter. Heute ist er freier Berater in der Branche.

»Klar konnte Frank ziemlich großspurig daherkommen«, sagt er, »aber er hatte eben eine Vision. Ich fand das damals erstaunlich, wie er massenweise die Geldgeber begeistern konnte, mit dem fast irrwitzigen Plan, gegen Siemens, Shell, BP, RWE und andere Energieriesen anzutreten«, sagt er. Solange man Erfolg habe, funktioniere das: große Ziele stecken, groß auftreten. »Manche haben Frank gehasst, andere waren begeistert«, sagt Klebensberger.

Es folgt ein geradezu rauschhaftes Jahrzehnt für Solarworld: Allein von 2005 bis 2010 ist die Bilanzsumme von 360 Millionen Euro auf 1,3 Milliarden Euro gewachsen, Gewinne zwischen 50 und 150 Millionen im Jahr, über 3.300 Mitarbeiter, eine komplett integrierte Produktion – von den aus Siliziumblöcken gesägten Wafern als Grundlage, über die Zellen bis hin zum fertigen Solarmodul. Asbeck inszeniert sich als exzentrischer, aber genialer Unternehmensführer. Der Vater dreier Kinder kauft zwei Schlösser am Rhein. Er jagt auf seinem eigenen Anwesen. Über seinen Schreibtisch im Firmensitz hängt er 99 Felle von selbst geschossenen Füchsen auf, deren Augen leuchten können.

Das Bild des reichen Schnösels bringt fatale Imageverluste

Direkt vor seinem Büro will er am Rheinufer ein Wildgehege mit Löwen anlegen lassen. »Es gibt verschiedene Symbolismen, die ich mir zu eigen gemacht habe. Ich bin immer größere, stärkere Dinge angegangen. Wo andere Leute die Hauskatze präferieren, ziehe ich einen Löwen vor«, sagt er 2008 dem Handelsblatt. Das Gehege wird allerdings nicht genehmigt. Asbeck fährt Maserati, einfach, weil er es kann. »Irgendwer muss das ganze Öl ja noch aufbrauchen«, scherzt er in einem Film der ARD. Die großen Worte sind vorbei: Für die Recherche zu diesem Text ist Asbeck nicht zu sprechen. Er tritt seit der zweiten Insolvenz seines Unternehmens nicht mehr in der Öffentlichkeit auf.

Asbecks Auftreten, seine grauen Locken, seine stattliche Figur, diese barocke Extravaganz, all das hat ihm den Spitznamen »Sonnenkönig« eingebracht. »Will man einen Vorstandsvorsitzenden haben, der langweilig ist, oder einen, der ein bisschen crazy ist, aber die Leute mitreißt?«, fragt Peter Finger.

Die deutsche Solarbranche hat in den Nullerjahren auch andere bekannte Gesichter, aber keiner schillert so sehr wie Asbeck. Und das ist eines der Probleme: In der Öffentlichkeit entsteht das Bild des reichen Solarschnösels. Fatal, denn das Geschäft hängt am positiven Image der Branche. Die Nachfrage ist komplett von politischer und gesellschaftlicher Unterstützung abhängig, weil die Technik noch nicht konkurrenzfähig ist und über das Erneuerbare-Energien-Gesetz mittels einer Umlage auf die Stromkunden massiv gefördert wird. Alles hängt an diesem EEG: 17 Gigawatt neue Solarleistung gehen 2010 weltweit ans Netz. 44 Prozent davon in Deutschland, gefolgt von Italien mit 13,5 Prozent.

