Der zeozwei Wochenüberblick #5 : Das Versagen der Klimaschützer
Die Fünf-Minuten-Lektüre für Ökos und solche, die das eigentlich nie werden wollten.
Heute: Ein Kommentar von Martin Unfried
Die Klimakonferenz von Paris kommt näher und damit die Enttäuschung. Da heißt es, ehrlich Bilanz ziehen, um reflektiert und besonnen der anstehenden Depression entgegentreten zu können. Keine Angst, ich will nicht aufzählen, wie trostlos die internationale Gemeinschaft die Fünf-Grad-Temperaturbereinigung anpeilt.
Auch nicht, wie wählergerecht nationale Regierungen jegliche Art von Dringlichkeit verdrängen. Hier geht es um eine Bilanz der ganz persönlichen Art.
Inwieweit haben Sie und ich und andere Freunde der ökologischen Autoliste die Mainstreamgesellschaft für das klimafreundliche Leben begeistern können?
Als Politologe weiß ich, dass zum Klimaschutz immer zwei gehören. Eine Politik, die sich traut, und eine Gesellschaft, die Mut und Weitsicht belohnt. Deshalb heute mal keine Gedanken zum Elektrorad, sondern zum Elektorat. Auch kein Politik-Bashing. Es geht um Sie und mich.
Wie lebendig ist die Klimakultur wirklich im Energiewende-Deutschland, wo noch vor Kurzem die Photovoltaikmodule blühten? Zunächst ungeschminkt zu unserer größten Niederlage: Obwohl dem Klimaschutz in Umfragen theoretisch die Herzen gehören, wird eine Partei vom Mainstream eher nicht gewählt, wenn sie so richtig Klimaschutz macht oder dies auch nur ankündigt.
Wir, die Klimaschutzliebhaber, haben also Freunde, Verwandte, Nachbarn, Bekannte und die Jungs vom Sportverein nicht wirklich rumgekriegt. Echter Klimaschutz? Das wäre eine klitzekleine ökologische Steuerreform beispielsweise mit Sprit-, Öl- und Gasverteuerung, eben die existenzielle Internalisierung der externen Kosten, weil es eh Sinn macht und der Emissionshandel versagt.
Damit gewinnt man nicht die Herzen des Medien-Boulevards. Die von FAZ und Handelsblatt auch nicht. Setzt man als Partei noch eine Selbstverständlichkeit drauf, nämlich echtes Klimaschutz-Ordnungsrecht, dann ist der Absturz an der Wahlurne sicher: Wer wählt eine Partei, die das Verbot von Kohlekraftwerken fordert, wenn dann die Energiekonzerne toben, die Strompreise für die Industrie steigen und diese mit Abwanderung droht?
Und wer belohnt ein Abgraben der Braunkohlearbeitsplätze, wenn in NRW die SPD und die Gewerkschaften heulen? Wer wählt eine Partei, die ein eiskaltes Verbot von fossilen Heizungen und Isolationshaft für Altbauten fordert, wenn womöglich die Mieten steigen? Und wer wählt eine Partei, die unser Menschenrecht auf billiges Fliegen bedroht und dem Auto eine Spur zu viel abnimmt?
Jedenfalls reicht es nicht für eine Klimaschutz-Mehrheit im Bundestag. Ergo bedeutet das Klimaschutz mit Handbremse: Erneuerbare plus mehr Braunkohle, ein paar neue Fahrradwege plus staatliche Spritschlucker-Subventionen, Energielabel plus fehlende Sanierungsvorschriften, hüh mit ganz viel hott.
Ganz ehrlich: Das entspricht dem Gemütszustand der Mehrheitsgesellschaft und ist wahrscheinlich recht demokratisch. Heißt aber leider: Wir haben versagt. Insbesondere ich, weil ich an die Kraft der Überzeugung glaube.
Jetzt zu den großen Erfolgen unserer Bemühungen um Klimakultur: die Auto-Umweltliste vom VCD. Damit habe ich vor Jahren meine Mutter überzeugt, ein Spritsparauto zu kaufen. Das durfte ich diesen Sommer ausleihen. Ich fuhr nach Kroatien runter und rauf mit einem Schnitt von 3,1 Litern, vier Leuten und Gepäck. Das ist Vorsprung durch Technik mit einem Oldtimer. Der Wagen wurde vor mehr als zehn Jahren gebaut. Vor mehr als 15 Jahren entwickelt.
Jetzt lese ich in der Liste, dass es nach all den Jahren zum ersten Mal wieder einen Neuwagen gibt, der auf dem Papier 3,0 Liter verbraucht. Womit sich die Auto-Umweltliste als unsere zweite Niederlage in Sachen Klimaschutz herausstellt. Die wirkliche Entwicklung der Fahrzeugflotte ist aus der Perspektive eines Drei-Liter-Autofahrers deprimierend.
Autos haben Bluetooth, können selbstständig einparken und haben den Verbrauch im Testzyklus optimiert. Aber würde man sie an der Entwicklung im Computerbereich der letzten 30 Jahre messen, dann wären sie leider auf niedrigem Niveau stehengeblieben – irgendwo zwischen elektrischer Schreibmaschine und Atari.
MARTIN UNFRIED
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