Ex-Finanzminister Eichel über ÖPP: „Das wird alles teurer werden“
Der ehemalige SPD-Finanzminister kritisiert Öffentlich-Private Partnerschaften (ÖPP) als Verschwendung von Steuergeldern.
taz: Herr Eichel, Sigmar Gabriel möchte Versicherungskonzerne bei der Finanzierung der Infrastruktur beteiligen. Würden Sie das als eine Form von Öffentlich-Privater Partnerschaft bezeichnen?
Hans Eichel: Ja sicher. Aber ist das sinnvoll? Denn wir lösen dann die Probleme der Lebensversicherungsgesellschaften über die Finanzierung der Infrastruktur. Wenn wir die Infrastruktur direkt finanzierten, wäre das wesentlich günstiger, denn der Bundesfinanzminister bekommt zur Zeit für 0,8 Prozent oder weniger eine 10-jährige Anleihe. Der Staat kann sich Geld viel billiger leihen.
Außerdem wollen die Konzerne sicher nicht zum Wohle der Allgemeinheit bei der Infrastruktur einsteigen.
Das wird man bei den Verhandlungen dann ja sehen: Unter vier Prozent Rendite werden die nicht verlangen, eher mehr. Und um das wird das dann alles teurer.
73, war von 1999 bis 2005 Bundesfinanzminister. Er ist Mitglied der SPD und Sprecher des Arbeitskreises Nachhaltige Strukturpolitik der Friedrich-Ebert-Stiftung. Seine Expertenkommission schlägt eine Neuordnung des Länderfinanzausgleichs vor, wonach der Bund zukünftig den Städten und Gemeinden die durch Bundesgesetze entstandenen Sozialkosten abnehmen soll.
Ist eine Finanzierung mit privater Beteiligung immer teurer?
Ja, logischerweise. Weil schon die Kapitalkosten für die Privaten teurer sind. Außerdem wollen Private natürlich Gewinne machen. Der Bundesrechnungshof hat das ja im Einzelnen vorgerechnet, und er hat recht damit.
Sigmar Gabriel sagte vor Einberufung seiner Expertenkommission, er möchte, dass man wegkommt von den Öffentlich-Privaten Partnerschaften. Sie sagen jetzt, was da rauskommt ist ja doch eine ÖPP?
Ja. Es gibt ja keine wirklich anderen Modelle. Ich verstehe die Motivation von Sigmar Gabriel schon gut, denn wir haben eine Investitionsschwäche, insbesondere im öffentlichen Bereich ist das sichtbar.
Was könnte da anstatt ÖPP helfen?
Wir brauchen vor allem investitionsfähige Gemeinden. Und das ist eine Aufgabe des Finanzausgleichs, dafür zu sorgen. Und deswegen plädiere ich sehr dafür, den Solidaritätszuschlag beizubehalten. Wir brauchen eine Art Deutschlandfonds. Denn jetzt geht es nicht mehr nur um den Aufbau Ost, das Kapitel ist weitgehend abgeschlossen. Sondern es geht darum, die Auseinanderentwicklung in Deutschland insgesamt, unabhängig von Himmelsrichtungen, zu verhindern.
Der Vorsitzende der Kommission, Marcel Fratzscher, sagt nun, dass in 70 Prozent aller Länder weltweit Infrastruktur privat erzeugt und auch finanziert wird. Auch Deutschland solle sich dafür öffnen und keine Tabus haben.
Nein, man sollte keine Tabus haben, aber man muss rechnen. Und wenn ich eine Investition zu 0,8 Prozent Zinsen machen kann, dann mache ich sie als Staat, und mache sie nicht zu vier, fünf, sechs oder sieben Prozent mit Privaten. Das zahlen wir alle dann als Verbraucher.
Aber wenn das so eindeutig ist, wieso gibt es dann überhaupt diese Expertenkommission?
Die Fragestellung, wie mehr Investitionen für die Infrastruktur ermöglicht werden können, ist ja richtig. Ich habe mich aber als Finanzminister gegen die ÖPP-Modelle gewehrt. Das Erste, was die Privaten dann immer wollen, weil die Kapitalkosten für sie höher sind: einen Steuervorteil. Das habe ich abgelehnt. Ich sehe das nicht ein. Es gibt ein einziges Problem, das man sehen muss. Wir haben inzwischen beim Staat auf allen Ebenen die Verwaltung so schlank gespart, dass er selber als Bauherr nicht mehr richtig funktionieren kann. Das ist ein Verlust der Steuerungsfähigkeit des Staates. Er kann seine Bauherrenfunktion oft nicht mehr richtig wahrnehmen. Da müssen dann private Büros ran, da gibt es gute. Aber auch dann muss man ja nicht privat finanzieren.
Die Aussage, eine private Finanzierung, die aus der Kommission kommt, ist effizienter, ist nicht haltbar?
Nein.
In der Kommission sitzen einige Konzernvertreter. Deren Ziel ist nicht das Allgemeinwohl, sondern nur Profit.
Sicher. Ich habe ja nichts dagegen, dass die Profit machen. Nur muss der Staat die Investitionen in die Infrastruktur teuer finanzieren, um damit die Probleme der Versicherungen zu lösen? Oder die Profite der Banken zu erhöhen? Und damit den Verbrauchern mehr Kosten aufbürden, als wenn er es selbst finanzierte?
Ist Ihnen ein ÖPP-Projekt bekannt, wo Sie sagen würden, das ist ein Erfolgsfall?
Besser als der Bundesrechnungshof kann ich das nicht bewerten und dessen Urteil ist negativ. Staatliche Investitionen, privat finanziert, können sich im Vergleich zu einer öffentlichen Finanzierung nicht rechnen. Anders mögen ÖPP-Projekte bei bestimmten Dienstleistungen aussehen.
Ist die Schuldenbremse ein Katalysator für derartige Teilprivatisierungen?
Sie wird dafür zum Teil missbraucht. Ich bin für die Schuldenbremse immer gewesen, bin auch jetzt dafür. Wir sollten sie aber nicht ins Feld führen, um Investitionen oder Leistungen des Staates zu privatisieren, wenn das für die Menschen teurer wird.
Wäre es dann nicht auch ein Fortschritt, ÖPP als eine Form von Schulden zu definieren?
Ja, wenn ÖPP-Projekte an die Stelle staatlicher Projekte treten und der Staat am Schluss in der Haftung ist.
Sollte das auch transparenter irgendwo im Haushalt abgebildet werden?
Ja, selbstverständlich.
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