Subventionen werden gekürzt

Im März 2011 scheint die Stunde derer gekommen, die für die Energiewende gekämpft hatten. Das havarierte Atomkraftwerk Fukushima zeigt der ganzen Welt, dass selbst ein Hightech-Industrieland wie Japan die Atomkraft nicht beherrschen kann. Und Deutschland hat die Alternative. Saubere Energie aus Sonne oder Wind und die entsprechenden Unternehmen. Doch der erhoffte Schub nach vorn schlägt ins Gegenteil um: Angela Merkels erneuter Atomausstieg 2011 nach der Rücknahme des ersten von 2001 durch Rot-Grün sorgt für gewaltigen Zorn im schwarz-gelben Lager, vor allem bei der FDP – und einen irrationalen Furor gegen die grünen Energien, weil es scheint, als hätten die Ökos nach jahrzehntelangem Kampf gegen die Atomkraft auf einmal schon immer Recht gehabt. Das ist zu viel für manche.

Außerdem verdreifacht sich die von den Stromkunden zu berappende EEG-Umlage für erneuerbare Energien zwischen 2010 und 2014 – auf dann rund 23 Milliarden Euro oder 250 Euro pro Haushalt und Jahr. Und die noch teure Photovoltaik ist einer der Hauptgründe für den Anstieg – die meisten in Deutschland gekauften Solarmodule stammen damals schon: aus China.

Dass die EEG-Umlage auch wegen niedriger Börsenstrompreise und Ausnahmen für die Industrie explodiert, dass trotz chinesischer Solarmodule rund siebzig Prozent der EEG-Umlage bei Installateuren, Zulieferern und Stromproduzenten im Land verbleibt, und natürlich, dass all das auch noch Klimaschutz ist, hilft nichts. Das Trommelfeuer zeigt Wirkung. Zu allem Überfluss gibt es auch noch diese Bilder: Vom Sonnenkönig Asbeck, der 2013, mitten in der Krise seines Unternehmens, dem Fernsehmoderator Thomas Gottschalk das Jagdschloss Remagen abkauft. 

China übernimmt die Schlüsselindustrie

Solarworld-Aktionäre, darunter viele Kleinanleger, müssen währenddessen auf einen großen Teil ihres Kapitals verzichten, Aktionärsschützer sprechen von einer Quasi-Enteignung, die allerdings alternativlos sei: Solarworld wäre sonst insolvent gewesen. Nach einem massiven Preisverfall bei Solarmodulen hat der Konzern zwischen 2011 und 2013 1,1 Milliarden Euro Verlust gemacht, der Umsatz sinkt um fast zwei Drittel.

Die Bundesregierung kürzt die EEG-Förderung, kurz darauf bricht der Markt in Deutschland ein: Sind 2012 noch Module mit insgesamt 7,6 Gigawatt Leistung verkauft worden, sind es 2015 noch 1,4 Gigawatt. Der damalige Wirtschaftsminister Philipp Rösler und sein Parteichef Rainer Brüderle fordern 2013 sogar, den Bau neuer Windräder und Solaranlagen in Deutschland vorerst zu stoppen, flankiert von dem damaligen EU-Energiekommissar Günther Oettinger, CDU.

Doch die niedrigere Förderung ab 2013 ist nicht einmal das entscheidende Problem. Eigentlich ist der Branche damals längst klar, dass Kürzungen kommen würden – Frank Asbeck hat sie sogar selbst gefordert. Das Problem ist vielmehr: Die Bundesregierung feiert ihren politischen Erfolg, dass in Deutschland endlich weniger intensiv geförderte Solarenergie installiert wird. In der Lobbyschlacht darum hat die Solarbranche ihr politisches Kapital bei der Regierung verspielt. Berlin setzt der Attacke aus China nichts entgegen.

Die Bundesregierung setzt dem Angriff nichts entgegen

Die chinesische Regierung dagegen baut ungerührt an der Schlüsselindustrie des 21. Jahrhunderts weiter. »Wir haben bei Solarworld mit europäischen Maschinenbauern Anfang der 2000er die ganzen Produktionsstraßen für Wafer, Zellen und Module entwickelt und bezahlt und als alles funktioniert hat, sind die gleichen Maschinen nach Asien verkauft worden«, sagt Klebensberger heute. China habe strategisch erst die deutsche Technik von deutschen Anlagebauern eingekauft, dann kopiert, größere und effizientere Fabriken hochgezogen, den deutschen Markt mit billigen Solarmodulen überschwemmt und die Verluste ihrer eigenen Industrie so lange in Kauf genommen, bis die Konkurrenz hierzulande kaputt war.

