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Entwicklung im Münzviertel„Werkhaus“ vor dem Aus

Die Stadt will Bildungsprojekt im Münzviertel wohl nicht finanzieren. Wird es nicht realisiert, stellt die Stadtteilinitiative die Quartiersarbeit zur Disposition.

Quartiersarbeit auf der Kippe: das Münzviertel hinter dem Hauptbahnhof. Bild: St1/Wikipedia (Linzenz: CC BY-SA)

Die Stadtteilinitiative Münzviertel will sich nicht länger hinhalten lassen. Von einem Brief an SPD-Bürgermeister Olaf Scholz erhofft sie sich Klarheit, ob das Schlüsselprojekt der integrativen Stadtteilentwicklung, das Werkhaus, umgesetzt werden soll. Weil ohne das die nachhaltige Stadtteilentwicklung keinen Sinn ergebe, stellt die Initiative ihre weitere Mitarbeit innerhalb des Quartiersbeirates zur Disposition.

Die Schule für den Stadtteil sollte der Nachfolger der ehemaligen Jugendwerkstatt Rosenallee werden, die 2004 nach 27 Jahren schließen musste, als die Arbeitsagentur ihr die Finanzierung strich. Im Werkhaus sollen nun Jugendliche, die im Bildungssystem gescheitert sind, wieder eine zweite Chance bekommen. Im kleinen Viertel hinter dem Hauptbahnhof zwischen St. Georg und Hammerbrook sind viele soziale Einrichtungen für Wohnungslose, Suchtabhängige, psychisch Kranke und Menschen mit Behinderung beheimatet.

Das Werkhaus war für die Initiative von vornherein die Bedingung, sich an der Entwicklung des Viertels zu beteiligen. Das Konzept wurde vor Ort von Pädagogen, Sozialarbeitern und Kulturschaffenden entwickelt. Es richtet sich auch an die obdachlosen Jugendlichen aus dem „Herz As“, denen die Jobcenter kein passendes Angebot vermitteln können. 109 Jugendliche unter 25 sind in der Obdachlosen-Tagesstätte gemeldet. Die Werkstätten sollen im Mittelpunkt stehen und eine dauerhafte Quartiersarbeit ermöglichen. Jugendliche sollen sich an einer Umgestaltung des Viertels beteiligen.

Vom Bau- zum Werkhaus

Das Werkhaus soll eine Modellschule sein, die Pädagogik, Kunst und Quartiersarbeit miteinander verbinden will.

Das ein- bis zweijährige Angebot soll sich an 50 Jugendliche bis 25 Jahre richten, die im herkömmlichen Schulsystem gescheitert sind, etwa Schulabbrecher, jugendliche Obdachlose und Drogenabhängige. So soll Jugendlichen außerhalb ihres Umfelds eine Perspektive geboten werden.

Das berufsvorbereitende Konzept orientiert sich am pädagogischen Konzept der Produktionsschulen und des Bauhauses mit seiner Einheit von künstlerischer und pädagogischer Ausbildung.

Realisiert werden soll das Werkhaus als Gesellschaft in gemeinsamer Trägerschaft des Quartiersvereins "Kunstlabor naher Gegenden" und des Bildungsträgers Passage. Es soll mit benachbarten Kulturinstitutionen kooperieren.

Mit Investitions-, Bau- und Personalkosten und einem Gehalt für die Schüler würde das Werkhaus rund 450.000 Euro pro Jahr kosten, die Stadtentwicklungsbehörde soll die Hälfe der Summe als Investitionskosten tragen.

Der Bezirk würde das Projekt im Rahmen des städtischen Programms für integrierte Stadtteilentwicklung (RISE) kofinanzieren. Doch dafür müssten sich auch Fachbehörden beteiligen. An deren mangelnder Bereitschaft droht das Werkhaus nun zu scheitern. Denn statt das Schulvorhaben zu unterstützen, steckte Sozialsenator Detlef Scheele (SPD) jüngst eine Million Euro aus dem europäischen Sozialfonds (ESF) in das „Come In“, eine Anlaufstelle für Jugendliche, die den Kontakt mit dem Jobcenter verweigern oder wegen schwerwiegender persönlicher Probleme keinen Ausbildungsplatz gefunden haben. Nun seien die ESF-Mittel für das Jahr 2013 bereits erschöpft, sagt die Sprecherin der Sozialbehörde Nicole Serocka. Daher sehe die Sozialbehörde für das kommende Jahr keine Möglichkeiten, neue Projekte zu finanzieren.

Günter Westphal von der Stadtteilinitiative meint, zum „Come In“ hätte es durchaus Anschlussmöglichkeit gegeben: „Die bieten die Beratung für die Jugendlichen und vermitteln die anschließend weiter.“ Man hätte das Werkhaus als konkretes Angebot dort mit hineinnehmen können.

Aber der SPD-Senat hält sich bislang bedeckt. Ein Gespräch mit den Fachbehörden sei ziemlich ernüchternd gewesen, sagt Michael Mathe, Leiter des Fachamts für Stadt- und Landschaftsplanung. Dabei brauche man für das Projekt Verbündete. Die will Andy Grote (SPD), neuer Bezirksamtsleiter Mitte, bei den Fachbehörden suchen. „In einer Haushaltssituation, wo wir eher Programme und Ausgaben reduzieren, als neue auf den Weg zu bringen, ist das allerdings keine ganz einfache Geschichte.“

„Sollte das Werkhaus nicht realisiert werden, ergibt unsere gemeinwesenorientierte Quartiersarbeit keinen Sinn mehr“, sagt Westphal.

Am Raummangel scheitert das Projekt schon mal nicht. Denn das ehemalige Jugendwerkstatt-Gebäude in der Rosenallee gehört der Stadt und ist bislang noch nicht anderweitig verplant.

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