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Demonstration gegen ResidenzpflichtZu Fuß von Würzburg nach Berlin

Asylsuchende demonstrieren gegen die Residenzpflicht und marschieren von Würzburg nach Berlin. Einen kleinen Teil der Strecke haben sie bereits geschafft.

Ein paar Schuhe wird die Demo wohl kosten. Bild: kumprinxCC-BY

MÜNCHEN taz | Die ersten vierzig Kilometer haben die Flüchtlinge und ihre Unterstützer schon hinter sich gebracht. Von Samstag auf Sonntag marschierten sie von Würzburg nach Schweinfurt, um gegen die ihnen auferlegte Residenzpflicht zu protestieren.

Am Montag ging es weiter in Richtung der bayerisch-thüringischen Landesgrenze. Dort wird der Demonstrationszug wohl am Mittwoch eintreffen. In gut einem Monat wollen die Teilnehmer in Berlin sein und so ihren Ärger über die restriktive Flüchtlingspolitik in die Hauptstadt tragen.

„Die Residenzpflicht für Asylsuchende gehört zu den unmenschlichsten Gesetzen Deutschlands“, sagt Houner Hedyatzadeh, einer der Flüchtlinge. Es legt fest, dass Asylbewerber, abhängig von ihrem Aufenthaltsstatus und der Auslegung des jeweiligen Bundeslandes, den Landkreis, Regierungsbezirk oder das Bundesland, in dem sie untergebracht sind, nicht verlassen dürfen, ohne vorher eine Sondergenehmigung zu beantragen. Besonders streng wird die Regelung in Bayern ausgelegt. Hier endet der legale Bewegungsradius eines Asylsuchenden an der Landkreisgrenze.

Hedayatzadeh, ein 22-jähriger Iraner, lebt seit einem Jahr in Deutschland, er ist in einem Flüchtlingslager in Regensburg untergebracht. Seit Juli beteiligt er sich am Protest bayerischer Asylsuchender, der im März in Würzburg seinen Anfang nahm. Nun marschiert er gemeinsam mit derzeit 27 weiteren Flüchtlingen und rund 30 deutschen Unterstützern ins etwa 500 Kilometer entfernte Berlin.

Kontrolliert wie Tiere

„Wir wollen, dass Bayern uns nicht abschiebt und dass die Lager- und die Residenzpflicht abgeschafft werden“, sagt Hedayatzadeh. Die Lagerpflicht zwingt bayerische Asylsuchende, in teilweise heruntergekommenen Sammelunterkünften zu leben, anstatt sich selbst eine Bleibe suchen zu dürfen. „Wir leben in ständiger Abhängigkeit von der Regierung – wie Tiere. Wir sind aber Menschen und wollen auch so behandelt werden.“

Mit ihrem Marsch nach Berlin wollen die Flüchtlinge die Residenzpflicht bewusst brechen. Sie haben absichtlich keine Sondergenehmigung beantragt. In jeder Stadt auf dem Weg sollen neue Flüchtlinge und Unterstützer dazustoßen. Bislang hat die bayerische Polizei die Demonstranten friedlich ziehen lassen. „Wir erwarten aber, dass an der Grenze zwischen Bayern und Thüringen etwas passieren wird“, vermutet Hedayatzadeh. Den Demonstranten wäre es recht, denn so würde die Aufmerksamkeit steigen, die der Aktion zuteilwird.

Beim zuständigen Polizeipräsidium in München sieht man derweil keine Notwendigkeit einzugreifen. „Von unserer Seite ist nichts geplant“, sagt Polizeisprecher Andreas Luxem der taz. „Uns sind alle Beteiligten namentlich bekannt.“ Jede Verletzung der Residenzpflicht werde zur Anzeige gebracht. „Dazu ist es aber nicht notwendig, dass wir die Asylsuchenden festnehmen.“ Wie mit der Anzeige verfahren werde, sei schließlich Sache der Staatsanwaltschaft und der Gerichte. Änderungsbedarf an der Residenzpflicht sieht man im bayerischen Innenministerium nicht.

Anmerkung der Redaktion: Die Überschrift lautete zunächst „Von München nach Berlin“. Das ist falsch, der Marsch geht von Würzburg nach Berlin. Wir bitten, den Fehler zu entschuldigen.

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12 Kommentare

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  • H
    H.Ewerth

    Ich fürchte nicht die Rückkehr der Faschisten in der Maske der Faschisten, sondern die Rückkehr der Faschisten in der Maske der Demokraten. Manchmal frage ich mich wirklich, leben wir in einer Demokratie und in einem Rechtsstaat, von dem eine Mehrheit der Bürger in Deutschland noch immer nichts weiß oder wissen will? Manche Kommentare lassen, keinen anderen Eindruck zu.