»Die Chinesen haben ihren Solarfirmen einen schier unendlichen Finanzfluss ermöglicht. Ein paar sind dennoch vom Markt verschwunden, aber einige haben von den staatlichen Banken einfach immer weiter Geld bekommen«, sagt Andreas Bett. Auch er hat sein Leben lang für die solare Revolution gearbeitet, 1992 promovierte er mit einer Arbeit über neuartige Solarzellen. Er hat 19 patentierte Technologien mit entwickelt, berät Solarfirmen in Frankreich, Deutschland, Israel und China. Seit 2017 ist er Ko-Leiter des Fraunhofer-Instituts für Solare Energiesysteme ISE in Freiburg.

Klebensberger ist durchaus auch selbstkritisch: Man habe Managementfehler gemacht. Etwa viel zu lange an dem Modell festgehalten, alle Komponenten für Solarmodule im eigenen Haus herzustellen, statt die Kostenvorteile in Asien zu nutzen und dort einzukaufen. Oder die Fokussierung auf Premium-Solaranlagen für Häuslebauer: »Der Markt für private Dachanlagen wuchs seit Jahren nicht mehr. Es hätte eigentlich klar sein müssen, dass Solarworld damit seine Fabriken nicht auslasten kann«, sagt Klebensberger.

Die Schattenseite des Sonnenkönigs

In der Krise zeigt sich aber auch die Schattenseite des Sonnenkönigs Frank Asbeck. Finger attestiert ihm: »Es gab da schon eine gewisse Arroganz. So ein ›Was soll uns schon passieren, wir sind vorn und bleiben vorn.‹« Asbeck verspricht, kein Gehalt mehr als Solarworld-Chef zu beziehen, bis die Firma wieder schwarze Zahlen schreibt – und kassiert 2013 trotzdem 254.054,04 Euro vom Tochterunternehmen Solarparc. »Später, bei der Insolvenz 2017, hatte er leider nicht den Mumm, sich vor seine Leute zu stellen. Bei der Belegschaft in Bonn hat er sich vor der Insolvenz monatelang nicht blicken lassen. Da hat er viele menschlich sehr enttäuscht«, sagt Finger. Öffentlich hat Asbeck zuletzt 2017 im Spiegel über die Chinesen geflucht, die sein Unternehmen »illegal zur Strecke gebracht« hätten.

Ganz daneben liegt er mit dieser Attacke nicht. Dass China Dumping betrieben hat, bezweifelt heute niemand mehr. Die Bundesregierung aber hat die Solarbranche geopfert, um keinen Handelsstreit mit China anzuzetteln – auch die ab Oktober 2013 amtierende große Koalition: Im Dezember 2013 bestätigt die EU-Kommission Beschwerden von einem von Solarworld angeführten Konsortium, dass China Solarmodulhersteller illegal subventioniere und seine Produkte unter Herstellungskosten zu Dumpingpreisen in Europa verkaufe – und verhängt Schutzzölle.

Die Bundesregierung allerdings setzt sich dafür ein, dass chinesische Hersteller die Zölle umgehen können. Man habe sich für eine »einvernehmliche Lösung mit der chinesischen Seite eingesetzt und die Mindestpreisvereinbarungen immer befürwortet«, schreibt sie in einer Antwort auf eine Kleine Anfrage der Grünen von 2015. Doch diese Mindestpreisvereinbarungen bedeuten ein Schlupfloch, durch das die Zölle kaum Wirkung entfalten können: Jeder chinesische Hersteller, der einen Mindestpreis für seine Solarprodukte in der EU akzeptiert, ist von den Zöllen ausgenommen. Und dieser Mindestpreis wird anhand einer Datenbank des Finanzdienstes Bloomberg ausgewiesenen internationalen Spot-Preise für Solarmodule aus kristallinem Silizium ermittelt.

