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Ermittler durchsuchen KinderheimeMinisterin Münch rechtfertigt sich

Während die Kinderheime der Haasenburg GmbH durchsucht werden, gerät die zuständige SPD-Ministerin unter Druck. Derzeit gäbe es keine Beschwerden.

Brandenburgs Bildungsministerin Martina Münch (SPD) bei der Sondersitzung zum Thema Haasenburg GmbH. Bild: dpa

POTSDAM taz | Wegen des Verdachts der Misshandlung von Schutzbefohlenen hat die Staatsanwaltschaft am Donnerstag alle drei Kinderheime der Haasenburg GmbH durchsucht. Das teilte der Justizstaatssekretär Ronald Pienkny am selben Tag bei einer Sondersitzung des Familienausschusses in Potsdam mit, der außerplanmäßig tagte.

Die Staatsanwaltschaft arbeite „kooperativ mit der Haasenburg zusammen“, sagte Piekny der taz. Neben vier Staatsanwälten seien rund 50 Polizeibeamte beteiligt gewesen, erklärte eine Sprecherin. Zahlreiche Aktenordner sollen in den Heimen in Jessern, Neuendorf und Müncheberg im Südosten Brandenburgs sichergestellt worden sein. Die taz hatte Missstände vor drei Wochen mithilfe interner Dokumente enthüllt.

Aufgrund der aktuellen Berichterstattung wurden bislang acht Verfahren eingeleitet, so der Staatssekretär. Zwei dieser Verfahren richteten sich allgemein gegen die Haasenburg GmbH, vier stammten von Exmitarbeitern, zwei weitere Verfahren wurden von „Amts wegen“ eingeleitet. In den Heimen sind unter anderem Kinder zum Schutz vor Eigen- oder Fremdgefährdung hinter verschlossenen Türen untergebracht.

Auch der Tod eines Mädchens, das im Jahr 2008 aus dem Fenster des Heims in Jessern stürzte, werde erneut überprüft. Das Mädchen musste in der Einrichtung Helm, Knie- und Ellenbogenschoner tragen. Nach Informationen, die der taz vorliegen, trug es diese Schoner auch noch nach ihrem Sturz. Laut Justizstaatssekretär habe die „Bildauswertung“ der Ermittlungsakten das nicht „wiedergegeben“.

Interne Stellungnahme

Als die Polizei bei der Unfallstelle eintraf, hatte das Mädchen den Helm und die Schoner offenbar nicht mehr an. Eine interne Stellungnahme eines Mitarbeiters der Haasenburg GmbH legt nahe, dass der Toten die Schoner von einer Mitarbeiterin abgenommen worden waren. Dieselbe Mitarbeiterin hatte laut interner Protokolle zuvor den Wunsch des Mädchens abgelehnt, den Helm abzulegen. Der Helm müsse getragen werden, „solange wir es für nötig halten“.

Zwei Experten hatten diese Maßnahme, die laut Heim dem Schutz des Mädchens dienen sollte, als unvertretbaren Eingriff in die „körperliche Integrität“ bewertet. In der Ausschusssitzung wurde Kritik an Ministerin Martina Münch (SPD) und am Landesjugendamt laut. Der CDU-Abgeordnete Gordon Hoffmann wollte vom Leiter des Landesjugendamtes, Karsten Friedel, wissen, wie er es beurteile, dass für die Aufsicht über etwa 400 Einrichtungen nur drei Personen zuständig seien.

Daraufhin wies die Ministerin diese Frage als „nicht fair“ zurück. Münch betonte, dass die Vorwürfe gegen die Betreiber der Kinderheime schwerwiegend seien. Sie sagte aber, die Haasenburg GmbH zähle zu den am häufigsten untersuchten Einrichtungen. Die Vorwürfe lägen „Jahre zurück“, erklärte die Ministerin. Derzeit gebe es keine Beschwerden. Seit 2010 wurde die Haasenburg nur einmal unangekündigt untersucht.

Der Koalitionsfrieden ist belastet

Der Koalitionsfrieden der Regierungsparteien SPD und Linke ist belastet. Die Linke forderte mittlerweile mit der FDP die sofortige Schließung der Einrichtungen der Haasenburg GmbH. „Aus meiner Sicht wäre dies bis zur Aufklärung der Vorwürfe angebracht“, sagte der FDP-Fraktionsvorsitzende Andreas Büttner.

