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Die WahrheitJuden helfen Nazis

Anke Richter
Kolumne
von Anke Richter

Neues aus Neuseeland: Ich habe es wahrscheinlich schon oft genug erwähnt, aber muss es gebetsmühlenhaft wiederholen: Ich lebe im nettesten Land der Welt.

I ch habe es wahrscheinlich schon oft genug erwähnt, aber muss es gebetsmühlenhaft wiederholen: Ich lebe im nettesten Land der Welt. Niemand ist niemandem in Neuseeland jemals richtig böse. All dieser heilige Zorn, von dem die Weltpolitik und das europäische Intellektuellentum zehren, all die Rechtschaffenheit, die Empörung, das Anklagen und Ankreiden: das kennen Kiwis nicht.

Wer aus Versehen angerempelt wird, entschuldigt sich. Wer aus dem Bus aussteigt, bedankt sich beim Fahrer, auch wenn der fuhr wie die Sau. Höflichkeit geht über Rechthaberei und Vergeltung, solange es nicht um Rugby geht. Es ist ein äußerst angenehmes Völkchen, das sich da am Rande des Pazifiks entwickelt hat und auch mit Minderheiten immer sehr pfleglich umgeht.

Daher gibt es keinen besseren Platz auf der Welt, außer vielleicht ein paar brandenburgischen oder arabischen Dörfern, um Nazi-Parolen zu sprühen. In Aotearoa gibt es für diese Heldentat, wenn man Glück hat, ein Studium spendiert.

Im Oktober vergangenen Jahres wurde der jüdische Teil eines Friedhofs in Auckland geschändet. Hakenkreuze, das Heil-Hitler-Symbol „88“ und „Fuck Israel“ tauchten über Nacht auf 20 porösen Grabsteinen auf. 125 Jahre sind sie alt. Die Farbe ist davon nur schwer zu entfernen, 50.000 Dollar soll die Spezialreinigung kosten. Es gab Proteste vor dem Friedhof, die „National Front“ wurde verdächtigt, die israelische Botschaft zeigte sich bestürzt. Einen Sicherheitszaun im Wert von einer halben Million Dollar wollte man errichten.

Kurz darauf standen zwei junge Männer wegen der Nazi-Schmierereien vor Gericht, Robert Moulden und Christian Landmark. Der 19-jährige Moulden bekannte sich schuldig: Zum Zeitpunkt der Tat sei er betrunken gewesen. Er lebt von Sozialhilfe, wohnt in einem Hostel und hat keine Familie, die ihn unterstützt. Wer schritt dem mittellosen jungen Mann da prompt zu Hilfe? Die Jüdische Gemeinde Aucklands, die stets betont besonnen reagiert, wenn es um antisemitische oder antiisraelische Ausschläge im Lande geht.

Moulden unterzog sich einem Programm für „wiederherstellende Gerechtigkeit“. Das bedeutete, dass er über den Holocaust informiert und zu einem Sabbat-Essen dazugeladen wurde. Ein erquicklicher Abend für beide Seiten. „Ich war sehr zufrieden damit, wie die Leute am Tisch auf diesen Mann reagierten und wie er sich mit jedem unterhielt, das war gut“, bemerkte Geoff Levy, der Vorsitzende des Jüdschen Rates von Neuseeland.

Man erkundigte sich auch nach den Zukunftsplänen des Gestrauchelten. Ingenieur wolle er gern werden, sagte Moulden. Aber Studieren kostet in Neuseeland. „Wenn wir ihm helfen können, machen wir das gern“, so Levy. „Hoffentlich können wir ihm Unterstützung, Mentoring und Beihilfe geben, um eine Ausbildung zu machen.“

Eine eigens dafür berufene Person soll sich nun um die Studienhilfe kümmern, falls Robert Moulden sie denn annehmen will. Dazu hat er sich noch nicht geäußert. Aber bei der Grabsteinreinigung will er helfen. Verdammt nett von ihm, oder?

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Anke Richter
Anke Richter ist Wahrheit-Kolumnistin, Buch-Autorin und Mitglied von Weltreporter.net in Neuseeland. Zuletzt erschien von ihr die Auswanderersatire "Was scheren mich die Schafe. Unter Neuseeländern - Eine Verwandlung" (Kiepenheuer & Witsch).

14 Kommentare

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  • K
    kiwilli

    (Aus meiner Antwort an meinen neuseeländischen Freund A. aus Christchurch, der auf Ankes Artikel mit Bestürzung reagierte.)

