Die Trainer von Frankreich und Spanien: Kompromissfußball und Vereinsdenken
Der französische Nationaltrainer Blanc traut seinen Spielern nicht so viel zu. Den spanischen Trainer Del Bosque sieht man niemals ausfällig werden.
FRANKREICH Angefangen hat alles mit einem großen Skandal. Die französische Nationalmannschaft hatte gerade einmal acht Spiele unter ihrem neuen Trainer Laurent Blanc gespielt, da veröffentlichte ein Internetportal Auszüge aus dem Protokoll einer Präsidiumssitzung des französischen Fußballverbands. Blanc hat diese Diskussion dazu genutzt haben, die falsche Ausbildungspolitik des Verbands insgesamt zu kritisieren.
Er hatte eine ganz spezielle Vorstellung vom Fußball. Frankreich sollte sich ein Beispiel am FC Barcelona nehmen. Schnelle, technische versierte und vor allem wendige Spieler hat er gefordert. Doch bekommen hat er sie nicht.
Seinen Unmut darüber soll er wie folgt zum Ausdruck gebracht haben: „Wir produzieren in Frankreich immer den gleichen Fußballerprototyp: groß, stämmig, stark. Und wer ist groß, stämmig, stark? Die Schwarzen. So ist das nun mal.“ Und dann noch: „Die Spanier haben mir gesagt: Wir haben keine Probleme, wir haben keine Schwarzen.“
Ein paar Tage später entschuldigte sich der Mann, der mit der französischen Multikultimannschaft von 1998 den WM-Titel geholt hatte und zwei Jahre später Europameister wurde. Er hatte zwar nun ein paar Freunde weniger, aber immerhin wusste man nun, was er fußballerisch will: spanisch spielen.
Bordeaux hatte der heute 46-Jährige mit sehenswertem Offensivfußball in seinem erst zweiten Jahr als Trainer zur Meisterschaft geführt und sollte nach dem WM-Desaster 2010 von Südafrika auch die Nationalmannschaft zu sehenswertem Spiel antreiben. Doch gelungen ist ihm dies selten.
In Laurent Blanc steckt zu sehr der Verteidiger, der er selbst als Spieler einmal war. Sein 4-2-3-1, das er während dieser Europameisterschaft in Polen und der Ukraine spielen lässt, ist sehr ängstlich. Sein geliebtes Kurzpasspiel traut er seinen Offensivspielern nicht zu. Was dabei rauskommt, ist meist nicht mehr als Kompromissfußball.
Onkel Bräsig? Onkel Stolz!
SPANIEN Den spanischen Trainer Vicente del Bosque könnte man glatt für Onkel Bräsig halten. Nie sieht man ihn am Toben, nie wird er ausfällig, und stylische Eleganz ist seine Sache nicht. Nein, del Bosque steht für Bescheidenheit und Höflichkeit, Demut und Arbeit - eben Bräsigkeit, könnte man meinen, wenn da nicht ein großer, aber unaufdringlicher Stolz wäre, mit dem er diese Werte vermittelt. Und noch etwas vermittelt er: Freude. Obwohl er zu den ältesten Trainern des Turniers gehört, ist er kein autoritärer Knochen. "Eine gute Stimmung im Kader ist ein Fundament des Erfolgs", sagt er.
Von seinem Vorgänger Luis Aragonés hat er das Prinzip übernommen, nicht einfach die nominell besten Spielberechtigten aufzustellen, sondern auch das Nationalteam so zu formen, wie man im Idealfall ein Vereinsteam aufstellt. Die Auserwählten müssen handwerklich und charakterlich zur Idee des Trainers vom Fußball passen. Hat er seine Leute einmal gefunden, liebt del Bosque Kontinuität: Zehn Spieler, die im letzten Gruppenspiel gegen Kroatien aufliefen, standen schon im WM-Kader 2010 (nur Carles Puyol fehlte - verletzungsbedingt).
Del Bosques Idee vom Fußball ist weitgehend identisch mit der Idee des FC Barcelona: Es geht um Dominanz durch Ballbesitz; es ist ein Kollektiv großer Einzelkünstler, das unermüdlich in Bewegung ist und sich mit Geduld seine Chancen erarbeitet.
Zwei Aufgaben hatte del Bosque in der EM zu lösen: Den Konflikt zwischen den Spielern des FC Barcelona und von Real Madrid zu stillen, bei dem es immer auch um das Kastilier-Katalanen-Dingsbums geht und der nach den giftigen Spielen der vorigen Saison zu eskalieren drohte. Das scheint ihm gelungen. Das andere Problem: Die Gegner können sich inzwischen gut auf das spanische Spiel einstellen, bei dem sich seit dem Ausfall von David Villa die alte Abschlussschwäche noch stärker zeigt. Von der Antwort auf diese Frage hängt der Erfolg der Spanier bei dieser EM ab. DENIZ YÜCEL
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