  • A
    Asyl

    @Phaeno

     

    Es gibt und gab sehr gute Gründe für die Residenzpflicht. Zum einen werden sie Asylsuchenden so halbwegs gleichmäßig im Land verteilt und die finanziellen und gesellschaftlichen Lasten für Kommunen und Bundesländer ebenso. Eine Ghettobildung oder Bildung von Parallelgesellschaften ist im Zuge der Integration gerade nicht gewünscht, und wird so erst einmal verhindert. Bei berichtigten Asylgründen, die ja kaum jemand hat, entfällt nach Anerkennung ja die Residenzpflicht.

     

    Zum anderen verhindert die R., dass Asylsuchende sofort in Deutschland untertauchen können und sich so dem Asylverfahren entziehen. Vor allem für die 95% Wirtschaftsflüchtlinge ohne Asylgrund ist das wahrscheinlich, da ihnen die rechtmäßige Abschiebung droht.

  • P
    Phaeno

    Von besonderem Zynismus ist es, davon zu faseln, dass es für die Residenzpflicht Gründe gäbe.

    In der Tat gab es einen Grund: Der Mob in Lichtenhagen, denn daraus resultierten die Verschärfungen im Asylbewerbergesetz.

    Und der Vorwurf an die Demonstranten, sie würden sich nicht an die Gesetze halten, verkennt, dass die Regierungen jahrelang gegen die Verfassung und das Gebot der Menschenwürde verstossen haben, wie uns das Verfassungsgericht vor Kurzem erst mitgeteilt hatte.

    Der Versuch auch hier im Kommentarbereich, den Asylbewerbern einfachste Grundrechte vorzuenthalten, zeigt die xenophobe Haltung eines nicht unerheblichen Teils der Bevölkerung.

  • SR
    seriöse recherche unmöglich?

    Sehr geehrte Frau Halser, wie viel Zeit haben Sie sich für diesen Artikel genommen?

    Im Nachhinein die Überschrift zu ändern bringt auch nichts, wenn darunter noch immer steht, dass der Flüchtlingsmarsch in München begann. Die Liste der Fehler in diesem Artikel könnte man um mind. 4 weitere Punkte erweitern.

    Der Protestmarsch geht nach Berlin, aus der die taz stammt. Peinlich, wenn schon jetzt zu diesem Thema so wenig und dazu noch mangelhaft Recherchiertes an die Öffentlichkeit gelangt!

  • J
    Jasemin

    Kein Mensch ist illegal !

     

    Ich habe gerade Geld für den Marsch gespendet.

    Finde ich eine super unterstützenswerte Sache.

    Wer mehr lesen will oder auch Geld spenden will

    hier ist die Seite des Protestmarsches der Flüchtlinge

    www.refugeetentaction.net

     

    Coole Leute ! Coole Aktion !

    einfach im Geist der Zeit !

    Move on and good luck to everybody of you

  • P
    Paul

    Für die Residenzpflicht gibt es sehr gute Gründe, die hätten sie hier erwähnen sollen, um den Beitrag nicht einseitig zu halten. Wer dagegen verstößt sollte umgehend ausgewiesen werden, denn wer sich schon an solche einfachen Gesetze nicht hält, ist in Deutschland nicht willkommen.

  • AU
    @Asyl und ALG II

    In ihrer Darstellung fehlt noch, wer ohne Genehmigung (Beamtenwillkürliche Zustimmung oder Ablehnung), als ALGII H4 Transferempfänger ausserhalb der EAO Errichbarkeitsanordnung befindet, dort durch einen Unfall im Krankenhaus liegt, muss sämtliche Kosten der OP und andere Kosten privat übernehmen.

    Die EAO ist mit sämtlichen Systemen gekoppelt. Ebenso meldet die BaFin personenbezogen sämtliche Zinsbefreiungsaufträge den einzelnen Gemeinden. Und da regt sich jemand über CDs aus der Schweiz auf?

     

    ALG II ist defacto der offene Strafvollzug, das haben schon diverse Rechtsanwälte umfangreich festgestellt.

    Die nächsten vor Gericht zu urteilende Inhalte, Zuflussprinzip.

    So müssen Aufstocker eine zurückliegende Lohnsteuererstattung dem Amt zahlen, auch wenn zu dem damaligen Zeitpunkt kein Transfer statt fand. Bsp. Zeitarbeit, ein Jahr mal guter Lohn, das nächste Jahr weniger guten Lohn und als Aufstocker.

     

    Spannender werden die Fragen um das sogenannte verwertbare Vermögen.

     

    Die Vorgänge entsprechen halbwegs der damaligen, deutsch tradierten Enteignung.

  • DH
    Dr.Klaus Heine

    Seit wann gehört der "Freistaat Bayern" denn noch zur Bundesrepublik Deutschland? Waren "DIE" nicht schon unter "König" Franz Josef Strauss ausgetreten? Das war doch auch immer so peinlich.

