Die Woche: Wie geht es uns, Herr Küppersbusch?
Das Asylrecht ist fertigstranguliert. Das Innenministerium lässt sich nichts vormachen. Und Barbie hat Präsidentinpotenzial.
t az: Herr Küppersbusch, was war schlecht letzte Woche?
Friedrich Küppersbusch: Nach einer Studie des Göttinger Instituts für Demokratieforschung sind Pegidisten über 50, männlich, konfessionslos und verheiratet. Also ein Schäferhundezüchtigerverein ohne Schäferhunde.
Was wird besser in dieser?
Schäferhunde begründen eine machtvolle Demokratiebewegung. Mach ich mit.
Nach langem Hin und Her haben sich die Koalitionsparteien auf eine gemeinsame Linie in der Flüchtlingspolitik geeinigt. Eine Meldung, die auch aus dem November stammen könnte. Ist die Regierungskrise jetzt endlich vorbei?
Nee, umgekehrt. Die Flüchtlingspolitik ist vorbei, die Regierungskrise geht weiter. Union und SPD fiebern Horror vor den Ergebnissen der Landtagswahlen, und wenn die vorliegen, haben sie derentwegen noch mehr Angst vor der Bundestagswahl. Die Flüchtlingspolitik besteht derweil in der Kunst, mit offenen Armen um sich zu hauen: Das Asylrecht ist fertigstranguliert; man freut sich schon, wenn die GroKo das Dritte Reich nicht nachträglich zum sicheren Drittreich erklärt. Das Tückische an der Konstellation: Merkels Humanismusschub wird für gescheitert erklärt, bevor er je Politik wurde. Sie hat eine Politik angekündigt, die sie nicht hatte und die eher die Bürger können als die Behörden und der Staat.
Derweil werfen Unbekannte eine scharfe Handgranate auf ein bewohntes Flüchtlingsheim. Eine neue Ära der Gewalt?
Laut Homepage des Innenministeriums ist aktuell „der islamistisch motivierte internationale Terrorismus die virulenteste Bedrohung und eine der größten Herausforderungen der Sicherheitsbehörden“. Die lassen sich nichts vormachen.
Ein russisch-deutsches Mädchen, das angeblich vergewaltigt wurde, veranlasste Russlands Außenminister Lawrow dazu, den deutschen Behörden Vertuschung vorzuwerfen. Damit kennt der Mann sich aus, was?
Ein untoter Flüchtling am Berliner Lageso, der sich als ungeprüftes Zitat aus dem Facebook-Posts eines Betrunkenen erwies; in Essen wurde das Ausbüxen einer 15-Jährigen hochgepeitscht (Bild: „Entführung aufgeklärt“), und der Propagandaschaum Lawrows über den Fall des Mädchens, der zu traurig ist, als auch noch mit Politik zu tun zu haben. Allen Falschmeldungen gemein ist der Modus: Die Meinung steckte fertiggehülst in der Wumme, man lauerte nur auf den Vorwand zum Ballern. Das trifft auf Lawrow zu sowie auf Innensenator Henkel, der bei der Gelegenheit mal wuchtig auf freiwillige Flüchtlingshelfer drischt. Und alle, die auch gern auf nüchternen Magen Law and Order doppelt trinken. Suchen Sie Medien, die zu langsam sind oder diese Meldungen nur im Konjunktiv brachten. Verschenken Sie Abos.
80 Prozent aller AfD-Sympathisanten sind Männer. Wundert Sie das?
Sehen Sie, Frau von Storch wird unterschätzt. Anhand einer an mir persönlich durchgeführten Umfrage halte ich dagegen, dass 80 Prozent aller AfD-Gegner auch Männer sind. Ätsch!
Die Barbie-Puppe ist es jetzt auch mit normalen Körpermaßen zu haben. Ist das mit dem Feminismus jetzt erledigt?
Barbie ist 57, sie könnte Präsidentin werden. Wenn die Wahl durch einen IQ-Wettbewerb mit Donald Trump entschieden würde.
Eine Studie hat herausgefunden, dass sich die Hälfte der Nichtwähler in Deutschland mit einer Partei identifizieren kann. Weshalb wählen sie dann nicht?
Popkultur. Die klassischen Parteien mögen eine andere Ahnentafel haben – heute jedoch sind sie popkulturelle Modeartikel wie frisch gegründete Parteien auch. So können die Piraten ihr kurzes Kometenglitzern feiern, so hochnervös tanzt man mal den Lucke, dann den Höcke. Das macht es den Großparteien schwerer, einen modischen Glanz aufzulegen. Außerdem sind da Leute drunter, die Wahlumfragen wahrnehmen und sich denken: „Geht eh in die richtige Richtung, muss ich gar nicht hin.“ Sloganvorschlag: „Sind Sie langweilig? Dann gehen Sie bitte zur Wahl!“
Wegen Kritik an der Intransparenz des Freihandelsabkommens TTIP ist es Parlamentariern ab sofort gestattet, Einsicht in geheime Verhandlungsdokumente zu erhalten. Bringt das was?
Für den Raum gilt wie für seinen Vorgänger in Brüssel: Dumm rein, stumm raus. Wer einen hämischen Plan gegen TTIP hätte schmieden wollen, wäre stolz auf die clevere Idee mit der bizarren Geheimhaltung gewesen.
Und was machen die Borussen?
Abseitstor, Elfer unterschlagen, Eigentor glimpflich übersehen: Dortmund schlägt Ingolstadt 2:3. Äh.
Fragen: JLC, VI, MAHA
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Juso-Chef über Bundestagswahlkampf
„Das ist unsere Bedingung“
Verein „Hand in Hand für unser Land“
Wenig Menschen und Traktoren bei Rechtspopulisten-Demo
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen