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CDU Wiesbaden gegen AbgeordnetenwatchNicht geliebt - aber ausgezeichnet

Wiesbadener CDU-Politiker sind nicht gut auf Abgeordnetenwatch zu sprechen - auch Familienministerin Schröder nicht. Trotzdem verleiht sie dem Portal einen Preis.

Topp: Ein Bild hat die Wiesbadener Abgeordnete Schröder dennoch bei Abgeordnetenwatch.de hochgeladen. Bild: dapd

BERLIN taz/dpa | Ausgerechnet eine CDU-Politikerin aus Wiesbaden hat das Portal Abgeordnetenwatch.de ausgezeichnet: Das Projekt erhielt am späten Freitagnachmittag von Familienministerin Kristina Schröder den Deutschen Engagementpreis in der Kategorie Publikumspreis.

Schröder hat ihren Bundestagswahlkreis in der hessischen Hauptstadt. Andere Politiker aus Wiesbaden sehen Abgeordnetenwatch kritischer: In dieser Woche wurde bekannt, dass die gesamte CDU-Rathausfraktion aus Schröders Heimat dem Portal gedroht hat es zu verklagen, wenn sie über die Seite anschreibbar sein sollten.

Auf der Website können Bürger ihren Abgeordneten aus dem Bundestag sowie aus mehreren Landes- und Kommunalparlamenten öffentlich Fragen stellen. Doch genau das ist den Kommunalpolitikern aus Wiesbaden ein Dorn im Auge: Sie fühlen sich technisch und sprachlich überfordert und in ihren Persönlichkeitsrechten verletzt. Und argumentieren, dass in Deutschland angeblich gelte: "Du darfst nicht jeden anquatschen".

Doch auch Kristina Schröder ist als Abgeordnete kein Fan von dem Projekt. Die letzte Anfrage vom 17. November beantwortet sie nicht inhaltlich, sondern kritisiert Abgeordnetenwatch als "selbsternannten Mittler zwischen Abgeordneten und Bürgern". Sie behauptet: Abgeordnetenwatch liege die "(unausgesprochene) These" zu Grunde, dass Bundestagsabgeordnete sonst nicht ansprechbar oder gar abgehoben und für Anliegen der Bürger nur unter öffentlichem Druck zugänglich seien.

Sie bittet deshalb die Fragestellerin, sich direkt an sie zu wenden. Sie antworte nur "auf direktem Weg": in ihrer Bürgersprechstunde, ihrem "Politikbrief", auf ihrer eigenen Homepage und "in meinen Antworten auf schriftliche Bürgeranfragen".

Als Bundesministerin überreichte Schröder dem Verein dennoch den Preis, der mit 10.000 Euro dotiert ist. Abgeordnetenwatch wurde ausgezeichnet, weil das Projekt bei der Online-Abstimmung den Publikumspreis gewann. Von mehr als 45.000 abgegebenen Stimmen entfielen 12.600 für das Politik-Projekt.

Schröder hielt eine allgemeine Eröffnungsrede und lobte ­ unvermeidlich auch Abgeordnetenwatch.de: "Die Preisträger des Deutschen Engagementpreises stehen für die Tatkraft und den Ideenreichtum der freiwillig Engagierten in Deutschland", sagte sie bei der Festveranstaltung in Berlin.

Die Macher von Abgeordnetenwatch.de erklärten noch, was sie mit dem Gewinn vorhaben: "Das Preisgeld werden wir für die Einrichtung von Abgeordnetenwatch.de in weiteren Städten und Landkreisen einsetzen". Damit dürfte wohl auch Wiesbaden gemeint sein.

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6 Kommentare

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  • J
    Jk_inc

    "emailausdrucker" ist zu lieb. "spam-aus-drucker-und-in-reißwolf-tuer" find ich passender.

  • UG
    Ulrich Glaubitz

    Unbeabsichtigt erweist die Wiesbadener CDU der Demokratie einen großen Dienst. Sie sorgt für Transparenz. Ihr Fraktionssprecher Hasemann-Trutzel begründet freimütig, warum sie selbst sich dieser Grundbedingung für eine funktionierende echte Demokratie nicht unterwerfen will: Das Personal käme ihr nämlich abhanden. Dieses Personal ist zwar zum Abnicken der Projekte der Fraktionsspitze unerläßlich. Es ist aber den Anforderungen einer transparenten Demokratie nicht gewachsen und fühlt sich überfordert. Da tut sich der Volkspartei-CDU ein Abgrund auf, weil sie ohne diese Überforderten zu einer Splittergruppe dezimiert werden könnte. Spannende Zeiten.

  • H
    Haha

    Was für scheinheilige Heuchler diese ewiggestigen Internethasser aus der CDU doch sind.

  • P
    pablo

    gerade das öffentliche stellen von fragen an politiker gibt die möglichkeit einer breiten diskussion. auch sollten die politiker das instrument der politischen willensbildung zu nutzen verstehen. wie sagen die politiker doch immer so gerne wenn es um weitere befugnisse der sicherheitsbehörden geht, "wer nichts zu verheimlichen hat.....", abgesehn davon werden nach meiner erfahrung die wenigsten fragen von den politikern auch beantwortet, insbesondere wenn es kritische fragne zu ihren partein, deren positionen und ihren persönlichen positionen zu aktuellen politischen fragen handelt. mit der öffentlichen frage wird der allgemeinheit aufgezeigt welche politiker auch bereit sind kritische fragen zu beantworten und wer sich davor drückt.

  • V
    vic

    Wählen darf man sie aber noch, die Damen und Herren Abgeordneten. Wenn man sie auch nicht "einfach so anquatschen" darf.

    Überfordern wollen wir sie ja nicht.

  • AZ
    ausge zeichnet

    Im Text hätte ruhig klarer werden können, das sie dem ihr möglicherweise ungeliebten Portal den Preis übergeben "musste".

     

    Ich kann mich noch gut an den motivierenden Aufruf zu Abstimmung bei Twitter erinnern.