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Drohende Krise bei AntibiotikaEine Wunderwaffe wird stumpf

Antibiotika haben Millionen Leben gerettet. Aber nun versagen so viele der Medikamente gegen Krankheitserreger wie noch nie. Was tun?

Zu viele, zu oft: Antibiotika. Bild: jg_79 / photocase.com

Lungenentzündung und kein Medikament da, das hilft - dieses Horrorszenario könnte Realität werden. Allein in Deutschland, schätzt das Bundesministerium für Gesundheit, sterben jedes Jahr etwa 15.000 Menschen an Infektionen mit multiresistenten Bakterien: Keime, die nur noch schwer tot zu kriegen sind.

Denn sie haben nicht nur gegen eine, sondern gleich gegen mehrere verschiedene Antibiotika Abwehrstrategien entwickelt. Die Weltgesundheitsorganisation WHO warnt: „Die Resistenz gegen vorhandene Antibiotika hat beispiellose Ausmaße erreicht.“

Einst galten Antibiotika als Wundermittel, die selbst tödliche Krankheiten, von Bakterien verursacht, besiegten. Die Erfolgsgeschichte des Medikaments begann im Jahr 1941, als Wissenschaftler zum ersten Mal den Antibiotika-Wirkstoff Penicillin einem Menschen gaben.

Bild: taz

sonntaz

Die Ganze Geschichte zur Entwicklung der Antibiotika und viele andere spannende Texte lesen Sie in der sonntaz vom 9./10. Juni 2012. Am Kiosk, eKiosk oder gleich im Wochenendabo. Und für Fans und Freunde: facebook.com/sonntaz

Schon 1928 hatte der schottische Bakteriologe Alexander Fleming den Stoff zufällig entdeckt. Fleming sah, dass ein Schimmelpilz, Penicillium notatum, einen bakterientötenden Stoff produzierte, und nannte ihn Penicillin. Im Jahr 1945 bekam Fleming für die Entdeckung den Medizin-Nobelpreis. Doch schon bei seiner Nobelpreis-Rede warnte der Wissenschaftler: Es könnte der Tag kommen, an dem Bakterien resistent gegen Penicillin werden.

Schon wenige Jahre nach der Einführung von Penicillin als Medikament waren einige Bakterien damit nicht mehr tot zu kriegen. Über die Jahre tauchten immer mehr resistente Bakterien auf, denen verschiedene Antibiotika nichts anhaben konnten. Heute werden in Deutschland vor allem der multiresistente Keim MRSA, aber auch multiresistente Erreger, die Tuberkulose oder Lungenentzündungen auslösen, mehr und mehr zum Problem. Und gerade ist in Jena bei 14 Frühgeborenen ein gegen Antibiotika resistenter Darmkeim nachgewiesen worden.

Der Grund: Antibiotika wird zu großflächig eingesetzt, nicht nur in der Tierzucht. Auch Ärzte gehen zu locker mit dem Mittel um. Bis zu fünfzig Prozent aller Antibiotika, schätzt die angesehene Paul-Ehrlich-Gesellschaft, verschreiben Mediziner völlig unnötig.

Nicht lohnend für die Pharmafirmen

Durch diese falsche Anwendung konnten Bakterien aufrüsten, immer mehr resistente Stämme entwickelten sich. Hinzu kommt, dass auch die Zulassungen neuer Antibiotika in den letzten Jahren stetig zurück gingen – das Geschäft mit Antibiotika ist für Pharmafirmen nicht lohnend genug.

In Freiburg schult die Ärztin und Apothekerin Katja de With Mediziner und Apotheker aus ganz Deutschland darin, Antibiotika richtig zu verschreiben. Die 44-Jährige leitet das Antibiotic Stewardship, eine Art Antibiotika-Crashkurs – das Einzige dieser Art in Deutschland. „Wir verordnen in Deutschland viel zu viel Antibiotika“, sagt de With.