Zölle allein helfen nicht

Der Witz dabei: Chinesische Hersteller sind so mächtig, dass sie die Preise in dieser Datenbank quasi festlegen – acht der zehn größten PV-Hersteller weltweit sind mittlerweile chinesische Unternehmen. Die EU zieht also chinesische Dumpingpreise als Maßstab gegen chinesische Dumpingpreise heran. Das gibt die Bundesregierung auch offen zu: Es sei durchaus möglich, dass es sich bei den Mindestpreisen »auch um gedumpte und subventionierte Preise handelt, die den internationalen Handel verzerren«, heißt es in der Kleinen Anfrage von 2015. Konsequenzen daraus zieht Berlin keine. Im Herbst lässt die EU-Kommission die Zoll-Regelung wahrscheinlich auslaufen.

Ähnlich läuft es in den USA: Dort hat die Regierung bereits 2012 Zölle auf chinesische Module und Zellen verhängt, doch die Hersteller aus der Volksrepublik beliefern den US-Markt fortan einfach von ihren Fabriken in Taiwan, Südkorea oder Malaysia aus. Bis 2017 müssen 25 US-Solarproduzenten schließen, heute sind noch zwei übrig. Sowohl in den USA als auch in Europa zeigt sich, dass Zölle allein kein Allheilmittel sind. Denn zur Geschichte gehört auch, dass Donald Trump im Januar 2018 nun generelle Einfuhrzölle gegen alle Solarmodule, egal aus welchem Land, verhängt – um zu verhindern, dass China sie umgeht.

Doch Ökokapitalisten produzieren nicht nur Solarmodule. Ein bedeutender Teil des Geschäfts ist es, daraus Kraftwerke zu bauen, sie in Häuser zu integrieren, intelligent zu vernetzen und dafür entsprechende Software und Elektronik zu bauen. Diesem Teil der Branche ist es komplett egal, woher die Module kommen. Hauptsache, sie sind billig.

Deutschland besetzt nur noch Nischen der Solarindustrie

Natürlich gibt es heute in Deutschland noch Solarunternehmen. Solarwatt etwa, die mithilfe der Millionen des BMW-Erben Stefan Quandt eine Produktion für Dachanlagen mit Batteriespeicher betreiben. Die Solar- und Batterizellen kommen aus Asien, die gesamte Elektronik und Software aus Deutschland. SMA, der einzige verbliebene Solarkonzern im TecDax, liefert Wechselrichter, eine wichtige Komponente von Solaranlagen. Q-Cells ist unter das Dach der südkoreanischen Hanwha geschlüpft, forscht und entwickelt immerhin noch mit vierhundert Mitarbeitern im sächsischen Thalheim, die Produktion von Solarmodulen ist hierzulande aber komplett eingestellt. »Das sind alles Nischen, in denen sich die Deutschen noch tummeln. Im Weltmaßstab spielt Deutschland keine Rolle mehr. Das ist eigentlich ein totaler Wahnsinn: Wir haben die solare Revolution bezahlt und haben heute null Aktien mehr«, sagt Klebensberger. Und das, glaubt er, bleibe auch so, wenn nicht die wesentliche Wertschöpfungskette in Europa gehalten werde.

Es gibt noch eine kleine Hoffnung, dass das klappt. Die US-Tochter von Solarworld hat sich das US-Solarunternehmen Sunpower geschnappt, das wiederum mehrheitlich ausgerechnet dem französischen Ölkonzern Total gehört. Möglicherweise findet sich also auch ein Käufer für die Solarworld-Werke im sächsischen Freiberg, in Arnstadt in Thüringen und in der Bonner Verwaltungszentrale mit insgesamt noch sechshundert Mitarbeitern. Laut Insolvenzverwalter gibt es Interessenten.

