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Debatte um Pfarrerin in DänemarkVerständnis für Terroristen von Oslo

Eine protestantische Pfarrerin in Dänemark hält die Tat des Norwegers Breivik für "wohlbegründet". Die Kirche schweigt, Islamkritiker stimmen zu.

Trauer in Norwegen, Diskussion in Dänemark. Bild: dapd

STOCKHOLM taz | Es sei zutiefst beunruhigend, dass jemand überhaupt die Frage stellen könne, wo der Hass eines Anders Breivik herkomme: Es ist der "Multikulturalismus". Seit den Kreuzzügen sei klar, dass das christliche mit dem muslimische Menschenbild nicht zusammenpasse. Wo sie aufeinanderstoßen, gebe es Spannungen und offenen Kampf. Geschrieben hat diese Sätze Sørine Gotfredsen, Vertreterin der protestantischen dänischen Staatskirche und Pfarrerin der Jesuskirche im Kopenhagener Stadtteil Valby.

Schon früher mit islamfeindlichen Äußerungen aufgetreten, wurde ihr von der konservativen dänischen Berlingske Tidende eine Woche nach den Terrortaten von Oslo Platz für einen Debattenbeitrag eingeräumt. Dort argumentiert sie, "dass das Massaker von Utøya unausweichlich und wohlbegründet sei", fasst die Kopenhagener Politiken zusammen.

Und fügt hinzu: "Sie war wohl kaum psychotisch, als sie dies schrieb." Berlingske Tidende sah sich mittlerweile veranlasst durch Chefredakteurin Lisbeth Knudsen klarzustellen, dass eine solche Meinung "in keinster Weise" dem Standpunkt der Zeitung entspreche.

Auf eine Distanzierung seitens der "Folkekirken", der größten dänischen Kirchengemeinschaft, der vier von fünf DänInnen angehören, wartet man bislang aber vergebens. Gotfredsens Äußerungen hätten nichts mit ihrer Amtsausübung zu tun, lässt der Kirchenvorstand der Jesuskirche Valby wissen.

Gotfredsen, die Breivik eine "glänzende Rationalität" bescheinigt und weitere Massaker vorhersieht, erhält vielmehr Zustimmung von Mitgliedern des islamkritischen Netzwerks der Kirche ("Islamkritisk Netværk i Folkekirken"), dem nach eigener Aussage 124 Pfarrer und Theologen angehören. Von ihnen erklären sich mehrere gegenüber dem Kristeligt Dagblad als einig mit Gotfredsen oder zeigen Verständnis für deren Äußerungen.

Selbst der rechtspopulistischen "Dänischen Volkspartei" geht der Versuch, die Handlung eines Massenmörders als rational darzustellen, zu weit. Sie schätze Gotfredsen, erklärt deren Chefin Pia Kjærsgaard: "Aber hier bin ich nicht mit ihr einig. Man soll nicht versuchen, in einem kranken Hirn zu forschen."

Die Pfarrerin selbst meint teilweise missverstanden worden zu sein. Und strategisch ungünstig sei der zu frühe Veröffentlichungszeitpunkt ihres Beitrags gewesen. Es gehe nicht um Ton und Timing, erwidert ein Pfarrerkollege in Politiken: Gotfredsen gebe auch noch den Ermordeten die Schuld für den Hass ihres Mörders.

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17 Kommentare

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  • RR
    Robert R

    @Häää

     

    > "Seit den Kreuzzügen sei klar, dass das christliche

    > mit dem muslimische Menschenbild nicht

    > zusammenpasse. Wo sie aufeinanderstoßen, gebe es

    > Spannungen und offenen Kampf."

    >

    > Naja, bei allem Respekt für die opfer, aber das ist > eine historische Tatsache.

     

    Nein - Spannungen und offenen Kampf gab es immer nur, wenn die Fundis gegen diejenigen hetzten, die friedliche Wege suchten: auf "christlicher" Seite: z.B. Friedrich II, Alfons X.