Die Forscherin Julia Bandow sucht in Bochum nach neuen Antibiotika-Wirkstoffen. Sie fordert, dass die Zulassungsbedingungen für neue Antibiotika erleichtert werden. „Wir brauchen viele, verschiedene Antibiotika, die auf unterschiedliche Arten die Bakterien angreifen“, sagt die 36-Jährige. Ihr fehle die Dringlichkeit in der Diskussion um das Problem mit multiresistenten Keimen. „Im Grunde geht es hier um einen Krieg, Mensch gegen Bakterium“, sagt sie. „Und den müssen wir gewinnen, wenn wir überleben wollen.“

Die Ganze Geschichte von der Entdeckung der Antibiotika bis zu den beiden Frauen, die gegen das Versagen des Wundermittels kämpfen, so wie viele andere spannende Texte lesen Sie in der sonntaz vom 9./10. Juni 2012. Am Kiosk, eKiosk oder gleich im Wochenendabo. Und für Fans und Freunde: facebook.com/sonntaz

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13 Kommentare

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  • V
    volpe

    an die autorin:

     

    liebe frau rossbauer, danke für den guten artikel.

     

    ciprofloxacin (ihr letztes eingenommenes antibiotikum) ist den komplizierten harnwegsinfekten vorbehalten bzw. sollte es sein. ihre ärztin oder ihr arzt hat da möglicherweise auch die kanone für den spatz verschrieben...

     

    grüße, volpe

  • M
    Maik

    Vielleicht wäre es hilfreich, wenn man Antibiotika nicht mehr für jeden Husten verschreibt, sondern nur noch dann, wenn es wirklich notwendig ist. Zwar kann man damit auch nicht verhindern, dass sich multiresistente Erreger entwickeln, es aber immerhin weiter hinaus zögern.

     

    Sehe hier eher die Ärzte in der Bringschuld als den Verbraucher - schließlich sind die Ärzte diejenigen, die Medikamente verschreiben und den vernünftigen und wohlüberlegten Umgang damit bestimmen können. Leider kann man das der breiten (dummen) Masse einfach nicht zutrauen.

     

    Letztlich bleibt aber nur: Früher oder später sterben wir eh alle.

  • L
    Lou

    “Messieurs, c'est les microbes qui auront le dernier mot."

     

    Meine Herren, es sind die Mikroben die am Ende das letzte Wort haben werden.

     

    ― Louis Pasteur

  • M
    miri

    @Grüner Tod: Genau, man kann Tiere ja nur entweder in kleinste Boxen pferchen oder mit Chemie vollstopfen. Beides zu lassen ist unmöglich.

  • A
    andi
  • HJ
    Hu Junzi

    Eine Teilschuld trägt auch der Verbraucher, der durch nachlässigen Umgang mit den Antibiotika, vorallem deren frühzeitiges Absetzten fleißig mithilft resistente Stämme heran zu züchten.

    Immer mal wieder an die eigne Nase fassen ;)

  • GT
    Grüner Tod

    Schuld sind auch hier wie so häufig die vermeintlich ökologischen und guten GRÜNEN, die durch Künast unter Rot-Grün den massenhaften Einsatz von Antibiothika in der Tiermast lieberalisiert haben um Käfighaltung u.a. abzuschaffen.

    Die Folgen sind katastrophal für die Menschen.

  • D
    Dess

    > Hinzu kommt, dass auch die Zulassungen neuer Antibiotika in

    > den letzten Jahren stetig zurück gingen – das Geschäft mit

    > Antibiotika ist für Pharmafirmen nicht lohnend genug.

     

    Zu kurz gedacht, liebe Pharmafirmen.

     

    Wenn euch die Leute vorher mit Infektionen wegsterben, bevor Ihr Sie mit Medikamten gegen chronische Krankheiten mästen könnt, verdient Ihr auch keine Kohle mehr.