Es wäre aber ironisch, wenn es am Ende Konzerne wie Total wären, die Asbeck und andere Energiewende-Enthusiasten immer bekämpft haben. Vielleicht steigen ja Eon oder RWE ein. Theoretisch würde auch der französische Atomkonzern EDF passen, der über seine Tochter Photowatt gerade massiv in die Photovoltaik investiert.

Die europäische Photovoltaikproduktion reetablieren?

Deutsche Solarfabriken würde da durchaus ins Konzept passen, wenn die Bundesregierung eine Forderung erfüllen würde, die etwa ISE-Chef Bett erhebt: Derzeit schreibt die Bundesregierung eine bestimmte Menge an Solarenergie aus, die sie jährlich errichtet sehen will. Logisch wäre, dort nicht automatisch das billigste Gebot anzunehmen, sondern auch ökologische Aspekte zu berücksichtigen: PV-Module, bei deren Produktion weniger CO2 anfällt, erhielten dann einen Bonus. Damit hätten die chinesischen Hersteller ein echtes Problem – wegen des vielen schmutzigen Kohlestroms, mit dem sie ihre Module herstellen.

ISE-Chef Andreas Bett ist, wie schon sein Vorgänger Eicke Weber, oft in Berlin unterwegs und spricht mit Politikern darüber, dass auch noch die deutsche Spitzenforschung in der Solartechnik wegbrechen könnte, wenn keine Zellhersteller mehr da sind, die aus den Ideen Produkte machen.

»Meine Hoffnung ist, dass wir in Europa nochmal eine große Photovoltaikproduktion etablieren. Ich halte das gesellschaftspolitisch für absolut notwendig«, sagt Bett. Preislich sei das durchaus möglich, weil die Herstellung so automatisiert sei, dass billige Lohnkosten in Asien kaum Wettbewerbsvorteile bringen. Klebensberger sagt, es sind eher die niedrigen Rohstoffkosten und die niedrigen Umweltstandards, die asiatischen Herstellern Vorteile brächten.

Ökologische Aspekte müssen berücksichtigt werden

Bett denkt nicht nur daran, dass es doch sehr seltsam wäre, die europäische Abhängigkeit von Öl und Gas durch eine Abhängigkeit von Solarproduzenten aus Asien zu ersetzen. Sondern auch an die Öko-Probleme der Zukunft: »Die Photovoltaik muss dringend als Kreislaufwirtschaft gedacht werden. Wir müssen Module recyceln, nicht wegwerfen.« Um diese Kreislaufwirtschaft zu entwickeln, brauche es eine komplette solare Wertschöpfungskette in Europa – also auch Zell- und Modulhersteller.

Unterstützung in der Politik zeichnet sich bisher nicht ab. Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) sprach im April zwar davon, dass Europa bis zum Sommer dringend Fortschritte beim Aufbau einer eigenen Zellproduktion machen müsse. Er sprach aber von Batteriezellen, nicht von Solarzellen. Aber all das hängt zusammen: Solarstrom, Batterien, Elektroautos, das große Ringen um die sauberen Technologien des 21. Jahrhunderts. Was China getan hat, um die Solarbranche zu erobern, dieser knallharte Staatskapitalismus – diese Methode wendet das Land auch auf einem Feld an, das für das wirtschaftliche Wohlergehen Deutschlands systemrelevant ist: dem Auto der Zukunft.

Sollte der Traum von der zweiten Sonnen-Revolution in Europa doch noch Wirklichkeit werden – sie wird wohl ohne Frank Asbeck und vermutlich auch ohne den Namen Solarworld stattfinden. »Dass die Firma nicht überlebt, das wird Frank sicherlich schmerzen«, sagt Klebensberger. Sein alter Kumpel Finger erinnert sich, wie er irgendwann 2009 mit Asbeck auf einer Geburtstagsfeier in der Küche einer Kollegin ein Glas Wein trank. »Dann kam so ein Spruch von Frank: ›Ich werde keinen fallen lassen. Ich werde euch alle mitnehmen.‹« Sie glaubten ihm. Damals.