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Brustkrebsdiagnose durch MammografieGefangen zwischen Angst und Hoffnung

Brustkrebs ist immer noch die häufigste Krebsart bei den Neuerkrankungen, trotz Fortschritten in der Vorsorge. Die Mammografie ist allerdings umstritten.

Wechselbad der Gefühle zwischen Panik, Angst und Hoffnung: Brustkrebsfrüherkennung per Mammografie. Bild: dpa

BERLIN taz | In Deutschland ist Brustkrebs die häufigste Krebsneuerkrankung bei Frauen. Jährlich erfasst sie über 59.000 von ihnen, und rund 17.000 sterben daran. In den "reichen" Ländern West- und Nordeuropas sowie in den USA ist dabei die Mortalitätsrate in den vergangenen zwanzig Jahren stark zurückgegangen, wie man allgemein annimmt, dank der Prävention.

Hierzulande erhält heute jede Frau im Alter von Fünfzig bis Neunundsechzig jedes zweite Jahr eine Einladung zum Mammografie-Screening. Wer sich der Untersuchung unterzieht, stürzt oft in ein Wechselbad der Gefühle zwischen Panik, Angst und Hoffnung. Zusätzlich verunsichert hat viele eine im Juli dieses Sommers im British Medical Journal (BMJ) veröffentlichte Studie.

Die Autoren unter Leitung von Philippe Autier vom International Prevention Research Institute (Ipri), Lyon, stießen mit ihrer Schlussfolgerung auf große öffentliche Resonanz. "Es sieht so aus, als ob das Mammografie-Screening seine Aufgabe nicht erfüllt", sagte Autier in einem Interview.

Autiers Team nahm sich für die Jahre 1989 bis 2006 drei "Paare" europäischer Länder vor, die benachbart sind, vermutlich von ihrer Kultur her ähnlich, wie Niederlande/Belgien oder Schweden/Norwegen. In jeweils einem der Länder existiert schon lange ein Mammografie-Screening-Programm, im benachbarten nicht oder erst seit Kurzem.

Zu ihrer Überraschung fanden die Wissenschaftler: Die von der WHO erfassten Brustkrebssterblichkeitsraten sanken in den jeweils benachbarten Ländern in ganz ähnlicher Weise. Zum Beispiel in Belgien (Screening seit 2001) um 20 Prozent und in den Niederlanden (Screening seit 1989) um 25 Prozent.

Das wissenschaftliche Gremium der deutschen Kooperationsgemeinschaft Mammografie hält die Befunde in der Autier-Trendanalyse allerdings für wenig stichhaltig: Der untersuchte Zeitraum sei zu kurz, und in manchen der betreffenden Länder habe man Mammografie-Screening-Programme etappenweise eingeführt.

"Darüber, was in diesen Ländern wirklich vorging, ist viel zu wenig bekannt", sagt Professorin Sylvia Heywang-Köbrunner, Fachärztin für Radiologie und Leiterin des Referenzzentrums Mammografie in München. Screening-Programme seien unter anderem auch Ausdruck eines schon vorher entwickelten höheren Gesundheitsbewusstseins: "Wir wissen unter anderem nichts über das sogenannte graue Screening, dem sich die Frauen dort in ganz privater Vorsorge unterzogen haben."

80 Prozent der Tumore rechtzeitig erkennenbar

Dass die von unzähligen Faktoren abhängige Brustkrebssterblichkeitsrate sich nicht linear zu Mammografie-Screening-Programmen entwickelt, hält sie für selbstverständlich. Dies bedeute aber noch lange nicht, dass diese Programme die daran beteiligten Frauen nicht schützten: "Wir können heute 80 Prozent der Tumore rechtzeitig erkennen, und bei Tumoren unter einem Zentimeter Durchmesser beträgt die Überlebensrate über 90 Prozent." Diese Daten entstammen dem Evaluationsbericht der von Bund und Ländern eingerichteten Kooperationsgemeinschaft Mammografie.