In den drei Heimen sind nach Angaben der Potsdamer Behörden 74 Kinder und Jugendliche aus 14 Bundesländern untergebracht, darunter 12 Minderjährige aus Bayern,11 aus Hamburg und 10 aus Brandenburg. Von den 42 männlichen und 32 weiblichen Jugendlichen wurden insgesamt 39 mit einem Gerichtsbeschluss für sogenannte freiheitsentziehende Maßnahmen in die Heime eingewiesen. Ende 2011 wurde in den Einrichtungen die Videoüberwachung der Kinder und Jugendlichen untersagt.

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9 Kommentare

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  • A
    anonyma

    Keine Beschwerden

     

    Das mag daran liegen, dass zum Persönlichkeits brechen Ansprachen mit Hinweisen ala "so bist Du wertlos" und "Die werden Dir nicht helfen!"

     

    Das zerstörren in den Glauben an andere Menschen zerstörrt Leben - Danke liebe Taz für veröffentlichen - diese Einrichtung ist auch kein Einzelfall, das vertuschen solcher Mißstände und dass passiert in vielen geschlossenen Systemen.

     

    Wobei geschlossen sich mehr auf den geistigen Horizont der Angestellten bezieht.

     

    Ein Mensch ist doch kein Spielzeug:

     

    Aber an diesem Einzelfällen Haasburgsystem wird deutlich hilflos oder inkompetent Poltiker und Angestellte in diesem Bereichen sind.

     

    Persönlich freu ich mich Schritt wieder in ein sogenanntes böses und aus lauter "Die helfen Ihnen nicht" bestehendes System" zu gehen nur um das Gegenteil zu beweisen und kann auch sein das der ein oder andere von denen denen gegen die ich beweise hier mitliest - aber ich setz einfach mal auf Ihre eigene dummdreisten Ansichten zum Menschsein.

     

    nur so nebenbei ein Gedanke der einmal diese Welt betritt bleibt in dieser Welt - stimm schon das Ihre Gedanken auch bleiben werden, aber wer glaubt heute noch das die Erde eine Scheibe ist - kommt das bei Pisatest als Frage vor?

  • A
    anonymer

    Ich war selbst Mitarbeiter in der Haasenburg in Neuendorf. In den ersten Jahren gab es auch schon sehr konsequente Maßnahmen im Umgang mit den Jugendlichen. Doch im Laufe der Jahre wurden diese Maßnahmen immer restriktiver und auch für erfahrene Erzieher nicht mehr nachvollziehbar und vertretbar. vielmehr beschlich mich der Verdacht, dass hier manche Leute ihre privaten Aggressionen abreagieren wollten. Mitarbeiter, die da nicht mitmachten, wurden gekündigt bzw. gingen wie ich von selbst. Dafür wurden immer mehr Berufsanfänger und U

    Ungelernte eingestellt. Eine weitere Form der Personalpolitik bestand damals darin befristete Verträge abzuschließen und sie nicht zu verlängern. Damit konnten sich auch unter den Mitarbeitern keine Strukturen bilden, vom Betriebsrat ganz zu schweigen.

    Bleibt zu hoffen, dass diesen Leuten die Betriebserlaubnis entzogen wird und sie sich nie wieder auf Kosten der Gesellschaft bereichern können.

  • RB
    Rainer B.

    Gut, dass sich jetzt endlich mal die Staatsanwaltschaft mit der Angelegenheit befasst und hoffentlich die Heimbewohner selbst mal zu Wort kommen.

     

    Dass es keine Beschwerden gegeben hätte, ist auf dem Hintergrund der wochenlangen bundesweiten Berichterstattung über Mißstände im Heim einigermaßen verwirrend. Ich vermute dahinter eher eine hartnäckige pathologischen Form der Verdrängung der Verantwortlichen zur Aufrechterhaltung des Lustprinzips um jeden Preis.

     

    Für eine Gesellschaft die selbst tagtäglich scheinbar großzügig auf Freiheit verzichtet, ist Wegsperren schon immer das einzige Mittel der Wahl gewesen.

  • A
    anonyma

    die videoüberwachung? und seit wann war die erlaubt sei 1984?

     

    Was sind denn für Menschen die dort arbeiten?

