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DenkmalschutzObjekt 38937 steht vor dem Abbruch

Die Hochbunker verschwinden aus dem Hamburger Stadtbild und mit ihnen die Erinnerung an den Zweiten Weltkrieg. Das ist die Sorge von Michael Berndt.

Naive Malereien an den Wänden des Hochbunkers in Hamburg-Eimsbüttel: Sie zeigen Hamburg, so wie die Menschen es kennen und wie sie hoffen, es nach den Angriffen wieder vorzufinden. Bild: Miguel Ferraz

HAMBURG taz | Das Objekt trägt die Nummer 38937 auf der Liste des Hamburger Denkmalschutzamts. Gebaut wurde dieser Hochbunker von 1940 bis 1942. Es gibt zwei Eingänge – falls ein Eingang nach einem Bombenangriff verschüttet sein sollte. „Wahrscheinlich hat man diesen Bunker hier gebaut, weil die umliegenden Wohnhäuser über keinerlei Kellerräume verfügen, in denen man hätte Luftschutzräume einrichten können“, sagt Michael Berndt und spielt auf die enge Bebauung im Hamburger Stadtteil Eimsbüttel an.

Berndt ist Mitglied des 2006 gegründeten Vereins „Hamburger Unterwelten“ und führt heute ehrenamtlich Gruppen durch den Bunker mit der Hausnummer 10 im Eidelstedter Weg.

„Außerdem waren damals ganz in der Nähe die Philips Röhrenwerke, ein kriegswichtiger Betrieb. Auch das mag eine Rolle gespielt haben.“

Nummer 38937 soll weg

Drei Bunker ganz in der Nähe wurden in den letzten Jahren bereits abgebrochen und nun soll Nummer 38937 folgen. Soll Platz machen für den benachbarten Spielplatz, der wiederum Platz machen soll für einen Neubau des benachbarten Pharmaunternehmens Beyersdorf. Die Politik hat Zustimmung signalisiert. Nur das Denkmalschutzamt erkennt die Besonderheit dieses Bunkers an. „Natürlich muss man nicht jeden Bunker stehen lassen, denn nicht jeder Bunker ist erhaltenswert“, sagt Berndt. „Aber dieser hier ist in seiner Art besonders und einzigartig.“

Er legt seine Hand an eine der Wände: „Ein Meter und zehn die Außenwände; einen Meter und vierzig die oberste Decke, um den direkten Treffer einer Fliegerbombe auszuhalten.“ Die vier Stockwerke sind durch zahlreiche Innenwände in kleine Zimmer unterteilt. „Hier sollten jeweils kleine Gemeinschaften wie Familien untergebracht werden“, erklärt er. „Stellen Sie sich viele Menschen in einem großen Bunkerraum vor: Wenn da einer die Panik bekommt, das kriegen sie nicht mehr unter Kontrolle.“ Der Eimsbütteler Bunker sei der einzige Bunker in Hamburg, in dem diese Baustruktur noch sichtbar sei.

Noch etwas ist hier besonders: Die Wände sind mit Szenen aus dem Hamburger Stadtbild bemalt – etwa mit einem Aalverkäufer am Hafen oder Frauen mit Körben. „Wir erklären uns das so, dass diese teilweise sehr naiven Malereien die Menschen beruhigen sollten. Sie zeigen Hamburg, so wie sie es kennen und wie sie hofften, es nach dem Angriff wieder heil vorzufinden“, sagt Berndt. 15 solcher Wandbilder gibt es im Bunker – plus einem, dass noch nicht komplett freigelegt wurde. Gut möglich, dass sich noch weitere Bilder unter der später aufgetragenen, weißen Wandfarbe befinden.

Für 750 Menschen war der Bunker gedacht. „Aber nach dem, was wir wissen, waren es bei Angriffen dreimal so viele“, sagt Berndt und zeigt auf die Treppenstufen: „Man muss sich vorstellen, dass dann hier überall Menschen saßen und warteten, bis der Angriff vorbei war.“

Und was war nach dem 8. Mai 1945? „Unter der britischen Militärregierung wurde dieser Bunker zunächst Kleiderkammer für Verfolgte des NS-Regimes – also für freigelassene Kriegsgefangene und Zwangsarbeiter“, erzählt Berndt. „Die konnten sich hier neu einkleiden, vielleicht auch verpflegen, bevor es dann zurück in ihre Heimatländer ging.“ Er weist auf eine der Türen, auf denen eingeritzte Striche und Zahlen zu sehen sind. „Es gibt Türen, auf denen steht ’167 Paar‘ – was auch immer. Oder ’100 Wolldecken‘ oder ’Drei Pelzmäntel‘.“

Überhaupt, die Türen! In einem Nebenraum haben Berndt und seine Kollegen damals, als sie 2012 den Bunker für ihre Führungen überlassen bekamen, nahezu alle Türen für die vielen kleinen Räume gefunden. Gut 150 Stück bestens erhalten – im Originalzustand. Die haben sie alle an einem Wochenende wieder eingehängt. Auch das gebe es sonst in keinem anderen Hamburger Bunker, sagt Berndt.

Als die Kleiderkammer geschlossen werden konnte, wurde das Gebäude von einer Druckerei genutzt. An der Stirnseite wurden tiefe Fenster in die eben noch geschlossene Außenhülle gefräst, denn dieser Bunker sollte schließlich nie wieder für militärische Zwecke zu nutzen sein. Auf die Druckerei folgte Anfang der 50er Jahre für Jahrzehnte der Hamburger Musikverlag Sikorski, der hier seine Notenblätter lagerte. „Das hat dem Bunker sehr gut getan, denn Sikorski hat eine Heizung einbauen lassen, hat den Bunker auch gut durchlüftet, denn dass Notenpapier musste ja trocken gelagert werden. Daher ist der Bunker heute in einem so guten Zustand“, sagt Berndt.

Kein Mieter in Sicht

Sikorski ist mittlerweile draußen und der Bunker, der der Stadt Hamburg gehört, wird von der stadteigenen Sprinkenhof AG verwaltet. Die sucht seit Jahren einen Mieter, findet aber keinen. Darum kann der Hamburger Unterwelten Verein den Bunker seit Herbst 2012 für ihre Führungen nutzen und übernimmt im Gegenzug die Kosten für Strom und Wasser. „Sollte die Sprinkenhof einen Mieter finden, müssten wir innerhalb von zwei Wochen den Bunker räumen“, sagt Berndt. Aber danach sieht es nicht aus.

Berndt und seine Mitstreiter haben sich jetzt etwas ausgedacht: Man könne den Bunker in einen Kulturbunker umfunktionieren. Mit Kletterwand und Spielraum für Kinder auf dem Bunkerdach. Auch ein kleines Stadtteilcafé im Erdgeschoss wäre möglich. Eine Architektin habe bereits ein Konzept vorgelegt. Und noch haben sie die Hoffnung nicht aufgegeben, dass sich die politisch Verantwortlichen ihre Pläne wenigstens mal anschauen, mit ihnen ins Gespräch kommen und der heute nahezu komplett mit Efeu überwachsene Bunker doch noch erhalten bleibt. Denn von den ehemals 80 Hochbunkern in Hamburg gibt es heute vielleicht noch 60, schätzt Berndt. Und es werden von Jahr zu Jahr weniger.

„Bunker sind unübersehbare Erinnerungen an den Krieg. Sie stehen da und lassen sich nicht verstecken“, sagt er. „Verschwinden sie, verschwindet auch ein Stück Erinnerung aus unserem Stadtbild.“

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