Das Geschäft mit dem Öko-Siegel : Finger weg vom Palmöl
Regenwälder werden trotz Öko-Siegeln weiter abgeholzt. Der gute Wille kommt in Asien kaum an.
EUROPA/ASIEN zeo2 | Die Farbe des Protests ist grün. Hedwig Zobel rührt in einem Eimer mit Spülmittel, drückt Seifenschaum aus zwei Putzschwämmen. Die 62-jährige Berlinerin von der Umweltorganisation „Rettet den Regenwald“ protestiert gegen Palmöl, genauer: gegen die Gründung einer Organisation, die den nachhaltigen Anbau von Ölpalmen fördern will. „Für Palmöl wird Regenwald vernichtet“, ruft sie in das Getöse von Trillerpfeifen hinein. Ein Ökosiegel für ein Produkt, für das einst artenreiche Urwälder abgeholzt wurden, sei ein Widerspruch in sich. „Das ist nicht nachhaltig. Das ist Augenwischerei – greenwashing.“
Die Proteste von RobinWood und Urgewald richten sich gegen das Forum Nachhaltiges Palmöl (FONAP). Dort haben sich Industrievertreter organisiert, die in Deutschland, Österreich und der Schweiz Palmöl-haltige Produkte verarbeiten oder vertreiben und zertifiziertem Palmöl zum Durchbruch verhelfen wollen. Auch die Naturschutzorganisation WWF zählt zu den Gründern und setzt dabei eher auf Kooperation als Konfrontation.
Es wirkt auf den ersten Blick paradox: Weltweit wurden 2012 rund 50 Millionen Tonnen aus den Palmfrüchten (Palmöl) und weitere fünf Millionen Tonnen aus ihren Kernen (Palmkernöl) gepresst und verkauft. Davon waren 7,5 Millionen Tonnen zertifiziert – also mit einem Umweltsiegel versehen. Doch von diesen „Qualitäten“ wurden nur 50 Prozent als solche auch abgesetzt, berichtet Daniel May. Der Rest wurde mangels Kundeninteresse als ganz normales Palmöl verkauft. May ist Generalsekretär des FONAP und arbeitet für die Gesellschaft für In- ternationale Zusammenarbeit (GIZ), die dem Entwicklungsministerium unterstellt ist.
Weil so viel zertifiziertes Palmöl verfügbar ist und Deutschland im letzten Jahr lediglich eine Million Tonnen Palm- und 0,2 Millionen Tonnen Palmkernöl verbraucht hat, ist auch das Ziel des Forums weniger ambitioniert, als es klingt. „Bis Ende 2014 wollen unsere Mitglieder nur noch Palmöl einsetzen, das zu 100 Prozent nachhaltig zertifiziert ist“, sagt May.
Schokoriegel, Fertiggerichte, Margarine
Heute sind nach Branchenschätzung 20 bis 30 Prozent zertifiziert. Zu den Mitgliedern zählen etwa der Düsseldorfer Chemieriese Henkel, der PalmkernÖl für seine Waschmittel einsetzt, der niederländische Lebensmittelkonzern Unilever sowie die Kölner Handelsgruppe REWE. Rund die Hälfte aller Produkte eines normalen Supermarktes enthalten nach Branchenauskunft Palmöl: Schokoriegel, Fertiggerichte, Margarine sowie Kosmetika und Putzmittel.
Das Problem: Die ursprünglich aus Westafrika stammende Regenwaldpflanze wird fast ausschließlich in Monokulturen angebaut. Und zudem auf Böden, für die meist Regenwald abgeholzt wurde. Das gilt vor allem für Indonesien und Malaysia, wo zwei Drittel der weltweiten Plantagen stehen. Kein Wunder also, dass viele Konsumenten Probleme mit dem Begriff der Nachhaltigkeit haben, und das Interesse an zertifiziertem Palmöl gering ist – auch wenn nach der Abholzung Sozial- und Umweltstandards eingehalten werden sollten.
Keine Branche sei zwischen 2009 und 2011 stärker an der Abholzung von Regenwäldern in Indonesien beteiligt gewesen als die Palmölindustrie – so analysierte Greenpeace im September. Ein bedeutender Teil fiel dabei in den Verantwortungsbereich von Firmen, die das Umweltsiegel des RSPO (Roundtable on sustainable palmoil) in Anspruch nehmen, wie etwa die in Singapur ansässige Wilmar International.
