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Frauenrechtlerinnen gegen Anrede"Mademoiselle" wird boykottiert

Plötzlich begehren Frauenrechtlerinnen in Frankreich mit einer Kampagne gegen die Anrede "Mademoiselle", also "Fräulein" auf. Männer würden ja schließlich auch nicht "Herrlein" genannt.

"Fräulein" als Zeichen von Jugend? Und dann? Bild: hui-buh / photocase.com

PARIS afp | Bei der Eröffnung eines Bankkontos lautet die erste Frage an Frauen in Frankreich: "Sind Sie verheiratet?". Falls die Kundin verneint, wird sie automatisch als "Mademoiselle" eingestuft, also als "Fräulein". Dabei ist es ganz egal, wie alt die Frau ist, ob sie schon einmal verheiratet war oder Kinder hat. Doch seit Dienstag begehren Frauenrechtlerinnen mit einer Kampagne gegen die Anrede "Mademoiselle" auf. "Das scheint vielleicht nur ein kleines Detail zu sein, aber es ist sehr symbolisch für die Ungleichheit der Geschlechter", kritisiert Julie Muret von der Organisation Osez le féminisme (Wagt den Feminismus).

Muret ruft die Frauen dazu auf, die Anrede "Mademoiselle" zu boykottieren - sie beispielsweise im Internet oder auf Formularen einfach durchzustreichen oder nicht mehr anzukreuzen. Die Anrede zwinge Frauen dazu, Auskunft über ihre persönliche und familiäre Situation zu geben. Männern, die ja auch nicht "Mondamoiseau" (Herrlein) hießen, bleibe so etwas erspart, sagt Muret.

Ihre Geschlechtsgenossinnen hätten zwar wichtigere Probleme zu bewältigen wie Lohnunterschiede und Gewalt, gibt die Schriftstellerin Brigitte Grésy zu bedenken. Aber: "Die Sprache gibt die Realität wieder". Die französischen Frauenrechtlerinnen zitieren gerne das Beispiel von Deutschland, wo das "Fräulein" bereits vor 40 Jahren von den Behörden abgeschafft wurde.

Auch in Frankreich betonte der damalige Justizminister René Pleven 1972, dass es keine offizielle Regelung gebe, die die Angabe "Mademoiselle" vorschreibe. Und doch forderte eine Behörde von einer Frau erst vor vier Jahren 145 Euro, um ihre Fahrzeugpapiere von "Mademoiselle" in "Madame" umzuschreiben - der Fall endete vor der Anti-Diskriminierungsbehörde Halde. "Indirekt sagt man damit, dass wir noch unfertig sind, wenn wir nicht verheiratet sind", kritisiert Laurence Waki, die Autorin des Buches "Madame ou mademoiselle". "Ich verstehe nicht, warum man diese Unterscheidung macht, die überhaupt keinen Sinn mehr ergibt", bemerkt auch Grésy.

Frauenrechtlerinnen werden in Frankreich mehr gehört, seit der frühere IWF-Chef Dominique Strauss-Kahn sich wegen Vergewaltigungsvorwürfen verantworten muss. Es gibt allerdings auch junge Frauen, die auf der Anrede "Mademoiselle" beharren. "Ich finde es sehr schön, Mademoiselle genannt zu werden", schreibt die 26-jährige Alexandra im sozialen Netzwerk Facebook zu der Debatte. "Es ist durchaus nicht herabwürdigend, so angeredet zu werden, ich finde im Gegenteil, dass es ein Zeichen von Jugend ist". Es ist allerdings fraglich, ob ihr dieses Zeichen in einigen Jahren noch willkommen sein wird.

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9 Kommentare

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  • E
    ELO

    Also rein von der Sprache heißt es im Französischen Madame/Monsieur, im Englischen Madam/Mister, im Spanischen Seniora / Senior, nur im Deutschen Frau (veralt. auch Fräulein)/Herr. Dies ist ein Ärgernis und eine Herabwürdigung der Damen, denn es müsste eigentlich Dame/Herr oder Frau/Mann lauten. Man sieht hier ist noch Potential.

    Da Alles, also wirklich Alles, auf dieser Welt nur eine Übergangslösung ist.

    In der Zukunft werden wir vielleicht nur noch Esperanto sprechen ca. 500.000 sprechen es schon. Dann wird es Sinjorino/Sinjor heißen, ist doch auch ganz schön, aber vor allem gerecht für alle. :-)

  • M
    Michael

    Also rein von der Sprache her ist die entsprechung zu Frau - Herr, und zu Mann - Weib. Dt. Eigenheit dass aus dem althochdeutschen frouwe, Frau wurde, was eigentlich eine höherstehende meint, also eher eine Ansprache von einem Bediensteten zu seiner Herrin.... was natürlich wieder Schlüsse zuläßt :)

  • PB
    Peter Bitterli

    Neeein!! Jetzt fangen die Französinnen auch noch mit dem Scheiss an, von dem man dachte, er sei ein typisch ideologisch verblendetes, humor- und freudenloses, also deutsches Phänomen. Europäische Realitäten 2011: Aus jedem Furz einen Fackelzug machen.

    Und "DAWA", nein: Als Anrede ist das Pendant zum Fräulein das Herrlein. Oder sagen Sie "Guten Tag Mann Müller"?

  • D
    Dawa

    Das Pendant zu Fräulein ist nicht "Herrlein", sondern MÄNNLEIN.

    Frau - Mann

    Fräulein - Männlein

  • G
    Goldstück

    Ist das Weib ledig hiess es früher im deutschsprachigen Raum "Fräulein". Ist sie verheiratet "Frau" und ist sie geschieden auch "Frau"

    Ich empfinde es als angenehm wenn der Zivilstand keine Rolle spielt. weiblich: Frau; männlich: Herr.

    Lediglich wenn die Identität zweifelhaft ist, kann der/die Betroffene ja selbst bestimmen wie er/sie angesprochen werden möchte.

  • K
    Kampf

    Endlich wachen die Französinnen auf!

  • JM
    junger man

    Als Mann wird man von Personen mit einem Alter von 20 Jahren+x abschätzig immer mal wieder als "junger Mann" angesprochen. Ich habs als Kind gehasst, habe es als Teen gehasst und habe es gehasst bis die Falten endlich blieben und diese blöde Anblafferei.

     

    Daher kann ich Frauen durchaus verstehen, wenn sie dagegen anlaufen.

  • N
    Nicolai

    @broxx

     

    so ist es. Die meisten finden das sogar eher angenehm. Schauspielerinnen z.B. werden immer "Mademoiselle" genannt, also z.B. Mlle Deneuve und nicht Mme Deneuve ...

  • B
    broxx

    LOL, bloß weil so´n paar "Frauenrechtlerinnen" spinnen...

    Tatsache ist das dieser Vorstoß nur von wenigen französischen Frauen mitgetragen wird.

    Im Artikel klingt es aber so als würde da ne Welle durch Frankreich gehen, dem ist nicht so!