Erstsemester-Einführung: Begrüßung mit Protest
Beim Festakt zum Semester-Beginn im Goethe-Theater protestieren Studierende und Uni-Mitarbeiter gegen die Etat-Kürzungen.
taz | Studierende haben am Mitwochabend anlässlich des festlichen Semesterauftakts im Theater am Goetheplatz gegen Missstände an der Uni protestiert: Sie bildeten dafür vorm Eingang einen „Protest-Parcours“, den die BesucherInnen beim Weg ins Opernhaus passieren mussten.
So bahnten sich die Erstsemester ihren Weg durch eine mehrteilige Performance. Eine Gruppe „kämpfte“ um begehrte Studienplätze in Form einer „Reise nach Jerusalem“, bei der immer jemand leer ausging, sobald der Punkrock aus den Boxen verstummte. Eine andere Gruppe bildete mit Transparenten eine Art Tunnel: Der Weg führte hier über einen roten Teppich mit der Aufschrift „Exkrement“ – als zusammengekürzte Exzellenz. „Es gibt nur ein einzigen Weg, aber so viele Möglichkeiten“, rief der Moderator, der das Geschehen mit marktschreierisch-ironischen Kommentaren begleitete. Den Besuchern wünschte er „Viel Spaß im Tunnel der Möglichkeiten“. Schließlich lerne man im Studium, nicht mehr nach rechts oder links, sondern nur noch nach vorn zu blicken.
Grund der Aktion waren geplante Stellenkürzungen an der Uni. So sollen 80 Stellen von wissenschaftlichen Mitarbeitern wegfallen: Da viele von ihnen nur eine halbe Stelle haben, sind davon deutlich mehr als 100 Beschäftigte betroffen. Weitere 50 Stellen werden in der Verwaltung wegfallen. Dass die Uni die vereinbarte Sparquote während des Exzellenzwettbewerbs nicht erbracht hat, gilt als eine Ursache dafür, dass die Einschnitte so drastisch ausfallen.
Dagegen hat sich ein Bündnis aus Studierenden und wissenschaftlichen Mitarbeitern gebildet, das hinter der Aktion vom Mittwochabend steht. Es hat angekündigt, die kommende Woche ganz ins Zeichen der Proteste zu stellen. Lehrende sind dazu aufgefordert, ihre Lehrveranstaltungen umzuwidmen.
Viele der in Abendgarderobe erschienenen Erstsemester wussten zunächst offenbar nicht so recht, was sie von dem Geschehen halten sollten und zögerten, den Parcours zu durchschreiten. Anna Siewert, eine der Aktivistinnen, war aber insgesamt von den Reaktionen angenehm überrascht. Sie habe nur wenige ablehnende Kommentare registriert. „Die Erstsemester haben extrem positiv reagiert. Viele hatten auch schon vorher vom Thema Kürzungen gehört,“ sagte sie zur taz.
Dass die knappe Personalsituation längst die Qualität der Lehre gefährdet, hat auch der jüngst erschienenen Bericht des Wissenschaftsrats zur Bremer Hochschullandschaft festgestellt. Eberhard Scholz, Pressesprecher der Uni, begrüßte daher die Aktion: „Zu einer lebendigen Universität gehören auch kritische Stimmen“, so Scholz auf Nachfrage der taz. „Wir sind eine unterfinanzierte Universität, wenn darauf aufmerksam gemacht wird, können wir das nur begrüßen.“
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