England-Ukraine 1:0: Stolze Ukrainer
Der wie ein Messias erwartete Wayne Rooney schießt die Engländer in die nächste Runde. Die Ukrainer setzen zu Sprechchören an und verabschieden ihr Team.
Das Spiel: Die Ukraine muss tatsächlich aus Schewtschenko verzichten. Milewski und Devic bilden das Sturmduo. Bei den Engländern ist der sehnsüchtig erwartete Rooney wieder dabei. Vor ihm darf Traumtorschütze Danny Welbeck, stürmen. Dazu kommt er aber zunächst nicht, denn die Ukrainer legen einen extrem aggressiven Auftakt hin.
Nach 20 Minuten gibt Gusew den ersten wirklich gefährichen Schuss ab. Das Spiel wird offener. Rooney Kopfball geht knapp vorbei und Jarmolenko schiebt aus bester Position Keeper Hart den Ball in die Arme. Die Engländer versuchen dem leidenschaftlichen Auftritt der Ukraine planvolles Aufbauspiel vor allem über links entgegenzustellen. Es gelingt nur selten. Zur Pause lebt die Hoffnung für die Gastgeber.
Schock für Blau-Gelb nach der Pause. Das Spiel hatte noch gar nicht richtig wieder begonnen, da köpfte Rooney einen Ball, den Keeper Pjatow eigentlich festhalten hätte müssen, zum 1:0 für England ein. War's das schon?
England - Ukraine 1:0 (0:0)
England: Hart - G. Johnson, Terry, Lescott, A. Cole - Gerrard, Parker - Milner (70. Walcott), Young - W. Rooney (87. Oxlade-Chamberlain) - Welbeck (82. Carroll)
Ukraine: Pjatow - Gussew, Chatscheridi, Rakyzki, Selin - Tymoschtschuk - Jarmolenko, Konopljanka - Garmasch (78. Nasarenko) - Dewic (70. Schewtschenko), Milewski (77. Butko)
Schiedsrichter: Viktor Kassai (Ungarn)
Zuschauer: 48.000 in Donezk
Tore: 1:0 W. Rooney (48.)
Gelbe Karten: A. Cole, Gerrard - Rakyzki, Tymoschtschuk, Schewtschenko
Sperre droht: A. Cole, Gerrard, Milner, Young, Oxlade-Chamberlain - Keiner
Gruppe D (Tore | Punkte)
1. England | 5:3 | 7
2. Frankreich | 3:3 | 4
3. Ukraine | 2:4 | 3
4. Schweden | 5:5 | 3
Die Ukrainer wollen weiter. Und sie treffen auch. Devics abgefälschter Schuss wird von Terry abgewehrt – hinter der Linie. Dass Devic vorher im Abseits stand, hat auch keiner gesehen. Sind die Schiedsrichter am Telefon? Jetzt kommt der alte Schewtschenko mit ihm jede Menge Stimmung in der Donbass-Arena. Doch es ist nicht der Tag der wackeren Ukrainer. Joe Hart wehrt einen hammerharten Schuss von Konopljanka ab (70.). Seit wann gewinnen englische Torhüter eigentlich Spiele? In der 88. Minute sezen die ukrainischen Zuschauer ein letztes Mal zu Sprechchören an und verabschieden ihr Team aus dem Turnier. Sie sind stolz – zu Recht.
Der Moment des Spiels: An den Ball, den Terry hinter der Linie abwehrt, wird man sich in der Ukraine noch lange erinnern. Warum? Warum nur? Dass Devic zuvor im Abseits stand, wird keinen Ukrainer je interessieren.
Spieler des Spiels: Wayne Rooney. Erwartet wie ein Messias, gibt er der englischen Mannschaft das Selbstvertrauen, das sie an diesem Tag vor dem wilden ukrainischen Publikum braucht. Sein Auftritt ist nicht überragend, aber cool. Das ist sein Tor auch.
Pfeife des Spiels: Michel Platini. Der hat zwar nicht mitgespielt, gilt aber als vehementer Verfechter des Einsatzes von Torrichtern. Jede Technik lehnt er ab. Glaubt er nach diesem Tag immer noch an das Gute im menschlichen Auge?
Schlussfolgerung: Dass sich die Engländer den Sieg in Gruppe D auf eine irgendwie ansprechende Art herausgespielt haben, wird niemand behaupten können. Sind sie plötzlich das, was sie seit 1966 nicht mehr waren – eine Turniermannschaft?
Und sonst? Am Nachmittag vor dem Spiel veranstalten ein paar Hundert englische Fans einen Marsch durch Donezk. Dabei wird ein Sarg durch die Stadt getragen. Der tote englische Fußball? Nein. „Campbell, du liegst falsch“ steht auf der Holzkiste. Der ehemalige Kapitän der englischen Nationalmannschaft hatte in einer Reportage über Rassismus in den EM-Gastgeberländern vor einer Reise nach Polen und in die Ukraine gewarnt. Zu Unrecht – wie die Engländer meinen, die doch gekommen sind.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Tabubruch der CDU
Einst eine Partei mit Werten
Jugendliche in Deutschland
Rechtssein zum Dazugehören
Jens Bisky über historische Vergleiche
Wie Weimar ist die Gegenwart?
Krieg und Rüstung
Klingelnde Kassen
Denkwürdige Sicherheitskonferenz
Europa braucht jetzt Alternativen zu den USA
„Edgy sein“ im Wahlkampf
Wenn eine Wahl als Tanz am Abgrund verkauft wird