20 Prozent aller entdeckten Brustkrebstumore sind potenziell gefährliche Tumore vom Typ DCIS (duktales Karzinom in situ), die die Grenzen des Milchgangs noch nicht durchstoßen haben. Anders als ein erst mal harmloser Darmpolyp enthält dieser bösartige Zellen, nur streut er noch keine Metastasen.

Dass man, wie oft kritisiert, diese Vorstufe routinemäßig entfernt, sei beim gegenwärtigen Stand der Wissenschaft unvermeidbar, meint die Radiologin: "Ob und wann er invasiv wird, können wir nicht wissen." Und sie weist auf noch eine Besonderheit hin: "Die meisten der in der Brust entdeckten Tumore sind schon weiter. Sie haben möglicherweise das DCIS-Stadium rasant übersprungen." Die Vielfalt der Brustkrebsarten ist so groß, dass man heute schon zögern muss, nur von einer einzigen Krankheit zu reden. Dies ist auch der Grund dafür, dass nicht jede Untersuchungsmethode jeden Brustkrebs zutage fördert.

Bei Frauen, die aufgrund einer genetischen Hochrisikobelastung schon in jungen Jahren in die Vorsorge aufgenommen werden, erfolgt die Diagnose zusätzlich mit Kernspintomografie (Magnetresonanztomografie, MRT). Gerade bei diesen Tumoren bildet nur ein Teil die mammografisch so sicher erkennbaren (verdächtigen) Mikroverkalkungen.

Sensiblere Kernspintomografie deutlich teurer

"Man muss davon ausgehen, dass keine Methode alles zeigt", räumt Heywang-Köbrunner ein. Jede Methode erkenne einige Brustkrebsfälle nicht, jede erzeuge aber auch falschen Alarm. Wenn man alle bisher auf herkömmliche Weise gescreenten Frauen mit der sensibleren aber sehr teuren Kernspintomografie untersuchte, würde dies zu einer Verdreifachung der Biopsien führen: "Dabei fänden wir nur um ein halbes Prozent mehr Erkrankungen, also 5,5 Prozent statt 5 Prozent. Die selben Frauen können aber auch von Herzinfarkten oder Schlaganfällen bedroht sein, und für deren Prävention müssen auch noch Mittel übrig bleiben."

Entscheidender sei das Intervall zwischen den Untersuchungen, meint die Radiologin: "Bei 1.000 Frauen, die das Mammografie-Screening alle zwei Jahre wahrnehmen, werden wir im Laufe von zwanzig Jahren 65 Krebsfälle finden. Fünfzehn davon können wir allerdings nicht innerhalb des Screenings selbst erkennen. Es gibt rasch wachsende Tumore. Wer so sichergehen will, wie heute nur möglich, sollte die frauenärztlichen Vorsorgeuntersuchungen zeitlich genau zwischen den Mammografie-Screenings planen.

Dass Mammografie-Screening Brustkrebserkrankungen verhindert, lässt sich nicht bestreiten. Der Einfluss dieser Prävention auf die Sterblichkeitsrate ist aber statistisch nicht ganz so eindeutig wie zum Beispiel die Verhinderung von Darmkrebssterblichkeit durch die Darmspiegelung. Denn Brustkrebsdiagnose und -therapien haben in den vergangenen zwanzig Jahren zwar große Fortschritte gemacht, aber in der Ursachenforschung fehlt es am entscheidenden Durchbruch. Noch ist uns unbekannt, warum und vor allem wann ein DCIS bösartig wird. Die Brust kann man röntgen, wird in ihr ein Tumor gefunden, so bleibt dessen Verhalten aber oft "undurchsichtig".

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3 Kommentare

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  • K
    Karl

    "Dass Mammografie-Screening Brustkrebserkrankungen verhindert, lässt sich nicht bestreiten."

     

    Das ist nun wirklich kompletter Blödsinn. Durch ein Mammografiescreening lässt sich keine einzige Brustkrebserkrankung verhindern. Es können ausschließlich bereits vorhandene Erkrankungen früher und damit besser behandelbar _erkannt_ werden.