    ;-))

  • AU
    Asyl und ALG II

    Keinesfalls möchte ich die Umstände der Asylbewerber in Deutschland mit denen der ALG-II-Bezieher gegeneinander ausspielend vergleichen, aber ich möchte doch ergänzend darauf hinweisen, dass sich ALG II-Bezieher auch nicht ohne Genehmigung (durch das Jobcenter) vom Wohnort entfernen dürfen. Bei Ortsabwesenheit ohne Zustimmung erfolgen harte finanzielle Sanktionen (bis zu 100%) und das nicht nur für die Zeit der Ortsabwesenheit, sondern teilweise auch im Anschluss der Ortsabwesenheit für nicht wahrgenommene Termine, die in der Zeit der Ortsabwesenheit lagen.

     

    Hier habe ich eine/die Definition zum Nahbereich des Arbeitslosen gefunden:

     

    "...im Nahbereich des Arbeitsamtes aufhält. Zum Nahbereich gehören alle Orte in der Umgebung des

    Arbeitsamtes, von denen aus der Arbeitslose erforderlichenfalls in der Lage wäre, das Arbeitsamt täglich ohne unzumutbaren Aufwand zu erreichen." Außerdem muss man postalisch täglich erreichbar sein. Auch wenn man (zuhause) seit Jahren auf eine erfolgreiche Vermittlung des Jobcenters oder Weiterbildungsmaßnahmen wartet. Es werden auch nur

     

    Dennoch: ALG II-BezieherInnen können im Vergleich zu AsylbewerberInnen nicht eingesperrt oder des Landes verwiesen werden. Auch müssen sie nicht in Lagern leben.

     

    Mir kommt es so vor, als wenn es in Deutschland bewusst mehrere Stufen der Armut und Abhängigkeit gibt! ALG II-BezieherInnen dürfen z.B. auch nur mit Genehmigung des Jobcenters umziehen und das wiederum nur in bestimmte Wohnungen. Für bereits eingebürgerte oder gebürtige Deutsche fallen die Strafmaßnahmen entsprechend anders aus, aber kontrolliert, gemahnt und gestraft wird auch hier.

     

    Toll, dass diese Asylbewerber sich trauen, an dem Marsch nach Berlin teilzunehmen. Es steht da für jeden einzelnen Asylbewerber doch so einiges auf dem Spiel...

     

    Ich hoffe sehr, dass die Aktion politisch und menschlich etwas bewirkt!

  • F
    Flujo

    Respekt vor dieser tollten und mutigen Aktion! Vor allem die Flüchtlinge haben Represalien zu befürchten, die sich auf ihr Asylverfahren auswirken kann.

    Daher endlich diese rassistische und unsägliche Residenzpflicht abschaffen! Vergleichbares gab es nur im Apartheitsregime in Südafrika.

    Residenzpflicht abschaffen!

    Bleiberecht für alle!

    Bewegung und freie Wahl des Aufenthaltsortes ist ein Menschenrecht, vor allen Dingen wenn die Wahl nicht freiwillig ist, aufgrund von Krieg, Hunger, Verfolgung oder einfach einer Lebensperspektive.

  • I
    Interpretator

    Soll man sie bewundern, dass sie, nachdem Deutschland sie vor Tod, Hunger, Vergewaltigung, Folter schützt, sich nicht damit zufrieden geben, geschützt zu sein, sondern Anspruch erheben auch auf Rechte, die wesentlich weniger fundamental sind als diejenigen, die ihnen in unserem Land selbstverständlich gewährt werden und aufgrund deren Fehlens sie zu uns geflüchtet sind. Oder soll man sich ärgern über den Vorwurf, der in dieser Aktion liegt, und den man vielleicht als Undankbarkeit identifizieren möchte. Auch im Vergleich zur Behandlung von Flüchtlingen in der Türkei, Griechenland oder Italien. Schwierig...

  • PP
    peter pa

    Viel Glück den Wanderern.

     

    Rechtsextreme Internetseiten mit einigen hunderttausend Besuchern pro Monat verbreiten die Mär, in Deutschland gäbe es eine knappe Million Zuwanderer jedes Jahr. Eigentlich müsste das diesen Leichtgläubigen ja spanisch vorkommen, mehr als ein Prozent "neue Leute" jedes Jahr. Kommt ihnen aber nicht spanisch vor.

     

    Asyl- und Zuwanderungsthemen sind vielleicht die Themen, mit denen man am besten polarisieren kann und worauf die meisten Menschen ansprechen, da kann man endlich mal wieder die voruteile auspacken.

     

    Und ca. 97% der " das Boot ist voll"-Verfechter haben, ausser in der Gastronomie, wahrscheinlich noch nie mit einem Türken, Afghanen, Somalier, Subsahra-Afrikaner, Albaner, Kosovaren, Peruaner... gesprochen.

     

    Und pflegen glücklich ( nein, unglücklich, unzufrieden mit ihrem Leben und neidzerfressen auf Leute, die " weltoffen" leben können) ihr Leben.