Fresenius beschränkt Propofol-Verkauf: „Todescocktails“ werden knapp
In den USA soll ein weit verbreitetes Narkotikum für Hinrichtungen eingesetzt werden. Der deutsche Hersteller Fresenius Kabi will das verhindern.
BERLIN/BRÜSSEL taz | Der deutsche Pharmahersteller Fresenius Kabi beschränkt mit sofortiger Wirkung den Vertrieb seines Narkosemittels Propofol in den Vereinigten Staaten. Das erklärte der Sprecher des Unternehmens, Joachim Weith, am Dienstag gegenüber der taz.
Der Konzern mit Sitz in Bad Homburg reagiert damit auf die Ankündigung des US-Bundesstaates Missouri, das Medikament künftig für Hinrichtungen einsetzen zu wollen (sonntaz vom 1./2. September 2012). Die Zahl der Großhändler, die Propofol künftig noch in den USA im Auftrag von Fresenius Kabi an Krankenhäuser, Apotheken und Ärzte weiter verkaufen dürfen, werde von derzeit etwa 30 Händlern auf elf bis 15 reduziert, sagte Weith: „Je weniger Beteiligte es gibt, desto besser ist der Vertrieb zu steuern.“
Die Großhändler müssten zudem eine schriftliche Erklärung gegenüber Fresenius Kabi abgeben, wonach sie sich verpflichten, „nicht an Gefängnisse, nicht an Strafvollzugsbehörden und nicht an Gefängniskrankenhäuser zu liefern“. Jede Bestellung müsse auf die Einhaltung dieser Vorschriften geprüft werden. Die neue Regelung, so Weith, sei „strafbewehrt“. „Verstößt ein Händler gegen den Vertrag, verliert er umgehend das Recht, Propofol zu vertreiben.“
Auf diese Weise wolle das Unternehmen einen Beitrag dazu leisten, „dass sicher gestellt wird, dass Propofol – jedenfalls auf legalem Weg – nicht in Gefängnisse gelangt“. Die Nutzung des Medikaments für Todesspritzen in amerikanischen Gefängnissen widerspreche dem Auftrag des Unternehmens, Leben zu schützen, heißt es in dem Brief, den Fresenius Kabi vor wenigen Tagen an seine US-Kunden schickte und der der taz vorliegt.
Schnelle Reaktion des Pharmakonzerns
Der Entscheidung voran gegangen waren wochenlange Verhandlungen vor allem mit der Menschenrechtsaktivistin Maya Foa von der britischen Nichtregierungsorganisation Reprieve. Foa hatte sich dafür eingesetzt, den Export des Arzneimittels in die USA besser zu überwachen, um den Missbrauch für Todesspritzen zu verhindern. „Fresenius Kabi hat sehr schnell reagiert. Sie wollten unbedingt verhindern, dass sie mit Hinrichtungen in Verbindung gebracht werden. Ich bin sehr froh“, sagte Foa der taz.
Ein absoluter Verkaufsstopp war nicht realistisch, weil Propofol in den USA rund 50 Millionen Mal im Jahr in 15.000 Kliniken und Praxen und vor allem für Vollnarkosen verwendet wird. Patienten, deren Leben oft vom schnellen Einsatz des Medikaments abhängt, müsse das Mittel auch in Zukunft zur Verfügung stehen, hatte Fresenius Kabi immer wieder betont. Derzeit hält das Unternehmen das Monopol für die US-weite Versorgung mit Propofol.
Maya Foa ist überzeugt, dass die Entscheidung von Fresenius Kabi Hinrichtungen in den USA weiter verzögern, vielleicht sogar verhindern wird: „Mehrere Staaten erwägen zurzeit, auf Propofol umzusteigen. Sie werden das jetzt nicht tun. Ihnen fehlt das Gift.“ Tatsächlich werden die Zutaten für die Todescocktails immer knapper. Bereits Ende vergangenen Jahres verhängte die Europäische Union eine Exportkontrolle für die bisher am häufigsten verwendeten Mittel Pentobarbital und Sodium Thiopental.
Propofol – eine „kluge Wahl“
Der US-Bundesstaat Missouri hatte daraufhin erwogen, auf Propofol umzusteigen - aus Sicht der Strafvollzugsbehörden schien dies eine kluge Wahl: Propofol ist, anders als etwa Pentobarbital oder Sodium Thiopental, kein Nischenprodukt. Damit ist ein etwaiger Missbrauch schwieriger zu überwachen. Fresenius Kabi ist bereits das zweite Unternehmen, das sich mit der Hilfe von Reprieve zu einer eigenen Kontrolle des Verkaufs verpflichtet.
Der dänische Konzern Lundbeck, der Thiopental in die USA liefert, hatte seinen Vertrieb im vergangenen Jahr ebenfalls umgestellt und damit den Engpass in den Todeszellen verschärft. Der Fresenius Kabi-Sprecher Weith sagte, es sei auch nicht zulässig, dass die Behörden aus Missouri sich das Propofol jetzt einfach über andere Distributoren besorgten, etwa aus Frankreich oder China: Eine solche Einfuhr habe die US-Arzneimittelaufsichtsbehörde FDA untersagt.
„Es ist ein wichtiges Signal der Pharmaunternehmen, dass ihre Medikamente nur verwendet werden sollen, um Leben zu retten, nicht um Leben zu vernichten“, sagt Foa.
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