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Genossen machen die taz„Wir Fans sind mehr als Jubelmasse“

Olaf Forner ist Aktionär – bei Union Berlin. Den Wandel vom reinen Fan zum stimmberechtigtem Vereinsmitglied sieht der 46-Jährige als echte Alternative zum Konsumterror im Fußball.

Olaf Forner in der taz-Konferenz. BVB-Fan ist er jedenfalls nicht. Bild: Wolfgang Borrs

BERLIN taz | Es gibt eine Entwicklung im Fußball der letzten Jahre, die unsere Gesellschaft massiv verändert hat. Ich finde das, ehrlich gesagt, scheiße. Aber es ist nun mal so. Zuschauer in einem Fußballstadion zu sein, gilt heutzutage als schick. Haufenweise Pseudofans tummeln sich auf den Rängen. Früher knüpften Entscheider in Theatern oder sonstwo Kontakte.

Heute passiert das in Fußball-VIP-Logen und in den Businessbereichen der Stadien. Hier werden Geschäfte angebahnt und Deals vorbereitet. Diese Leute haben nicht wirklich Interesse an dem, worum es aus meiner Sicht eigentlich geht: um Fußball und Leidenschaft pur.

Zu einem Problem wird es, wenn die Businessfraktion maßgeblich darüber entscheidet, wie Fußball präsentiert wird und wie Fußball auszusehen hat, wenn es also fast nur noch teure Sitzplätze gibt, von Werbung zugekleisterte Spiele und finanzoptimierte Konzepte rund um den Verein.

Zum Glück geht Union diesen Weg nicht mit. Wir Fans haben das Stadion selbst renoviert. Wir haben Blut gespendet für Union. Und wir haben für den Bau unserer Haupttribüne einen Weg der Planung und Finanzierung gefunden, der uns Fans die Kontrolle belässt. Wir wollen nicht nur schmückendes Beiwerk sein und Jubelmasse, wir wollen mehr sein. Und seit Kurzem bin ich auch Union-Aktionär.

Nur Vereinsmitglieder können Aktionäre sein

500 Euro habe ich für eine Aktie hingelegt, kein Pappenstiel für mich. 3.500 Union-Fans haben insgesamt 5.473 Aktien erworben. Auch ein Verein wie Borussia Dortmund ist eine Aktiengesellschaft. Dort werden die Aktien an der Börse gehandelt. Bei uns können nur wir Vereinsmitglieder Aktionäre sein, und niemand hat mehr als zehn Stimmen in der Stadionbetriebsgesellschaft. Das heißt: Die Gesamtheit der Fans kann mitentscheiden.

Bild: Wolfgang Borrs
OLAF FORNER

diesmal von vorne: Der 46-jährige Berliner ist seit 2004 taz-Genosse. Hauptberuflich arbeitet er als Behindertenassistent. Abends bringt er als Handverkäufer die frische taz unters Volk.

Natürlich hat auch ein Verein wie Union Sponsoren, mittlerweile sogar einen Pool von 170 Geldgebern. Für alle lohnt es sich, ohne großes Marketinggehabe dabei zu sein. Denn es ist so, dass in der Fanszene wie in einer Familie sehr darauf geachtet wird, wer für einen ist und wer nicht. Das gilt auch für Sponsoren. Klar, geben auch wir Fans unser Geld, aber es geht doch darum, dass es uns nicht aus der Tasche gezogen wird. Bei uns im Stadion gibt’s deswegen preiswerte Bratwurst, billiges Bier.

Es gibt Fangesänge in allen Blöcken, keine Werbeberieselung und vor allem Fußballgenuss direkt am Spielfeldrand. Deshalb strömen immer mehr neue Zuschauer in unser Stadion, selbst aus England, Holland, Dänemark kommen sie, um das zu erleben, was bei Ihnen verloren ging: echten, authentischen Fußball.

Klar, man braucht Geld, um im Profifußball mitspielen zu können. Die Frage ist allerdings, wie man es bekommt. Als Fan eines Traditionsklubs ist man geneigt, gegenüber den Vereinen, die durch einen Mäzen gefördert werden, überheblich zu sein, sich abfällig zu äußern. Aber ich finde, jeder soll seinen eigenen Weg gehen. Union macht es natürlich besser mit der Mitgliederbeteiligung als ein Verein wie Hoffenheim.

Auf der Baustelle des Fanhauses

Als Aktionär werde ich vom Zuschauer zum stimmberechtigten Vereinsmitglied. Das ist praktische Teilhabe. Aber richtig glücklich werden wir Unioner sowieso erst wieder sein, wenn wir in einem Jahr auf der Baustelle unseres Fanhauses stehen und es selbst in die Höhe ziehen werden. Anpacken, mitmachen, mitgestalten – das ist unser Ding.

