Die Jogginghose: Blut, Pisse, Hitlergruß
Auch das NSU-Trio trug Jogginghose: Das Schlabberbeinkleid ist ein verbrecherisches Kleidungsstück und genießt in Deutschland kein hohes Ansehen. Zu Recht!
Die Jogginghose genießt kein hohes Ansehen in Deutschland. Schon 2002 gab Thilo Sarrazin in einem Interview mit der taz zu bedenken, dass nirgendwo so viele Leute „öffentlich in Trainingsanzügen herumschlurfen wie in Berlin“.
Wie zum Beispiel Müntefering, den ich manchmal sehe, wie er sich mit 70 noch über das Pflaster quält, natürlich mit Trainingsanzug. Zur Ehrenrettung Münteferings muss gesagt werden, dass es einen Unterschied macht, ob man Jogginghosen als Kleidungsstück trägt oder als geistige Gesinnung, wie Sarrazin das tut.
Der Jogginghose zu ihrem Durchbruch verholfen hat Harald Ewert. Er hat es mit ihr zum Coverboy auf viele nationale und internationale Blätter geschafft. Diese Jogginghose feiert nun 20-jähriges Jubiläum. In das Deutsche Museum Kohls hat es die wohl berühmteste Jogginghose Deutschlands (echt nur mit dem gelben Fleck vorne drauf) aus unerfindlichen Gründen nicht geschafft.
Damals vor 20 Jahren jedenfalls stand Harald Ewert mit Hitlergruß vor dem Ausländerwohnheim in Rostock-Lichtenhagen und unterstützte die Menge moralisch in ihrem Tun, zu dem er selber aus alkoholbedingten Gründen nicht mehr in der Lage war, nämlich das Wohnheim in Flammen aufgehen zu lassen und die Bewohner gleich mit.
NSU-Trio trug Jogginghose
Harald Ewert betonte, dass er „kein Nazi“ und ihm der Arm „ganz automatisch“ zum Hitlergruß hochgegangen sei, aber er gab auch zu bedenken, dass „die Ausländer sich anständig benehmen“ sollten. Und rein weltanschaulich betrachtet, ist der Unterschied zwischen Ewert und Sarrazin nicht sehr groß, außer dass Sarrazin seine Meinung mit lustigen Statistiken belegt und ansonsten auf unhaltbaren Äußerungen mit einer erstaunlichen Starrsinnigkeit beharrt.
Insofern ist es nur logisch, dass auch das NSU-Trio Jogginghose trug. Das hat man jetzt herausgefunden, weil man an ihr Blutspuren der erschossenen Polizistin Kiesewetter entdeckt hat und in den Taschen zwei Taschentücher, die Uwe Mundlos zugeordnet werden konnten. Passend dazu werden Jogginghosen mit der Aufschrift „Blutbad“ angeboten.
Erstaunlich ist, dass die Jogginghose trotz der Ablehnung der Verbrechen, die in ihr begangen wurden, immer noch eins der beliebtesten Kleidungsstücke der Unterschichtsdeutschen ist. Und das, obwohl selbst Wolfgang Joop sie nicht gut findet. Herr Joop trägt lieber Stützstrümpfe, wie er in einem Interview mal verraten hat. Das steht Deutschland aber ja sowieso bevor: ein Volk in Stützstrümpfen. Das sind ja wohl mal gute Nachrichten.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
Erderwärmung und Donald Trump
Kipppunkt für unseren Klimaschutz
EU-Gipfel zur Ukraine-Frage
Am Horizont droht Trump – und die EU ist leider planlos
Wirbel um KI von Apple
BBC kritisiert „Apple Intelligence“