Essen für den Klimaschutz: Darf's ein bisschen vegetarisch sein?
Es könnte so einfach sein: Alle verzichten einmal in der Woche auf Fleisch und schon würden die CO2-Emissionen verringert. Doch der Mensch ist beim Essen eigen.
Im Januar 2010 rief die Bremer Bürgerstiftung ihre Mitbürger auf, donnerstags auf Fleisch zu verzichten. Dahinter verbarg sich ein neues Klimakonzept names "Veggiday", das im belgischen Gent seine Ursprünge hat. Die Idee ist simpel: Alle Bremer essen an einem Tag in der Woche kein Fleisch und schon würde die Stadt in einem Jahr die CO2-Belastung von rund 40.000 Autos einsparen.
Schulen und Kantinen sollten sich beteiligen, am besten auch noch zahlreiche Restaurants. Doch was einfach klingt, ist in der Umsetzung schwer. "Schon als wir dieses Projekt gestartet haben, wurden empörte Stimmen laut. 'Wir lassen uns das Fleisch nicht verbieten' war eine der Aussagen, die uns vorgehalten wurden", sagt Christiane Schwalbe, die Initiatorin des Klimaschutz-Projektes. Sie überzeugte damals die Bürgerstiftung und Bürgermeister Jens Böhrnsen (SPD), dass der "Veggiday" ein unterstützenswertes Konzept sei.
Mit einem Startkapital von 5.000 Euro vom Bremer Umweltsenator wurden Flyer gedruckt und ein paar Veranstaltungen organisiert, um das Projekt bekannt zu machen. Ein Jahr später ist von dem Geld nichts mehr übrig. Und auch die Idee läuft Gefahr, gerade wieder aus den Köpfen der Bremer zu verschwinden. Denn nur wenige lassen sich für den "Veggiday" begeistern.
Der Veggietag wurde im belgischen Gent im Jahr 2009 unter dem Namen "Donderdag Veggiedag" ins Leben gerufen. Rechnungen zufolge würde Gent bei einer Beteiligung aller 240.000 Einwohner die Emissionen von 18.000 Autos einsparen. Das überzeugte nicht nur die Belgier. Auf der ganzen Welt gab es Nachahmer des Konzeptes. Bremen war die erste deutsche Veggie-Stadt. Mittlerweile wurde ein Veggietag auch in Schweinfurt und Wiesbaden eingeführt. Vor allem der Vegetarierbund Deutschland e.V. engagiert sich unter dem Projektnamen "Donnerstag ist Veggietag" für das Klimakonzept und dessen Einführung in deutschen Städten.
Essen ist keine Privatsache mehr
Für Markus Keller, Ernährungswissenschaftler am Institut für alternative und nachhaltige Ernährung in Gießen und Autor des Buches "Vegetarische Ernährung", ist die Sache klar: "Essen ist ein hochemotionales Thema, da lassen sich die wenigsten reinreden. Für die meisten Menschen ist Essen immer noch Privatsache." Doch das ist sie schon lange nicht mehr: Mit etwa 60 Kilogramm Fleisch pro Person in einem Jahr essen die Deutschen rund zweieinhalb mal so viel Fleisch wie vor 60 Jahren.
Wenn man bedenkt, dass allein die weltweite Tierhaltung etwa 18 Prozent der treibhauswirksamen Gase verursacht, sind die Auswirkungen des wachsenden Fleischkonsums auf das Klima enorm. "Essen ist eine globale Angelegenheit. Die eigene Ernährungsweise wirkt sich nicht nur auf die Gesundheit, sondern auch auf die Umwelt und andere Menschen weltweit aus. Das muss jedem klar sein", so Keller.
Die Realität sieht allerdings anders aus. Viele sehen die Essensumstellung nicht ein. Dabei wäre ein einziger Tag in der Woche Spaghetti mit Tomatensoße schon sehr wirkungsvoll: Würde ganz Deutschland einmal in sieben Tagen vegetarisch essen, könnten ein rechnerisch die Klimagase von rund sechs Millionen Autos im Jahr eingespart werden.
Aber auch diese Fakten, gedruckt auf den Flyern der Veggie-Stadt, können anscheinend nicht überzeugen. Trotzdem erkennt Keller in dem Projekt "Veggiday" noch viel Potential, wenn man es richtig kommuniziert: "Man darf die Leute nicht ermahnen mit 'Du musst', sondern sollte ihnen den Genussfaktor verdeutlichen. In vielen Köpfen, aber leider auch in so mancher Mensa oder Betriebskantine, ist gesunde Ernährung jedoch immer noch mit wenig schmackhafter Ernährung verbunden." Bei einem gut gemachten, professionellen Verpflegungsangebot würden die Menschen schon selbst erkennen, dass vegetarische Gerichte eine echte Alternative zur üblichen Fleisch-mit-Beilagen-Küche sein könnten.
Das Fleisch bleibt, das Gemüse kommt
Genau an diesem Punkt setzt Freiburg an. Die viertgrößte Stadt in Baden-Württemberg soll die nächste deutsche Veggie-Stadt werden. Doch während Bremen auf einer Pressekonferenz einfach den "Veggiday" erklärt hat, geht Freiburg vorsichtiger heran. Bereits seit einem halben Jahr wird hier geplant und getestet.
Später soll das Klimakonzept "Ma(h)l vegetarisch essen hilft" heißen. Die Auswahl des Namens war sehr bewusst: "Bei 'Veggiday' oder 'Veggietag' verbinden es viele mit purem Vegetarismus. Man muss aber sensibel mit diesem Thema umgehen und den Freiheitsgedanken transportieren. Nur wenn sich die Menschen freiwillig dazu entscheiden, zu einem vegetarischen Gericht zu greifen, kann das Konzept funktionieren", sagt Adelheid Hepp (JF/Die Grünen) aus dem Stadtrat Freiburg.
An einem Runden Tisch mit Silke Bott vom Vegetarierbund Deutschland e.V. (VEBU) und dem Leiter von BUND Freiburg berät sich Hepp über ein konkretes Vorgehen. Teilnehmende Kantinen und Mensen werden bereits jetzt gesucht. Erst wenn alles feststeht, soll das Projekt im Frühjahr 2011 an den Start gehen. Auch soll es in Freiburg am Donnerstag dann nicht nur noch vegetarische Gerichte geben. "Es bringt nichts, das Fleisch zu verbieten. Wenn an diesem einen Tag jedoch die Fleischauswahl verringert werden würde und die vegetarischen Gerichte dominieren würden, wäre das schon ein großer Schritt." Ein Schritt in Richtung Klimaschutz.
Die Idee des "Veggietags" braucht vor allem eins braucht: Ausdauer. In Bremen läuft man allerdings Gefahr, genau diese Ausdauer nicht zu behalten. "Irgendwann verschwindet die Idee, die Motivation lässt nach", räumt Initiatorin Schwalbe ein. Die anfängliche Euphorie der ersten Veggie-Stadt Deutschlands hat sich nicht so schnell durchgesetzt wie erhofft. "Man braucht einen langen Atem." In Freiburg ist man sich dessen bewusst, die Motivation ist trotz langer Planungsphase hoch. Und Grünen-Politikerin Hepp in Freiburg glaubt fest an eine positive Entwicklung in der Zukunft: "Es könnte eine Volksbewegung werden, wenn jeder bei sich anfinge."
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