Das macht Union Berlin aus. So was suchen echte Fußballfans. Ging man vor 30 Jahren nur zum Fußball, um mal so richtig raus aus dem Alltag zu kommen und die Sau rauszulassen, so ist man heute eigentlich immer Fan, quasi ganztags. Wer ist denn noch im Taubenzüchterverein, bei den Rassekaninchen, sammelt Briefmarken oder baut an der Modelleisenbahn? Eben. Aber beim Fußball, da ist man die ganze Woche dabei. Man darf nur nicht Konsument in einer Maschinerie sind.

Wenn Entscheidungen in den Vereinen fallen, dann treffen sie meist deren Vereins-führungen und Marketingabteilungen. Der Fan bleibt außen vor. Nicht so bei Union. Es gab diesen Mythos des Gemeinsam-Berge-Versetzens bei Union ja schon immer. Aber es brauchte erst eine Vereinsführung, die spürte, wie man das so umsetzen kann, dass der Verein auch wirtschaftlich überleben kann.

Wer miterlebt hat, wie sich Menschen im gemeinsamen Tun in ihrer Sozial-kompetenz weiterentwickeln, der weiß, dass es auch im Fußball eine Alternative zum Konsumterror gibt! Das macht viel Arbeit und ist nur mit enormem Aufwand von Ehrenamtlichen möglich. Das machen wir aber alle gern, weil es uns als den etwas anderen Verein ausweist.

Dies ist ein Text aus der Sonderausgabe „Genossen-taz“, die am 14. April erscheint. Die komplette Ausgabe bekommen Sie am Samstag an Ihrem Kiosk oder am eKiosk auf taz.de.

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4 Kommentare

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  • RO
    rene olschowski

    olaf.habe deinen beitrag gelesen und vor freude so geweinnt.wie war!!!!!

  • TA
    Torsten Adam

    Sehr geehrte taz Mitarbeiter,

    gerade habe ich das Interview "Einer der über uns berichtet" mit Olaf Forner gelesen. Dort steht in einer sehr offensiven Frage (Feststellung)der taz zu D.Zingler "Er hat etwa Sitze aus der Tribüne reißen lassen, weil ihre Farbe dem Weinrot vom BFC ähnelte". Das klingt reißerisch und ist auch so nicht richtig. Richtig ist, dass während der Bauphase eine Palette Sitze in dieser Farbe geliefert wurde, dann reklamiert, da nicht mit der bestellten Farbe übereinstimmend und nie montiert wurde. Auf der Youtubeseite http://www.youtube.com/watch?v=dRZnXRP2XMQ

    können Sie sich die Ankunft der farblich richtigen Sitze gerne anschauen. Im übrigen stimme ich Olaf Forner in allem zu und finde auch den Artikel „Wir Fans sind mehr als Jubelmasse“ sehr angemessen. Ihnen weiterhin alles Gute

    Mit freundlichen Grüßen

    Torsten Adam

  • R
    Robert

    Da war in der DDR mal einer, der hat womöglich aus eigenem Antrieb heraus gemeint, eine Verkehrsampel könnte noch eine lustige, figurale Zusatzinformation vertragen. Also hat er eine solche erfunden. Und sicher ein "paar" Mark dafür bekommen. Und fertig. Die Menschen haben sich gefreut und sind wie vorher auch immer mal wieder auch bei Rot über die Straße.

     

    Dann kam der Westen. Und ein anderer hatte die "Idee", dieses Ampelmännchen zu vermarkten. Weiter nichts. Möglichst viel Geld machen. Es ist ihm auch gelungen.

     

    Und so haben sich auch auf den Fußball (und alle Sportarten) Menschen draufgesetzt, deren "Ideen" darin bestehen, möglichst viel Geld zu machen.

     

    Ich finde es ja gut, wenn Fans, beim Stadionbau mithelfen usw. Aber den Spagat zwischen richtigem Fußballgeknödel mit Liebe und Herz und dem Vermarktungswahn des Marktes werden auch die Unionfans nicht hinbekommen. Das Erwachen wird sehr schmerzhaft werden.

    (Ich habe übrigens die alten Eisbären noch in diesem Wellblechstadion erlebt.)

     

    Geld (Gier) regiert die Welt. Es ist eigentlich nur noch die Frage, wer das Geld regiert?

  • CB
    Caroline Brunnen

    Trotzdem.

    Seit dieser Meldung (s.u.) ist Union der unsympathischste Verein der Republik für mich.

     

    Ist ja schön, wie Union-Fans sich um ihren Verein kümmern.

    Doch das diese eigentümliche Besessenheit führt offenbar auch zu einem anderen Alleinstellungsmerkmal, durch das Union sich von anderen Verein abhebt.

     

    Meines Wissens sind Union-Fans bislang die einzigen, die nicht davor zurückschrecken, auch hochbetagte Fans des gastgebenden Vereins zu verprügeln.

     

    http://tinyurl.com/cmgu2v9

     

    Pfui.