     

    Anke Richters Artikel wollen beschreiben, was in NZ anders ist. Ihre Kolumne hat den Untertitel "Neues aus Neuseeland", eine (deutsche) Alliteration im Titel also. Ihre Artikel erscheinen in der "taz", eine ehemals sehr anspruchsvolle Zeitung aus dem linken Milieu. Meistens sind ihre Beschreibungen mit etwas Humor gut zu lesen. Der deutsche Leser hat Abstand dazu und glaubt, trotz des manchmal bissigen Humors, an das was anders sein mag. Neuseeland muss für viele solcher Geschichten in den deutschen Medien herhalten. Gute Informationen sind so selten wie die Nadel im Heuhaufen, wenn überhaupt, zu beziehen. In dem betreffenden Artikel bezieht sie sich auf eine offensichtliche Tatsache, die so in Deutschland NIE passieren würde. Darüber könnte man lachen, als Deutscher, in NZ. Denn, und das ist meine Meinung, NZ ist anders. Dort steht die Welt, aus unserer Sicht, auf dem Kopf. Und dieses lässt viel Spielraum für solche Projektionen. Ich kann verstehen, dass es für dich ärgerlich ist, solches über das Land zu lesen. Es ist aber auch pure Realität für die Leute hier, weil es nichts anderes zu lesen gibt. Neuseeland wird hier nicht ernst genommen und muss immer wieder für Auswandererträume herhalten. Ähnlich wie USA: Land der unbegrenzten Möglichkeiten. Die Frage ist, für wen? Für Anke Richter scheint das Konzept ja aufzugehen. Schließlich will sie ja noch ihre Bücher verkaufen. Letzteres über "Was scheeren mich die Schafe" scheint ganz gut zu laufen.

  • MH
    Marco Hoffmann

    Findet die taz den resozialisierungsgedanken eigentlich nur verwerflich, wenn juden ihn erkennen lassen oder prinzipiell?

     

    Was ist, wenn die familie eines mordopfers den töter aufnimmt und im zimmer des opfers wohnen lässt, ist das dann auch eine "belohnung" und falls ja, für wen?

     

    Was wurde eigentlich aus den kiwis, die am we immer irgendwie im kreisel rumfahren oder was war das und schon 20.000 dollar strafzettelschulden haben? Das war ne tv-doku.

  • MH
    Marco Hoffmann

    "

    das kann nur ein Jude , so tolerant zu sein

    "

    ( 25. 01. 2013 09: 03 UHR von Gerlinde Teuber Krause)

     

    "

    für arabische Gemeinden gibt es seit vielen Jahren keine vom Staat genehmigten Bebauungspläne ; das hat zur Konsequenz, dass palästinensische Gemeinden in Israel nicht wachsen können . ( Man beachte: Dasselbe Recht, das Netanjahu mit großem Getöse von den Amerikanern und dem Rest der Welt einfordert, nämlich das Recht auf “ natürliches Wachstum” der jüdischen Siedlungen in der besetzten Westbank, wird den israelischen Staatsbürgern palästinensischer Herkunft auf “ ihrem” Staatsgebiet” verweigert. )

     

    dürfen zwar de jure Palästinenser heiraten, die außerhalb von Israels Staatsgebiet wohnen. Für die Ehepartner aus Israel bleibt allerdings nur de Wegzug, weil der Ehepartner von außerhalb keine dauerhafte Aufenthaltsgenehmigung oder gar die Staatsbürgerschaft bekommt.

     

    [...]

     

    Mehr noch : Wer auf offizieller Seite ( das beinhaltet Behörden, öffentliche Einrichtungen, aber auch die Medien ) die Nakba in Form einer historischen Erinnerung zelebriert, wird strafrechtlich verfolgt.

     

    sind an den Universitäten stark unterrepräsentiert , aber nicht aufgrund fehlender Bildungsvoraussetzungen, sondern weil viele subtile Faktoren – insbesondere gesellschaftliche Abgrenzung - junge Palästinenser daran hindern, sich an den Universitäten einzuschreiben ( 1)

     

    werden systematisch daran gehindert in jüdischer Umgebung zu wohnen, weil Kommunen mi t mehr als 400 Einwohnern von Rechts wegen zus teht, dass sie im Gemeinderat / der Gemeindeversammlung darüber abstimmen können, ob arabische Mitbürger in die Gemeinde ziehen dürfen. In der ganz überwiegenden Zahl der Fälle wird das abgelehnt.

    "

    http://www.transatlantikblog.de/2012/07/16/eklat-palaestinatage-muenchen-israel-demokratie-haneen-zoabi/?utm_source=feedburner&utm_medium=feed&utm_campaign=Feed%3A+transatlantikblog%2FCYNG+%28Transatlantikblog%29

  • P
    Pepe

    Ja, das ist Neuseeland. Man wird angerempelt und entschudligt sich -und ich darf ergänzen- man entschuldigt sich, wenn man im Supermarkt einem anderen Kunden den Blick auf die Waren für eine Sekunde versperrt, weil man durch muss. Der Umgang mit anderen Menschen kann so anders sein-wenn man will. Irgendwie sind die Kiwis die Budhisten des Westens. Praktizierende.

  • L
    Lukas

    Schön

  • A
    aujau

    Wow. Jetzt auch eine solche Belohnung fuer Antifas.