     

    Die einzige "Vorsorge"-Untersuchung, mit der Krebserkrankungen verhindert werden können ist die Darmspiegelung, da hier auch Vorstadien (Darmpolypen) erkannt und entfernt werden können, bevor sie möglicherweise bösartig werden. _Alle_ anderen "Vorsorge"-Untersuchungen können nur vorhandene Tumore erkennen, weshalb man auch besser von Früherkennungsuntersuchungen reden sollte.

  • GK
    Gudrun Kemper

    Die nicht vollständig zuverlässige Krebsregistrierung in Deutschland wird im Zusammenhang mit der Etablierung des Mammographie-Screenings zum besonderen Problemfall, denn sie ist grundsätzlich unverzichtbar bei der Bewertung des Programms. Im Jahr 2001 war von 48.000 Brustkrebs-Neuerkrankungen bei Frauen in Deutschland die Rede. [Quelle Sachverständigenrat im Gesundheitswesen, Die Zeit 2001/44]. Es gab nur Hochrechnungen, Schätzungen, keine exakten Daten. Damals stand das „graue Screening“ am Pranger und es gab massive Qualitätsdefizite. Diese Defizite sollten durch das Mammographie-Screening abgestellt werden. Kaum jemand bezweifelt, dass das Screening die Qualität der Mammographie seitdem um Lichtjahre verbessert hat. Doch das ist leider nur ein Effekt der Einführung des Mammographie-Screenings. Ihr Artikel geht nun bereits von 59.000 Neuerkrankungen aus. Für das Jahr 2008 verzeichnet der GEKID-Atlas der Gesellschaft der epidemiologischen Krebsregister in Deutschland jedoch bereit 70.398 Neuerkrankungen. Hinter diesem Anstieg verbergen sich auch viele schwer verträgliche Therapien, die das Leben der davon betroffenen Frauen unumkehrbar in Mitleidenschaft ziehen.

     

    Deutschland hat das weltweit größte Mammographie-Screening-Programm vor dem Hintergrund der WHO-Empfehlungen etabliert. Uns – als Patientinnen um die Jahrtausendwende – ist vermittelt worden, dass dies der Weg ist, die Sterblichkeit von Brustkrebs wirksam zu senken. Doch ist das wirklich so? Viele von uns hatten späte Diagnosen und Pfusch erfahren. Von der Verbesserung der Qualität in der Mammadiagnostik haben wir uns viel versprochen.

     

    Heute wird Frauen überall eingetrichtert, was alles gemacht werden soll: Neben der Teilnahme am Screening-Programm gibt es die Selbstuntersuchung (nicht evidenzbasiert, Wirksamkeit in Studien mit hohen Teilnehmerinnenzahlen konnte nicht belegt werden), die Tastuntersuchung durch den Arzt / Ärztin (Palpation, ebenfalls ohne nachgewiesene Wirksamkeit in Bezug auf die Brustkrebssterblichkeit) bis hin zur Durchführung von MRT’s in bestimmten Fällen oder weil es vorgeblich einfach besser sein soll. Diese Untersuchungen kommen ohne Strahlenbelastung aus und werden auch von einem Teil der ÄrztInnen, Fachgesellschaften, Krebsgesellschaften etc. propagiert. Doch auch sie sorgen mit für den Anstieg der Erkrankungsraten.

     

    Objektiv betrachtet ist schwierig, Frauen heute zu raten, was sie tun sollen. Deswegen ist es unverzichtbar, dass die bereitgestellten Informationsmaterialien vollständig, neutral und wahrheitsgemäß informieren, dass Werbung und Trommeln für die Mammographie mit Kampagnen unterlassen werden und dass über die Unsicherheiten und Risiken ebenfalls offen informiert wird.

    Wer möchte Werbung für die Mammographie später verantworten, wenn sie vielleicht endgültig als nicht hilfreich verworfen wird, während abertausende Frauen womöglich nur Schäden erlitten haben? Alle wissen, dass mit der „Früherkennung“ und dem Diagnostizieren von Brustkrebs auch massive wirtschaftliche Interessen verknüpft sind. Dies betrifft die AnbieterInnen des Programms, die Behandlungseinrichtungen und die Pharma-, Diagnostika- sowie Medizingeräte-Industrie.

