Fußball-Bundesliga: Hamburg schminkt sich Europa ab
Nach einem bescheidenen 0:2 gegen Eintracht Frankfurt will der Hamburger SV plötzlich nie und nimmer auf das internationale Geschäft spekuliert haben - dabei hätte er es doch so dringend nötig.
HAMBURG taz | Auf den Schlusspfiff folgt für Thorsten Fink ein bekanntes Spiel: Fragen prasseln auf den Trainer des Hamburger SV ein. Erst in der Interview-Zone im Inneren der Arena, danach im Fernsehstudio eines Pay-TV-Senders, dann in der Pressekonferenz und, am Ende, in einer kleineren Runde mit Journalisten. Etliche Fragen also waren gestellt, vieles gesagt zum ernüchternden 0:2 gegen Aufsteiger Eintracht Frankfurt, da setzte Fink kurz vor dem Gang in den VIP-Raum noch einmal an. Besonders wichtig schien dem 45-Jährigen eines: „Wir haben“, sagte Fink, „nie von Europa geredet.“
Anders als bei den Briten gibt es beim HSV nun aber eigentlich keine über Jahre gewachsene Europa-Skepsis. Das Bekenntnis resultiert vielmehr aus einer nicht bestandenen Bewährungsprobe, aus einem Elchtest auf einem zerklüfteten Rasen – in dem die Hamburger aus der Bahn geworfen wurden. Der erstaunlich hohen Kunst der Frankfurter, den Ball ansehnlich und sicher zirkulieren zu lassen, hatten die HSV-Spieler außer halbgaren Ansätzen nur wenig entgegenzusetzen. Entschieden war diese Bundesliga-Partie, genau genommen, schon nach 36 Minuten – nach dem zweiten Treffer von Srdjan Lakic. Der neue Angreifer der Eintracht hatte nach 22 Minuten bereits das 0:1 erzielt.
An einem Abend, an dem die Hamburger eigentlich einen Schritt in Richtung Europa hatten vollziehen wollen, entfernten sie sich gefühlt ein großes Stück vom Erreichen eines Platzes, der zur Teilnahme an der Europa League berechtigt. Dank der Patzer der Konkurrenten am Sonnabendnachmittag wäre der HSV wenige Stunden später mit einem Sieg gegen Frankfurt auf den fünften Rang vorgerückt. So aber bleibt er mit seinen 28 Punkten und dem neunten Tabellenplatz dem Mittelmaß treu.
Der HSV ist nur eine regionale Größe, eine norddeutsche Nummer eins auf niedrigem Niveau – weil Hannover 96, Werder Bremen und der VfL Wolfsburg in der Tabelle noch etwas schlechter dastehen. Zuletzt hatten vier Heimsiege hintereinander – darunter das 3:2 gegen Werder Bremen – vielen Fans Hoffnung gemacht, dass es in der nächsten Saison gegen englische, spanische oder italienische Klubs gehen könnte.
Fink warb beflissen um Nachsicht: „Wir müssen noch viel arbeiten und auf dem Boden bleiben. Europa ist in dieser Saison nicht das Thema, vielleicht im nächsten Jahr“, sagt er. „Das käme im Moment alles zu früh für die Mannschaft.“ Für den HSV wäre das Erreichen des Europapokals immens wichtig. Schließlich hat der Verein im Geschäftsjahr 2011/12 ein Minus von 6,6 Millionen Euro erwirtschaftet. Schon im Vorjahr hatte der HSV einen Verlust von fast fünf Millionen Euro zu verzeichnen.
Unter dem Strich ist die Mannschaft viel zu teuer. Die Gehälter der Profis und die Leistungen in den vergangenen Jahren stehen in einem Missverhältnis. Im Kader finden sich zu viele Ladenhüter, die auch während der Winterpause nicht transferiert werden konnten. Mit einer Ausnahme: Den österreichischen Innenverteidiger Paul Scharner leiht man bis zum Ende der Saison an den englischen Premier-League-Klub Wigan Athletic aus. Dadurch spart der HSV knapp 500.000 Euro an Gehaltszahlungen – Tropfen auf den heißen Stein.
Die Niederlage gegen Frankfurt mindert nun die Hoffnungen auf das Erschließen der Einnahmequelle „Europa League“. Eine Teilschuld erkannte HSV-Linksverteidiger Marcell Jansen ausgerechnet beim Rasen der Hamburger Arena: „Der Platz ist eine Vollkatastrophe. Ich weiß auch nicht, warum das so ist. Der Rasen ist schlechter als der in München, obwohl die Bayern und 1860 darauf spielen“, zürnte Jansen. HSV-Torhüter Rene Adler sah’s anders: „Der Rasen kann keine Entschuldigung für die Leistung sein.“ Zumindest Adler ist die Rückkehr in den internationalen Fußball gelungen: Er hütet am Mittwoch im Testspiel der DFB-Auswahl gegen Frankreich in Paris das deutsche Tor.
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