Einzelhandel in Hamburg: 1.000 Töpfe am Ende
Das Hamburger Kultkaufhaus 1.000 Töpfe wird bis Ende Januar abgewickelt. Der Laden kann mit den Billig-Angeboten der Internet-Händler nicht mehr mithalten.
HAMBURG taz | Im Eingangsbereich der Hauptfiliale in der Bahrenfelder Ruhrstraße gleich über einem Bügelautomaten, einem Trockner und einer Spülmaschine zeigt eine kleine Ausstellung die mehr als 60-jährige Geschichte des Hamburger Traditionskaufhauses 1.000 Töpfe. Nur ein paar Schritte weiter auf dem Tresen der Information liegen zwei kopierte Zeitungsartikel. Sie verkünden die Schließung des Kaufhauses, in dem man von Marmeladengläsern bis Badezimmerarmaturen fast alles kriegt. Unter einem Dach sind hier Elektrofachhandel, Baumarkt und Lifestyleshop vereint.
Der familiengeführte Betrieb macht seit drei Jahren Verluste. Das Kaufhaus und seine drei Filialen müssen schließen, weil immer mehr Kunden im Internet einkaufen, begründet der Geschäftsführer Armin Thorn seine Entscheidung. Der Laden könne mit den billigeren Angeboten nicht mithalten. „Die Netzpreise werden von den Endverbrauchern als allgemeine Marktpreise angesehen“, sagt Alexa Thorn, die Tochter des Geschäftsführers. Auch durch die zunehmende Verbreitung von Smartphones nehme der Trend zum Internet weiter zu. Denn die Technik macht es noch leichter möglich, die Verkaufspreise im Netz zu vergleichen – auch unmittelbar im Laden.
Durch den Preisdruck seien die Gewinnmargen für das Kaufhaus 1.000 Töpfe immer kleiner geworden, sagt Thorn. An einem Kühlschrank etwa verdiene das Kaufhaus nur noch etwa 15 Prozent des Preises.
Um dem Trend zum Internet etwas entgegenzusetzen, hatte 1.000 Töpfe darauf gesetzt, den Beratungsservice weiter auszubauen. Gebracht hat das aber nicht viel. Denn es lässt sich nicht verhindern, dass sich Kunden erst im Kaufhaus beraten lassen und dann später trotzdem beim billigsten Anbieter kaufen. Für Wolfgang Linnekogel, der Geschäftsführer des Hamburger Einzelhandelsverbandes, sind das Fälle von „Beratungsklau“. „Es ist schon ein starkes Stück, wenn Kunden sich erst beraten lassen und das Produkt anschließend im Internet kaufen.“
Die Konkurrenzsituation, in der Läden wie 1.000 Töpfe eigentlich nur verlieren können, hätte Linnekogel zufolge aber auch verhindert werden können. Für ihn liegt der größte Fehler in der Preisgestaltung der Hersteller. „Die Beratungsleistung sollte in die Preise einfließen“, sagt er. Es müsse nicht sein, dass für Händler im Internet die gleichen Preise gelten wie für Händler, die in der Innenstadt hohe Mieten für ihre Geschäfte zahlen.
Das Hamburger Traditionskaufhaus gibt es seit 1949. Als erster Verkaufsraum diente damals ein alter Eisenbahnwaggon.
Mit der Zeit eröffneten Spezial-Geschäfte, einer der ersten Baumärkte, ein Sport- und ein Foto-Fachgeschäft. Eine Filiale gab es bis 1987 am Schulterblatt im Gebäude der heutigen Roten Flora.
Ende Januar schließen die drei noch übrig geblieben Filialen in der Ruhrstraße (20.000 Quadratmeter), der Spitalerstraße (270 qm) und der Langen Reihe (140 qm).
100 Mitarbeiter verlieren dann ihren Arbeitsplatz.
Für Birgit Kugelmann liegt es fern, im Internet einzukaufen. Sie hat noch nicht mal einen PC. Seit Brinkmann in der Spitalerstraße und Karstadt im Elbe-Einkaufszentrum geschlossen haben, kommt die 51-jährige Eidelstedterin zum Einkaufen in die Ruhrstraße. „Wenn der Laden jetzt auch noch schließt, wird es bald zu einem Problem, wenn man mal einen Reißverschluss braucht“, sagt sie.
„Immer wenn in Hamburg ein Traditionsbetrieb verschwindet, klagen die Leute“, sagt Linnekogel. Meistens liege es aber daran, dass ihnen die Kunden weggeblieben sind. Der Geschäftsführer des Hamburger Einzelhandelsverbandes hält es für einen „sozialen Abstieg“, wenn nur der Preis zählt, dabei aber vergessen wird, welchen Wert etwa die Beratung hat. Wenn die Verkaufszahlen im Internet steigen, koste das Arbeitsstellen, sagt Linnekogel. „Die Kunden denken oft, dass das Billigste auch das Beste ist, ohne dabei zu bedenken, dass durch diese Einstellung eine ganze Einkaufskultur verschwindet.“
Für die 100 Mitarbeiter kam die Nachricht von der Schließung wie ein Schlag. „Seien sie mir nicht böse, aber ich möchte nicht darüber reden“, sagt eine Mitarbeiterin. „Bei meinen Kollegen ist es ähnlich.“
„Es ist traurig, dass es den Laden bald nicht mehr gibt“, sagt ein älterer Mann aus Altona. 1.000 Töpfe sei der einzige Laden weit und breit, in dem man noch alles kriegt. Nach dem Weihnachtsgeschäft soll der Räumungsverkauf beginnen. Ende Januar schließt 1.000 Töpfe.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Vorsicht mit psychopathologischen Deutungen
Kochen für die Familie
Gegessen wird, was auf den Tisch kommt
Angriffe auf Neonazis in Budapest
Ungarn liefert weiteres Mitglied um Lina E. aus
Insolventer Flugtaxi-Entwickler
Lilium findet doch noch Käufer
Polizeigewalt gegen Geflüchtete
An der Hamburger Hafenkante sitzt die Dienstwaffe locker
Mangelnde Wirtschaftlichkeit
Pumpspeicher kommt doch nicht