Frauenfußball-Bundesliga: Der Alltag hat sie wieder
Turbine Potsdam beginnt die Titelverteidigung mit einem 4:0-Sieg gegen den HSV. Die Bundesliga scheint so unausgeglichen wie schon vor der spannenden WM.
POTSDAM taz | Wie viel von der unerwartet breiten Begeisterung, die im Verlaufe der Weltmeisterschaft selbst optimistische Annahmen übertraf, würde sich in der Bundesliga wiederfinden lassen? Das war die zentrale Frage am Sonntag, die über allen anderen Fragen stand, die einen jeden Neubeginn begleiten. Als besonders guter Gradmesser dafür schien die Partie zwischen Turbine Potsdam und dem Hamburger SV zu taugen. Denn die Vorsaison begann mit derselben Paarung.
Eine deutliche Steigerung der Zuschauerzahl konnte schon einmal verbucht werden. Im Karl-Liebknecht-Stadion sahen 2.790 Zuschauer den klaren 4:0-Erfolg des Heimteams. Im Vorjahr versammelten sich beim 4:1-Sieg von Turbine nur 1.700 Besucher auf den Tribünen.
Eine Trommel, eine Kuhglocke und ein paar heisere Männerkehlen sorgten für ein wenig Stimmung. Mit der Atmosphäre von vor acht Wochen, als vor 74.000 Zuschauern im etwa 30 Kilometer entfernten Olympiastadion in Berlin das Eröffnungsspiel der Weltmeisterschaft ausgetragen wurde, hatte die Atmosphäre erwartungsgemäß nichts zu tun. Das einseitige Spiel, bei dem die Leistung beider Teams weit auseinanderklaffte, ebenso wenig. An die WM erinnerten lediglich die Blumensträuße, die den am Turnier beteiligten Turbine-Spielerinnen überreicht wurden, sowie Ehrengast Steffi Jones, die Präsidentin des WM-Organisationskomitees.
Schon in der achten Minute demonstrierten die Potsdamer Neuzugänge, wie Turbine-Trainer Bernd Schröder sich das neue Spiel seines Teams vermutlich am Reißbrett vorgestellt hat: Ein schöner Pass von Spielmacherin Patricia Hanebeck in den Strafraum, eine überlegte Rückgabe von Yuki Nagasato per Kopf, ein präziser Schuss von Genoveva Anonma, und der amtierende deutsche Meister ging mit seiner ersten gelungenen Kombination in Führung.
Zwölf Minuten später sorgte Nagasato mit ihrem Treffer zum 2:0 frühzeitig für das erste Ruhepolster. Die Hamburgerinnen hatten nichts entgegenzusetzen, auch weil sie mit ihrer Fünferkette in der Abwehr den Postdamerinnen das Kombinieren im Mittelfeld leicht machten. Die Spannung war bereits zu diesem Zeitpunkt aus der Partie gewichen. Und das, obwohl der Meister gegen den Vierten des Vorjahres spielte. Ein altbekanntes Problem: Der Bundesliga-Alltag ist eingekehrt, die engen, spannenden WM-Vergleiche gehören der Vergangenheit an.
Turbine wird Großimporteur
Mögliche Zweifel beim Potsdamer Anhang, ob der Abgang der Ausnahmespielerin Fatmire Bajramaj das eigene Team verunsichern könnte, waren schnell verflogen. Bislang ersetzte Schröder prominente Abgänge meist durch eigene Nachwuchsleute. Aber da sich dieses Mal so gar niemand aus den eigenen Reihen aufdrängte, wurde Turbine plötzlich zum Großimporteur von Nationalspielerinnen aus Schweden, Äquatorialguinea und den Niederlanden. Antonia Göransson, Anonma und Chantal de Ridder sind ebenso neu in Potsdam wie die einstige deutsche Juniorennationalspielerin Patricia Hanebeck. In der Startelf fehlten allerdings Göransson (krankheitsbedingt) und de Ridder (auf Länderspielreise).
Dass Potsdam diese Ausfälle ebenso problemlos wie den der Torhüterin Anna Felicitas Sarholz verkraften konnte - sie brach sich bei einem Fahrradsturz die Hand -, deuten auf einen Fortbestand des Zweiklassengesellschaft in der Frauenbundesliga hin. Ersatztorhüterin Ann-Katrin Berger war bei ihrem Debüt nahezu beschäftigungslos. Die Potsdamer Offensive spielte dagegen ein ums andere Mal die Gästeabwehr auseinander. Sowohl Nagasato (53.) als auch Anonma (63.) erzielte in der zweiten Hälfte jeweils ihren zweiten Treffer. Dieses Mal in umgekehrter Reihenfolge. Hinzu kamen etliche Chancen, das Ergebnis zu erhöhen.
Das Geschehen auf dem Rasen glich längst einem lockeren Trainingsspielchen. Nun wurde der Unterschied zwischen beiden Teams aufgrund der immer offensichtlicher werdenden konditionellen Mängel der Hamburgerinnen noch deutlicher. Die Potsdamerinnen gingen recht fahrlässig mit ihren Möglichkeiten um. Steffi Jones, die beim DFB künftig hauptamtlich den Frauenfußball vorantreiben soll, wird an diesem Nachmittag bewusst geworden sein, wie viel Arbeit vor ihr liegt. Von einer Wettbewerbsdichte kann man in dieser Liga nicht sprechen.
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