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Fadwa Barghuti und der Kampf um ihren MannNiemals die Hoffnung aufgeben

Marwan Barghuti, einer der populärste palästinensische Politiker, sitzt trotz des Austausches weiter in israelischer Haft. Seine Frau Fadwa kämpft seit zehn Jahren für seine Freilassung.

Hofft auf seine Freilassung: Fadwa Barghuti vor einem Portrait ihres inhaftierten Mannes bei einer Pressekonferenz im Jahr 2004. Bild: dpa

Alle zwei Wochen darf Fadwa Barghuti ihren Mann Marwan sehen, für jeweils 45 Minuten. Sie sitzen sich dann gegenüber, getrennt durch eine Scheibe aus Sicherheitsglas und sprechen miteinander – per Telefon.

Marwan Barghuti ist einer der populärsten palästinensischen Politiker, er sitzt seit knapp zehn Jahren in Israel im Gefängnis, wegen Mordes an israelischen Zivilisten verurteilt zu fünfmal lebenslänglich und vierzig Jahren Haft. Insgesamt wohl 400 Jahre.

Im sonntaz-Gespräch erzählt Fadwa Barghuti, die als Rechtsanwältin in Ramallah für die Freilassung ihres Mannes kämpft, vom Leben an der Seite des Mannes, der für viele Palästinenser Heldenstatus hat. Ihm trauen sie vieles zu, wenn er denn frei käme.

Marwan Barghuti ist glaubwürdig, er gilt als Versöhner und entschiedener Anhänger einer Zweistaatenlösung, er könnte den Bruch zwischen der Fatah, für die er ins palästinensische Parlament gewählt wurde, und der islamistischen Hamas kitten, der israelische Friedensaktivist Uri Avnery hat ihn „Palästinas Mandela“ genannt.

Der Herbst brachte für Fadwa Barghutis Bemühungen, ihren Mann frei zu bekommen, einen Rückschlag: Bei dem zwischen Israel und Hamas ausgehandelten Gefangenenaustausch für den israelischen Soldaten Gilad Schalit wurde er nicht berücksichtigt.

Fadwa Barghuti begründet das damit, dass der Fall ihres Mannes politisch sei: „Solange sich keine politische Lösung abzeichnet, hat er keine Chance, entlassen zu werden.“ Er sei nun einmal kein einfacher Häftling, sondern werde vom palästinensischen Volk als Hoffnungsfigur wahrgenommen, der heute so populär sei wie nie zuvor.

Fadwa Barghuti lernte ihren Mann kennen, da war sie noch ein Kind. Beide stammen aus dem selben Dorf im Westjordanland, sie sind weitläufig miteinander verwandt. Als sie 14 war, kam er zum erste Mal in Haft. Für drei Jahre. Ein Jahr vor seiner Entlassung schrieb er ihr, sie solle sich nicht mit einem anderen Mann verloben. Auf die Hochzeit mussten sie dann beide noch über ein Jahr warten: "Weil er jedes Mal, wenn wir einen Termin dafür hatten, verhaftet oder zum Verhör abgeholt wurde".

Bild: taz

Das ganze sonntaz-Gespräch mit der Rechtsanwältin Fadwa Barghuti lesen Sie in der aktuellen sonntaz. Am Kiosk, eKiosk oder per Wochenendabo direkt im Briefkasten.

Von ihrer Anwaltskanzlei in der palästinensischen Stadt Ramallah ­ mit Blick auf den Amtssitz des palästinensischen Präsidenten und das Grabmal des legendären PLO-Chefs Jassir Arafat ­ organisiert Fadwa Barghuti die Kampagne für die Freilassung ihres Mannes und aller palästinensischen Häftlinge.

Für sie ist die Freilassung ihres Mannes eine Bedingung für Frieden im Nahostkonflikt: "Es wird keinen Frieden geben, solange ein Teil der demokratisch gewählten Führung hinter Gittern sitzt." Ohnehin aber glaubt sie, dass mit der derzeitigen israelischen Regierung Frieden "hundertprozentig unmöglich" sei. Die Regierung von Premierminister Benjamin Netanjahu sei "eine Regierung der Besatzung und des Siedlungsbaus, nicht des Friedens".

Im sonntaz-Gespräch beschreibt Fadwa Barghuti, warum sie dennoch die Hoffnung auf Frieden nicht aufgeben will, warum sie glaubt, dass ihr Mann eines Tages frei kommt und wie schwierig es vor allem für ihre Kinder sei, den Vater nicht sehen zu können.