Beim RSPO handelt es sich um eine Nachhaltigkeitsorganisation der Palmölindustrie. Grundsätzlich kann jede Plantage das Siegel erhalten, für die Regenwald vor dem Stichtag 1. Januar 2007 gerodet wurde. Es müssen dann lediglich einige soziale und ökologische Prinzipien eingehalten werden. Doch obwohl das Logo seit Jahren auf vielen Produkten prangt, räumt RSPO-Präsident und Unilever-Manager Jan Kees Vis ein: „Bisher kann man vor Ort keine Effekte sehen.“ Sprich: Das Siegel hat dem Raubbau kein Ende gesetzt.
Siegel missbrauchen
Noch ernüchternder ist, dass RSPO-Firmen bei der Erschließung neuer Flächen immer wieder Landraub und Menschenrechtsverletzungen vorgeworfen werden. Der Kampf um die Fette hat für manche Bauer und Indigene tödliche Folgen. RSPOChef Vis weiß, dass es schwarze Schafe gibt, die das Siegel missbrauchen, will die Firmen aber nicht an den Pranger stellen und aus der Organisation ausschließen. „Das ist eine Gratwanderung, aber wenn wir die Firmen sofort rauswerfen, wem würde das nutzen? Wer könnte dann helfen, Kompensationen für die betroffenen Gemeinden durchzusetzen? Die Täter würden von der Bildfläche verschwinden und wir hätten keinen Einfluss mehr auf die Situation.“
Der Glaubwürdigkeit des RSPO nützt diese Nachsicht kaum. Und so stellt sich die Frage, was in Deutschland der Einkauf von nach RSPO zertifiziertem Palmöl tatsächlich Positives bewirken kann. Immerhin will sich das FONAP, so May, für schärfere Standards vor Ort aussprechen. Das dürfte dennoch kaum reichen. Denn die Konflikte in Indonesien werden mit Siegeln nicht gelöst.
Laut der Nichtregierungsorganisation Watch Indonesia schwelen dort rund 7.000 ungeklärte und teils blutige Landkonflikte zwischen Palmölfirmen und Indigenen sowie Bauern. Hier könnte die Industrie ihre Bekenntnisse zur Sozial- und Umweltverträglichkeit in die Tat umsetzen. Doch das RSPO-Management verweist stattdessen auf die Verantwortung der indonesischen Regierung. Konsequenter Einsatz für Nachhaltigkeit sieht anders aus.
Und so lässt der Druck auf die Wälder nicht nach. „Es gibt Regenwald, der darauf wartet abgeholzt und in eine Palmöl-Monokultur verwandelt zu werden“, sagt Watch Indonesia-Vertreterin Adriana Sri Adhiati. Die Menschen in Europa würden sich natürlich besser fühlen, wenn sie ein zertifiziertes Produkt kaufen könnten. „Aber wenn das auf Kosten der Menschen auf der anderen Seite der Welt hergestellt wird, ist das nicht nachhaltig “, sagt Adhiati. „Nachhaltigkeit heißt Fairness und muss die Frage nach Gerechtigkeit beantworten.“
NGOs wie „Rettet den Regenwald“ und RobinWood wollen deshalb, dass Palmöl grundsätzlich geächtet wird. Doch auch das ist schwierig, denn das Öl der Palmfrüchte ist das meistverbrauchte Pflanzenfett weltweit – vor Soja- und Rapsöl. Nach Ansicht der GIZ sei es „unmöglich vollständig zu ersetzen.“ Es ist aber nicht nur die Sorge um die Regenwälder, die die Palmöl verwendende Industrie in Europa umtreibt.
Ab Ende 2014 gilt eine neue EU-Richtlinie zur Kennzeichnungspflicht von Lebensmitteln. Die Firmen müssen dann auf den Verpackungen angeben, welche Pflanzenöle genau in ihren Produkten stecken. Bisher reicht es, wenn allgemein von „pflanzlichen Ölen“ die Rede ist. Dann wird zwar jeder Konsument in Europa sofort sehen können, welche Produkte Palmöl enthalten. Doch ein Ende des Raubbaus in Asien wird das kaum bewirken.
Oliver Ristau, der Artikel ist erschienen in der Ausgabe zeo2 1/2014. Den Artikel konnen Sie gerne auf unserer Facebook-Seite diskutieren.