  • MK
    Michael Klein

    Sollte es ein ewiges Gericht geben, diese Pfarrerin hat allen Grund davor zu zittern! Die Lehre von Jesus-Christus hat sie auf abartigste und perverseste Weise beschmutzt! Sie sollte mal sich seine Worte zu Gemüte führen: "Du willst den Splitter aus dem Auge Deines Bruders entfernen, aber den Balken in Deinem Auge siehst Du nicht, Du Heuchler!"

    Oder "Gott widersteht den Hochmütigen, den Demütigen aber schenkt er Gnade!" 1. Petrusbrief, Kapitel 5, Vers 5!

  • DB
    Daniel Bernstein

    Ironischerweise ist Frau Sørine Gotfredsen Pfarrer in einer Kirche, die über und über mit HAKENKREUZEN dekoriert ist. (Jesuskirche in kopengagen/Valby, welche mit Geldern des Brauers Jacobsen [Carlsberg] anfang 1900 gebaut wurde, Das Warenzeichen der Brauerei war das Hakenkreuz, es wurde später entfernt, jedoch nicht aus der Kirche).

     

    Ausser Sørine Gotfredsen gibt es etliche Pfarrer, welche auf der extremen Rechten beheimatet sind, so auch Søren Krarup und sein Vetter Jesper Langballe. Alle sind Mitglieder der fundamentallutheranischen Vereins "Tidehverv".

     

    Krarup stand vor einigen Jahren für die Neuherausgabe und Neuübersetzung von M. Luthers antisemitschem Machwerk "ûber die Juden und ihre Lügen" auf dänisch.

     

    Tidehverv und diese schwarzbraunen Pfarrer sind nicht nur ewiggestrig, sie sind radikale Nationalisten, fundamentalistische Christen (sie lehnen Nächstenliebe und Menschenrechte ab) und eben auch, direkt unter der Oberfläche, Antisemiten, die sich dann über der Oberfläche als Antimuslime und Freunde Israels ausgeben.

  • H
    Häää?

    "Seit den Kreuzzügen sei klar, dass das christliche mit dem muslimische Menschenbild nicht zusammenpasse. Wo sie aufeinanderstoßen, gebe es Spannungen und offenen Kampf."

     

    Naja, bei allem Respekt für die opfer, aber das ist eine historische Tatsache. Spannungen und offenen Kampf kann man es ja wohl alles nennen. Vom Einmarsch islamischer Armeen in Spanien, der zerstörung der Grabeskirche in jerusalem, den Überfällen auf christzliche Pilger bis zu den Kreuzzügen. Dann die islamische Expansion der Osmanen. Von den heute täglischen Beleidigungen nicht verhülter Mädchen in Westeuropa, No-Go-Gegenden für Europäer in Europa, über den Massenmord an den Christen im nahen Osten bis eben zum Attentat Breiviks auf Jugendliche die Mitglieder einer Jugendorganisation der norwegischen Sozialdemokraten waren und stets vorgeschickt wurden um Positionen zu vertreten die man aus Sorge sozialdemokratische Wähler aus multikulturellen Bezirken zu verlieren stets vorschickte um multikulturelle Politik zu verteidigen und zu propagieren. Deshalb hat Breivik sie ja so gehasst und so viele umgebracht. Das kann man ja wohl locker Spannungen und offenen Kampf nennen. Rational gehandelt hat er ja doch auch ganz klar. In seiner Überzeugungswelt war die Sache klar und er ist ja nicht mit Schaum vor dem Mund irgendwie planlos ballernd durch die Fußgängerzone von Oslo gerannt sondern plante sehr sorgfältig. Das ist doch kein geistig kranker Irrer im medizinischen Sinn. Man kann doch gar nicht leugnen, daß es Mißstände des Multikulturalismus sind welche ihn so rasend machten. Bei uns will man sie schließlich mit "Integration" beheben. Wenn es sie nicht gibt, dann frage ich mich wozu man die ganze Kohle ausgibt. Breivik wollte es in einem wirren Plan mit Gewalt lösen. Mir ist es zu blöd mir irgendein Manifest eines solchen Spinners durchzulesen, aber es kann doch durchaus rational sein. Das macht es doch nicht richtig. Jetzt durchzudrehen wenn jemand das Wort Multikulturalismus in den Mund nimmt ist doch nur ein Kampf um Deutungshoheit und eine Instrumentalisierung des Massenmordes für politische Zwecke. Genau damit legt man aber den Grundstein für den nächsten Breivik. Es sind immer ein paar Mißstände die wenn es verboten wird über sie zu sprechen oder abzustimmen irgendwann Spinner und Gewalttäter produzieren. Das sollte eine mit der geschichte derRAF so eng verbundene Zeitung wie die taz eigentlich am besten wissen.