  • U
    Ute

    Warum entschwindet die Autorin in "arabischen Dörfern, um Nazi-Parolen zu sprühen"?

     

    Wunsch nach Volksverhetzung?

     

    Diese Verunglimpfung hätte sich die Autorin sparen können, zumal es erst vor einem halben Jahr hieß, religiöse Juden hätten Nazi-Parolen in Jad Vaschem gesprüht.

     

    Schon vergessen worum es da ging?

     

    In Neuseeland hingegen scheint es erhebliche soziale Brennpunkte zu geben, ist aber wohl nicht so berichtenswert, wie es scheint.

  • GT
    Gerlinde Teuber Krause

    Wunderbare Geschichte---das kann nur ein Jude,so tolerant zu sein.viele nei ernannte Neo Nazi's,wissen nichts,aber auch gar nichts von Nazid'schland u.Holocaust.Dadum sage ich :"Mehr aufklärung"

  • AR
    anke richter

    danke, günni. nicht diese kolumne fristet ein schattendasein, sondern neuseeland. wäre das gleiche in den usa passiert, wär's sicher eine grössere nachricht. aber nicht immer im mittelpunkt zu stehen hat ja auch was...

  • RA
    ralf ansorge

    schöne geschichte,aber wohl leider auf die braunen ecken meiner heimat meckpomm oder die islamistisch verseuchten ghettos in deutschen großstädten nicht übertragbar,der hiesigen jüdischen gemeinde auch nicht zumutbar.

    falls ich irgendwann mal die kohle zusammenhabe gehts nach neuseeland.

  • S
    Sebastian73

    Nun ja, ein etwas seltsamer Artikel. Er ist voll von Vorurteilen und ziemlich viel Unsinn. Was will die Autorin überhaupt sagen? Brandenburger Landeier werden mal eben so als der klassische Nazi verunglipft, obwohl Brandenburg lange schon kein Schwerpunkt mehr ist, und Juden werden als Erlöser eines Gefallenen, der wegen seiner sozialen Probleme verblendet war, beschrieben. Das Ganze kann natürlich nur in Hobbitland möglich sein. Was für ein Schwachsinn. So läuft das vielleicht in Mittelerde, aber bestimmt nicht in der wirklichen Welt. Wer einmal zum Nazi wurde, den kann man nicht mit Vernunft begegnen, denn er weiß ja inzwischen, was seine Ideologie bedeutet, millionenfachen Mord. Wenn man diesen Artikel aufmerksam ließt, erkennt man schließlich, das der Nazi nicht mal "Danke" zu den großartigen Angeboten gesagt hat. Er hat sich schlicht nicht dazu geäußert. So betrachtet haben einige jüdischstämmige Neuseeländer in romantischer Weise versucht, jemanden zu bekehren. Der Erfolg? Von Erfolg steht im Artikel nichts. So betrachtet entpuppt sich das angebliche Land der Glücksseeligen als Land der Naiven. Abgesehen davon ist ein sozial prekärer Neuseeländer, der besoffen einen Friedhof schändet, noch lange kein Nazi. Er istschlicht und einfach nur ein Idiot. Ich begreife nicht, warum man so einen Artikel überhaupt veröffentlichen muss.

  • P
    Philanthrop

    Wie al­t­ru­is­tisch doch diese philanthropischen Menschen sind.

     

    Wie wäre es wenn Sie den Palästinensern auch Brunnen zur Verfügung stellen würden? Anstatt einmal die Woche auf einen Wassertanker zu warten könnte die Menschen sich täglich trinken, Waschen und Ihre Felder bewässern. Während auf der jüdischen Seite Swimming Pool mit Wasser gefüllt werden um den Tourismus anzurkurbeln.

     

    Oder vielleicht könnten Sie es erlauben Medikamente zur Versorgung von Kindern und anderen Kranken zu erlauben?

     

    Oder andere Repressalien beenden die nur das Ziel haben zu zermürben und zu provozieren?

  • A
    anke

    ...und in Davos dürfen die Teilnehmer des diesjährigen WEF eine ganze Stunde lang zuschauen, wie ausgewählte Schauspieler aus Zeitungen Tüten kleben...

     

    Spannend wäre es nun zu erfahren, wessen erzieherische Maßnahmen erfolgreicher sind. Die, die der komplette Jüdsche Rat von Neuseeland an einem einzelnen Neonazi erprobt, oder die, die Crossroads-Manager David Begbie an 100.000 Managern praktizieren lässt.

  • TR
    the real günni

    warum soche von weltpolitischer, humanistischer, gesellschaftlicher bedeutung kaum zu unterschaetzende artikel in der tollen, aber randsparte ´die wahrheit´ ein schattendasein fristen muessen, ist schon ein bisschen ein raetsel. naja immerhin hier.

    das deckt sich eigentlich genau mit meiner meinung zum thema npd-verbot.

    vielen dank an die autorin fuer diese grosse geschichte.