     

    Lesen schadet der Dummheit:

     

    Was aus Kindern wird die so behandelt oder ähnlich behandelt werden:

     

    In meiner eigenen Jugend saß etwas geknickt, weswegen Jugendlich eben manchmal in Schwermut verfallen neben einen sogenannten geisig Behinderten, er hat mich gerade davon abhalten einfach so wegzulaufen. "Deine Probleme möchte ich haben! - Weißt Du meine Mutter wohlte mich nicht haben, weil ich lautes und herumtollendes Jahr war so wie Du. Sie hat mich mit 5 in ein Heim geben - mein Gehirn hätte eine Schädigung hat man gesagt, bewiesen hat das keiner, Sie haben einfach gesagt und mir irgendwelche Medikamente gegeben - ich hatte bestimmt soviel im Kopf gehe weiter und mach was aus Dir, dass ist doch egal was aus deinem Leben, das ist doch nicht wichtig wie Dich andere beurteilen und das Du einweniger harter kämpfen mußt, weil keiner merkt und wenns schaffst, dann mach irgendwas dagegen damit Keinem anderen Menschen sowas wie mir passiert." Das ist nur ein kleiner Auszug aus der Geschichte. Doch wer sich annährend in einen Jugendlichen versetzen kann schwer im Liebeskummer, sich gerade öffentlich blamiert und von der eigenen Verwandtschaft gerade Mal vermissverstanden und einer der von klein auf nur Ablehnung erfahren hat sammelt Dich auf sagt das Du so oder so einen Weg gehen wirst, und das Leben bei allem was passiert trozdem schön ist.

    Was soll man schon sagen außer:

    "Ehrlich gesagt, ich versteh nicht warum Dir Sorgen darum machst, das Du nicht mehr so intelligent bist - bisher fällt mir keiner ein mit dem auch nur annährend gutes Gespräch hatte, denn war klug, gebildet und menschlich"

     

    Jetzt stellt sich mir wieder die Frage, warum lebt so jemand außerhalb der Gesellschaft warum lebt er wieviele andere auch außerhalb der Gesellschaft, wenn man in der Gesellschaft was kommt zurück "Die wollen das so" - bestimmt wollte diese Kinder Videoüberwacht werden, oder, oder, oder anstatt einfach nur ein Leben.

  • R
    reblek

    "Derzeit gäbe es keine Beschwerden." - Es "gäbe" keine? Wie wäre es mir der indirekten Rede, weil die Minster gesagt hat "Es gibt keine Beschwerden." Folglich: "Es gebe keine Beschwerden." Also kein Konjunktiv, falls es sich um Realität handelt - auch wenn es lediglich die der Ministerin ist.

  • SG
    Schmidt Georg

    auffällig auch, dass immer diese Karrierefrauen, siehe Bayern im Fokus stehen, ham die nun eine Ahnung von dem was sie machen, oder sind das reine Frauenquotenfüller!?

  • F
    Fritz

    Typisch medial/politischer Komplex. Man greift sich ein paar Extremfaelle, Sensationen heraus und vergisst den Normalfall. Man muss Persoenlichkeiten nicht brechen. Brandenburg ist krank.

  • AU
    Andreas Urstadt

    Hannah Arendt setzte auch als Publizistin das Verstehen und Verstehen Wollen als Erstes.

     

    Hintergruende systematisch weglassen haut genau an dem Punkt einen Keil rein. Das ist ergo gravierend. Die taz kuemmert sich selbst nicht um Gravierendes im eigenen Haus. Wie kann man dann noch ueber andere Haeuser reden.

     

    Diejenigen, die da nicht mitmachen, muessen was tun.

  • AU
    Andreas Urstadt

    Spiegel und andere berichten nun auch und unter Verweis, die Untersuchungen seien durch einen TV Bericht ausgeloest worden, dann beugt man sich tief unter einen Haasenburgsprecher, servil nennt man das.

     

    Spiegel laesst natuerlich Hintergrund weg und boxt drauf los damit. Business ethics, wo bitte.

     

    Andererseits finden sich auch bei tazautoren systematisches und ueber laengere Zeitraeume betriebenes Weglassen von Hintergruenden mit dadurch Skandalisierungseffekt. Dazu noch ne passend hypende Ueberschrift. Business ethics, wo bitte.

     

    Die Haasenburg auf deren page neuer Kommentar und hyperserviles Verhalten. Verdaechtig.

     

    Nach Terra x von letztem Sonntag sind nur 14% aller Beschaeftigten in ihren Jobs motiviert. Bei der Haasenburg muessen es ja nach deren Darstellung 120% sein. Verdaechtig.

     

    Bei den Behoerden duerfte es nicht anders aussehen.

     

    Und bei den Zeitungen? Macht keiner was, wenn ueber laengere Zeit systematisch Hintergruende weggelassen werden und dadurch Artikel skandalisiert werden bzw der Inhalt. Business ethics? Motivationsschwaeche?

     

    Die Untersuchungen der Behoerden sind Formalien. Mit Habermas sind Institutionen gesellschafts-pathologische Symptome. Mit Habermas sind Formalien Vorgaenge, mit denen die Wahrheit leicht vertuscht werden kann. Hinter Formalien lassen sich leicht krumme Dinge verbergen. Business ethics...

     

    Man kann nur noch skeptisch sein