Doku zum 60. Geburtstag der „Bild“: Von Mut und Angst
Ein sehenswertes Geschenk: Die Dokumentation „Bild. Macht. Politik.“ zum 60. Geburtstag der „Bild“ zeigt, was aus Kai Diekmann wird, wenn man die richtigen Fragen stellt.
Er ist ein Künstler der Windung: Kai Diekmann, Chefredakteur der Bild. Das beweist diese Dokumentation des WDR zum 60. Geburtstag des Boulevardblatts. Was dieser Film aber auch beweist – und das macht ihn einzigartig und so sehenswert: Kai Diekmann kommt nicht umhin, vor laufender Kamera zu lügen, wenn man ihm die richtigen Fragen stellt.
Zum Beispiel diese: Woher nahm Bild die Fotos der 22 belgischen Kinder, die im März bei einem schweren Busunfall in der Schweiz ums Leben kamen? Bild zeigte die Fotos auf Seite eins – eine „würdevolle Darstellung“, wie Kai Diekmann findet.
Die Antwort des Chefredakteurs unterscheidet sich erheblich von der Version des Bürgermeisters der belgischen Stadt Lommel. Wobei man fairerweise sagen muss: Vielleicht lügt ja auch der Bürgermeister.
Warum ist eine Zeitung, die derart scham- und würdelos arbeitet, so etabliert? Auch dieser Frage geht „Bild. Macht. Politik.“ nach – und dokumentiert ein breites Spektrum an Mut bis Feigheit, wenn es um die Beantwortung dieser Frage geht. Die Doku zeigt einen Gregor Gysi, der eigentlich gegen jede Ungerichtigkeit zu kämpfen bereit ist – mit der Bild schließt er Frieden. Oder eine Claudia Roth, die stolz davon erzählt, wie sie der Bild eine Gegendarstellung abrang. Oder einen Hans-Olaf Henkel, der zum Bild-Gegner wurde, als das Blatt eine bösartige Story über ihn druckte, offenbar wollte sich der Chefredakteur für Lästereien über ihn rächen.
Oder einen Dirk Niebel, sonst ein Freund der klaren Worte, der erstaunlich kleinlaut wird, wenn man ihn fragt, ob die Politik Angst hat vor der Bild.
Und der Film zeigt Kai Diekmann: neben Udo Lindenberg, neben Carsten Maschmeyer in Davos, neben der Kanzlerin beim Sommerfest. Diekmann will halt doch mitspielen – auch wenn er sagt, er könne nicht Everybody’s Darling sein.
„Bild. Macht. Politik.“ – ob sich Diekmann über dieses Präsent freuen kann?
„Bild. Macht. Politik.“, Montag, 16.4., 22.45 Uhr, ARD
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
US-Interessen in Grönland
Trump mal wieder auf Einkaufstour
Täter von Magdeburg
Schon lange polizeibekannt
Künstler Mike Spike Froidl über Punk
„Das Ziellose, das ist doch Punk“
Insolventer Flugtaxi-Entwickler
Lilium findet doch noch Käufer
Abschiebung erstmal verhindert
Pflegeheim muss doch nicht schließen
Mangelnde Wirtschaftlichkeit
Pumpspeicher kommt doch nicht