  • A
    achimz

    Immer langsam mit den jungen Pferden.

     

    Mein Dänisch ist zwar nicht so grandios, aber ich denke so wie sie es gesagt hat muss es nicht unbedingt heißen dass sie das Handeln des Attentäters "wohlbegründet" genannt hat im Sinne von "er hatte recht es zu tun", sondern lediglich, dass er kein durchgeknallter psychisch Kranker ist, sondern ein voll zurechnungsfähiger Täter der aufgrund von "rationalen" Erwägungen/Schlussfolgerungen (so fehlerhaft sie auch sein mögen) gehandelt hat. Und man ihn deswegen auch (im Gerichtsprozess) nicht als psychisch Kranken behandeln soll.

     

    Aber wenn die TAZ gerade zwecks Kampf gegen Rechts[tm] hyperventiliert, bleibt für eine einen gelassenen Faktencheck natürlich keine Zeit...

  • K
    kris

    @Erstaunlich,sie sind also auch die media-control-Falle getappt! Fakt ist,dass seitdem 9-11 mehr nichtchristliche Menschen getötet worden sind, aber eben solche Fakten sind eben nicht nachvollziehbar,weil man dann die Haltung gewisser westlicher Regierung mit ihren Angriffskriegen, erklären müsste, daher ist die Islamophobie-Haltung eine gute Ablenkung!

     

    Aber eben solche Diskussionsstoff ist jedem in der westlichen Welt lebenden ein Greul!

  • E
    Erstaunlich

    Es ist erstaunlich. Ein Anschlag führt zu einer riesen Diskussion.

     

    Jeden Tag werden in der islamischen Welt Christen verfolgt, gefoltert, getötet etc.

     

    Warum lösen diese Vorfälle keine Diskussion aus?

     

    Wirklich erstaunlich.

  • K
    kris

    Einmal mehr ein Beweis,dass Religionen Opium für's Volk ist. Weiter auch ein Beweis,dass der christliche Fundamentalismus eigentlich die Bedrohung für Europa ist und die Islamophobie nur eine Ablenkung darstellt.

     

    Aber eben, gewisse Dänen essen einfach zuviel Pølser, da muss sowas wohl dabei rauskommen.

  • WR
    Weiße Rose

    Wieviel Menschen müssen noch ihr Leben lassen für diesen Glaubenswahn? Gerade die monotheistischen Religionen zeigen immer wieder ihre gemeinsame faschistoide Herkunft. Da wird seit Jahrtausenden im Namen Gottes gemordet und gebrandschatzt. Fast täglich gehen Bomben - religiös motiviert - irgendwo auf der Welt hoch. Selbst die systematischen sexuellen Übergriffe und Misshandlungen durch Würdenträger reichen nicht, um diesem Treiben endlich Einhalt zu gebieten. Da wird weiterhin von allen Seiten Hass gepredigt und Zwietracht gesät.

     

    Dabei ist Gott nicht nur tot - Er hat nie existiert.

  • M
    mimi-kri

    schafft endlich die religionen ab - alle!

  • A
    antiantiantianti

    Das Schwierige bei der Erklärung einer Unzurechnungsfähigkeit des Täters ist seine lange Vorbereitungszeit. Wenn jemand 9 Jahre lang solch einen Anschlag plant, dann wäre bei einer Geisteskrankheit schon längst vorher eine starke Auffälligkeit aufgetreten.