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8 Kommentare

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  • RD
    Rainer David W. Früh

    Tja, Frau Knaul, bei aller Verzwicktheit und Komplexität des sog. Nahostkonfliktes gibt es doch einige Vorgänge von geradezu unerhörter Einfachheit, weil sie (fast) überall ihre Allgemeingültigkeit haben: Und zwar völlig wurscht, ob in Ramallah, Wanne-Eickel, Tel Aviv oder Timbuktu: Kein Mord, kein Lebenslänglich. Und da kann er doch eigentlich noch ganz froh sein, dass er nicht nach den eigenen Gesetzen der Humanisten der Autonomiebehörde (ganz zu schweigen von denen der Hamas) verurteilt wurde, denn da wäre er schon lange vermodert!

  • AZ
    Anmerkung zum Interview

    Unter dem gedruckten Interview in der taz vom Sonntag steht, dass die Autorin sich (nicht nur aufgrund ihrer freundschaftlichen Beziehungen zur Familie Barghouti) gewünscht hätte, Marwan Barghouti wäre unter den von der Hamas freigepressten Terroristen gewesen. Wie nett.

     

    Das ist Gesinnungsstriptease, Frau Knaul. Hamasaktivisten und Hetzer-Foristen wie end_the_occupation mögen Sie für zu gemässigt halten. Ich sehe die einzig verbliebene Steigerungsmöglichkeit bei Ihnen eigentlich nur noch in der offenen Aufforderung zum Mord an Israelis ('Endlösung der Judenfrage' darf man in unserer "Demokratie" ja nicht mehr dazu sagen. Dann kommen gleich wieder die üblichen Verdächtigen mit der 'Sie-wissen-schon-Keule'). Aber lassen Sie sich nicht beirren in Ihrer objektiven Berichterstattung über die edlen Wilden und den bösen Jud'. Man wird doch wohl noch kritisieren dürfen, wa? Das Verständnis Ihrer Leser wird Ihnen gewiss sein.

  • E
    end.the.occupation

    >> dass dieser netter herr kein politiker wie netanjahu

     

    Stimmt. Barghouti befehligt keinen Staat, der das Leben tausender Palästinenser auf dem Gewissen hat und Millionen Palästinenser zu einem Leben in Armut und Verzweiflung zwingt.

    Und wenn Knaul für die Freilassung Barghoutis spricht - und implizit für die Zweistaatenlösung - dann weiss man auch schon, wem das nutzen würde bzw. soll.

     

    Netanjahu betreffend gelten die bekannt gewordenen Feststellungen Sarkozys, Obamas und Merkels: Der Mann ist ein pathologischer Lügner. Verhandlungen sind völlig zwecklos.

  • TJ
    Tom Jones

    @Vanja

    Eine Staat für alle wird es nicht geben, weil das faktisch die Vernichtung Israels als jüdischer Schutzstaat bedeuten würde. Israel existiert nur aus dem Grund, einen Staat zu haben, in dem Juden die Mehrheit bilden, um sie vor Vefolgung zu schützen.

  • V
    Vanja

    Tatsächlich haben vor Jahren noch viele Menschen in den von Israel besetzen Gebieten Palästinas von Marwan Barghouti als wesentliche Figur einer möglichen Zweistaatenlösung geträumt. Die Entwicklung der letzten Jahre hat jedoch eine solche Lösung immer illusorischer gemacht. Da ein Konstrukt Israel plus palästinensische Bantustans den Konflikt nicht lösen wird, bleibt nur noch ein Staat für alle, die in Palästina in Frieden leben wollen.

  • M
    mehrdad

    naja, frau knaul könnte auch ohne weiteres für al manar oder irgendeinen hamas sender schreiben.:(

     

    dass dieser netter herr kein politiker wie netanjahu oder merkel ist, wird hier unterschlagen. der typ hat anschläge auf jüdische zivilisten befehligt und wurde durch die israelische justiz verurteilt, die 1000x unabhängiger ist (siehe kazev), als die deutsche.

  • F
    Flo

    Dieser Artikel ist so subjektiv, regelrecht dreist.

  • TJ
    Tom Jones

    Warum wird hier denn unterschlagen, dass der nette Herr nicht einfach nur Politiker, sondern auch militärischer Führer der Fatah-Tanzim war? Passt wohl nicht ins Bild des friedliebenden Mannes.

     

    Alle regen sich auf, dass die Gefangenen in Guantanamo von Militärtribunalen verurteilt werden, aber wenn die Israelis aus Rücksicht den Fall vor ein ziviles Gericht bringen, ist das auch falsch. Da drängt sich irgendwie die Vermutung auf, dass es egal ist, was sie machen. Falsch ist es sowieso.