Debatte um Föderalismusreform: Große Kooperation in Sicht
Arbeiten Bund und Länder bei der Bildung bald wieder zusammen? Der designierte CDU-Landeschef in Schleswig-Holstein will dazu eine Bundesratsinitiative anstoßen.
OLDENBURG/HOLSTEIN taz | Bund und Länder sollen ihre Beziehungsprobleme im Schul- und Hochschulbereich noch in diesem Jahr angehen. Dazu hat der designierte Vorsitzende der schleswig-holsteinischen CDU und Anwärter auf den Posten des Ministerpräsidenten, Jost de Jager, aufgerufen.
Er kündigte an, sein Land werde im November eine Initiative in den Bundesrat einbringen. "Wir brauchen dringend eine geregelte Debatte um die Föderalismusreform", sagte de Jager am Mittwochabend auf der Wissenschaftskonferenz der Bildungsgewerkschaft GEW in Schleswig-Holstein. Wenn die Länder keinen Weg fänden, um die Defizite im Bildungsföderalismus zu lösen, würden es ihnen die Menschen und die Parteien abnehmen.
Im Schul- und Hochschulbereich gehen Bund und Länder seit 2006 getrennte Wege. Auf Drängen der damaligen Unionsministerpräsidenten ist es dem Bund im Zuge der Föderalismusreform verboten, große Investitionen im Bildungsbereich zu tätigen. Denn für Bildung sind allein die Länder zuständig. Das bedeutet: Bundesweite Aktionen, wie das Ganztagsschulprogramm, sind nicht mehr grundgesetzkonform.
Finanziell klamme Länder wie Schleswig-Holstein überfordert dieser Auftrag, wie de Jager, derzeit Minister für Wissenschaft, Wirtschaft und Verkehr, einräumte: "Es fällt uns zunehmend schwer." Ziel einer möglichen Änderung des Grundgesetzes müsse daher in erster Linie eine finanzielle Entlastung der Länder sein. Auf welchem Weg dies geschehen könnte, ließ er zunächst jedoch offen.
Hochschulrektorenkonferenz begrüßte die Initiative
"Man wird darüber reden müssen, ob es klug ist, dass der Bund sich in den Schulen nur an der Nachmittagsbetreuung beteiligt", sagte de Jager auf Nachfrage der taz.
Die Präsidentin der Hochschulrektorenkonferenz (HRK), Margret Wintermantel, begrüßte die geplante Bundesratsinitiative: "Die Länder werden mit Studium und Lehre alleingelassen, das ist ein großes Problem."
Auch auf dem Bildungsparteitag der CDU im November werde das Thema der Zuständigkeiten von Bund und Ländern eine große Rolle spielen, ist de Jager überzeugt: "Wir wären verrückt, wenn wir nicht darüber sprächen."
Andere Parteien sitzen nämlich bereits in den Startlöchern, um diese Debatte in ihrem Sinne voranzutreiben. Auch FDP, Grüne, Linkspartei und die SPD sind dafür, das grundgesetzliche Kooperationsverbot wieder abzuschaffen. Der ebenfalls zur Wissenschaftskonferenz angereiste bildungspolitische Sprecher der SPD-Fraktion im Bundestag, Ernst-Dieter Rossmann, reagierte umgehend auf de Jagers Ankündigung und forderte eine neue Föderalismuskommission.
In dieser säßen dann Vertreter aller Bundesländer und des Bundes und berieten über neue Wege zur Finanzierung von Bildung und Wissenschaft. "Wir sollten nicht nur über einzelne Projekte reden, sondern über Finanzströme", begründete Rossmann seinen Vorstoß.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Hoffnung und Klimakrise
Was wir meinen, wenn wir Hoffnung sagen
Rechte Gewalt in Görlitz
Mutmaßliche Neonazis greifen linke Aktivist*innen an
Spiegel-Kolumnist über Zukunft
„Langfristig ist doch alles super“
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Slowakischer Regierungschef bei Putin im Kreml
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands
Krieg in der Ukraine
„Weihnachtsgrüße“ aus Moskau