  • R
    roterbaron

    Massenmord wird wieder Salonfähig und am Ende war es wieder niemand!

     

    Wiederwärtig!

    Abstoßend!

    Und zutiefst beunruhigend und sind solche Sätze!

  • M
    Manfred

    Ich hatte die ersten Seiten des sog. Manifests überflogen, nach dem Teil, wo er die Rezeption der Frankfurter Schule für das Entstehen des Feminisums verantwortlich macht und der Feminismus ist eh Teufelszeug hatte ich den Eindruck, da macht einer die Existenz von Feuerwehrautos für das Entstehen von Bränden verantwortlich.

    Das ist eine derartig dämliche Position, die kann man nicht einmal mehr lächerlich machen, was zugegeben auch ein Problem ist.

  • R
    Riin

    Ohoh, eine Hasspredigerin, die Terroristen ausbildet und bestimmt Kontakt zu Ausbildungslagern in den USA hat. Ich bin dafür, sie vom Verfassungsschutz überwachen zu lassen. Ach ja, und wir sollten dringend darüber diskutieren, ob Kirche wirklich Kirchtürme brauchen und ob Lehrerinnen Kreuzketten tragen dürfen oder ob sie Kinder zu den Massenmördern der Zukunft ausbilden.

     

    Wenn die Konservativen schon jedes Mal an die Decke gehen, wenn man auch nur erwähnt, dass Breivik Christ ist, sollten wir ihnen wenigstens einen richtigen Grund geben, sich aufzuregen.

  • S
    Sunny

    Diese Islamophoben sind schon wunderlich.

     

    Wohlbegründet ist, wenn ein Islam-Hasser Menschen umbringt, die vermutlich keine Islam-Hasser sind.

     

    Tja, zumindest wird klar, dass jede Diskussion mit solchen Leuten vergeudete Zeit ist.

  • KS
    K. S.

    »Schon früher mit islamfeindlichen Äußerungen aufgetreten, wurde ihr von der konservativen dänischen Berlingske Tidende eine Woche nach den Terrortaten von Oslo Platz für einen Debattenbeitrag eingeräumt.«

     

    Guter Artikel, nur bittet euren copy editor einmal, die Texte verstärkt auf grammatikalische Anglizismen -- hier ein auf einem past participle beruhender Nebensatz -- zu überprüfen. Sehe ich in letzter Zeit häufiger bei euch.

     

    Ich verstehe ja, dass ihr viele englischsprachige Medien konsumiert und das hin und wieder abfärbt. Dort ist dieser Satzbau am Anfang von Paragrafen sehr beliebt, ich weiß. In deren Sprache aber auch möglich.

     

    Im Deutschen könnte man hier Subjekt und Subjunktion einfügen, z.B. »nachdem sie schon früher mit islamfeindlichen Äußerungen aufgetreten war, ...«, nur ist die Satzaussage so nicht ganz dieselbe, da »nachdem« temporal und kausal verstanden wird und dies der Intention des Autors vielleicht widersprechen würde.

     

    Warum also nicht zwei Sätze? »Die Pfarrerin war schon früher mit islamfeindlichen Äußerungen aufgetreten. Nun wurde ihr ...« oder so. Kommunikation wird durch Komplexität nicht besser sondern schwächer.

     

    Bitte einfach, wenn's auch einfach geht. Lehnwörter finde ich schön, aber die einem Text zugrunde liegende und alles miteinander verbindende Grammatik, der Schlüssel zum Verständnis, sollte schon einheitlich dieselbe sein.

  • K
    Kaboom

    Das die Kirchen eine "offene Flanke" am rechten Rand haben ist nun wirklich weder etwas neues, noch sonderlich überraschend. Die Dame steht in einer Reihe mit der deutschen Reichskirche oder der Pius-Bruderschaft. Ekelhaft zwar, aber d'accord to alten kirchlichen Traditionen.