  • A
    aurorua

    Nicht nur unnötig, sondern völlig ins Blaue hinein werden Antibiotika verschrieben. In der Regel verschreibt fasst jeder Arzt bloß auf den Verdacht auf einen bakteriellen Infekt sofort Antibiotika.

    Korrekt wäre zunächst einmal durch entsprechendes Patientenmaterial (Blut, Sputum, Urin etc.) den infrage kommenden Erreger im mikrobiologischen Labor zu ermitteln, dort wird dann generell ein

    Antibiotikatoleranztest durchgeführt und dem Arzt das noch wirksame Antibiotikum mitgeteilt, dann erst sollte ein Antibiotikum verordnet werden. Akute Notfälle mögen hier eine Ausnahme sein, aber nicht die Regel.

  • F
    fritz

    Weniger Einsatz von Antibiotika in der Massentierhaltung (die nicht lebensnotwenig ist) würde leicht mithelfen, dass Antibiotika im Gesundheitsbereich (der lebensnotwendig ist) etwas länger wirksam bleibt.

     

    => Missbrauch abstellen

  • RS
    Rote Socke

    Könnte die übermäßige Einnahme von Antibiotika nicht auch etwas mit dem Arbeitsfetisch in unserer Gesellschaft zu tun haben? Zwei Wochen Krankschreibung um eine Grippe o.ä. auszukurieren ist kaum noch akzeptiert. Dann wird lieber der Hausarzt / die Hausärztin bequatscht...

     

    Auch mangelnde Hygienestandarts in deutschen Krankenhäusern spielen eine schöne Rolle bei der Ausbreitung von MRSA & Co.

    Auf das Abnehmen von Abstrichen bei Mitarbeiter_innen am Patienten wird jedoch nach Kontakt mit MRSA verzichtet, da es bei Besiedlung zu langen Arbeitsunfähigkeiten kommen könnte. Ein Blick in die Niederlande ist aufschlussreich!

  • A
    Alexander

    "was tun?" - ehrlich?

     

    keine Antibiotika in schwachsinniger Massentierhaltung Exzessfleischwirtschaft.

    Keine Antibiotika missbrauchen für Wirtschaftsinteressen der Massentierhaltung.

    nicht hier und nicht woanders.

    Ist ja nicht schwer die Logik zu erkennen. Je häufiger Antibiotika mit Bakterien in Kontakt kommen, desto schneller entwickeln sich Resistenzen. => ganz einfach, unsere Massentierhaltung ist ein Trainingslager für Bakterienresistenzen.

     

    Was tun, personell.

    Immunsystem stärken. Das wäre dann das einzige was ohne Antibiotika noch über "leben und tod" entscheidet. In gewissem Rahmen kann ein gesunder Körper sich besser schützen gegen Bakterien. Ganz sicher ist es leider natürlich nicht

  • D
    deviant

    Es ist sicher so, dass auch die Ärzte einen Anteil daran haben, dass die Allzweckwaffe Penicillin stumpf wird (es war und ist klar, dass dieses Mittel nicht langfristig zur Verfügung steht), doch würden nicht präventiv ganze Schweine- oder Hühnerstelle mit Antibiotika vollgepumpt, um damit Lebensmittel zu produzieren, wegen denen eine Milliarde Menschen hungern muss, hätten wir noch sehr viel länger etwas von dieser Waffe.

     

    Aber in Deutschland (und natürlich vielen anderen Ländern) gehört das, was medizinischer, ökologischer, ökonomischer und ethischer Irrsinn ist, ja noch immer zum "Lebensgefühl", Grillen wird zum "Hobby" erhoben und verrottetes Fleisch (in Form von Wurst oder Gammelfleisch direkt vom Metzger) gehört zu jeder Mahzeit; die Schwarten werden zerkocht und in Puddings, Weingummi und Frischkäse gepumpt, damit es ja nicht natürlich aussieht.

     

    Wann kommt endlich die Sondersteuer auf Fleisch?!