    Europäische Leitlinien, die das Grundgerüst für die Etablierung des Mammographie-Screenings in Deutschland geliefert haben, schreiben fest, das auch über Risiken informiert werden muss und von Werbung für die Mammographie ist nirgends die Rede. Wenn bei 1.000 Frauen, die das Mammografie-Screening alle zwei Jahre wahrnehmen, im Laufe von zwanzig Jahren 65 Krebsfälle gefunden werden, wurden über 10.000 Mal Mammographien durchgeführt und die meisten Frauen profitieren nicht vom Programm. Die Problematik der Strahlenbelastung, der Überdiagnose und die Tatsache, dass die frühere Erkennung bei zumindest einem Teil der diagnostizierten Frauen keinen Einfluss auf den Krankheitsverlauf hat, schmälern den Erfolg des Screenings weiter. Individuell kann keine Frau wissen, ob sie vom Programm profitiert oder nur den Schaden hat, von der Frage der Ressourcen ganz zu schweigen.

     

    Wer sich mit der Materie des Mammographie-Screenings viele Jahre lang befasst, kommt nicht umhin, die Risiken zu sehen und zu erkennen, dass die Etablierung des Mammographie-Screenings nicht der einzige Weg zu einer qualitativ besseren Mammadiagnostik gewesen wäre. Mit dem Programm sind die Neuerkrankungsraten jetzt offensichtlich sprunghaft angestiegen. Wer spricht darüber und erklärt es plausibel? Und wird jetzt auch die Sterblichkeit an Brustkrebs sinken? Oder passiert nur das, was die KritikerInnen des Screenings immer prognostiziert haben: dass wir nun ein Problem mit Überdiagnose haben, während die Sterblichkeit nicht sinkt, weil die Mammographie möglicherweise nicht den erhofften Einfluss auf die Sterblichkeit hat?

     

    Vielleicht kann man sich heute auf den Standpunkt stellen, dass Mammographie-Screening ein ethisches Angebot an Frauen ist. Es ist Frauen zugänglich, weil sie es wollen, weil sie sich nicht mehr „grau“ screenen lassen und weil Alternativen fehlen. Frauen müssen sich nicht mehr in radiologischen Praxen mit alten Geräten und durch auf Brustkrebs-Früherkennung gar nicht geschulte RadiologInnen die Brust röntgen lassen.

     

    Wenn sich allerdings der Diagnostiktrend weiter so rasant entwickelt, wenn nicht Ursachen für Brustkrebs, Umwelthormone und Karzinogene, schädliche Lebensbedingungen für Ungeborene, Mädchen und Frauen abgestellt werden, kann man zumindest in einem sichergehen, nämlich dass die Fallzahlen weiter steigen und steigen.

  • A
    Apfelsaft

    Was sollen uns die drei ersten Absätze sagen?

    Ich fasse zusammen:

    1. Mammographie-Screening erfüllt seine Aufgabe nicht

    2. Autier schaut sich Nachbarländer an, die ein Screeningprogramm lange, kurz oder auch nicht haben.

    3. Die Sterblichkeit bei Brustkrebserkrankungen geht in allen Ländern zurück.

     

    Wo ist da der Zusammenhang? Es wird nicht ausgesagt, ob die Sterblichkeit aufgrund der Mammographien zurückgeht, oder nicht. Allgemein kann die Sterblichkeit auch durch mittlerweile erhöhte Sensibilität im Umgang mit dem Thema Brustkrebs heruntergehen, da einfach mehr Erkrankungen früher entdeckt werden.

    Oder die Sterblichkeit geht herunter, weil entweder durch Mammographie oder durch andere Methoden die Erkrankungen festgestellt wurden.

     

    So wie es im Artikel steht hat es meines Erachtens jedenfalls keine Aussage.

     

    Dann noch etwas: Sie haben einen Fehler gemacht, der mir immer wieder in den Medien aufstößt: Zitat:"Zu ihrer Überraschung fanden die Wissenschaftler:"

    "Found" heißt es nur im Englischen.

    Im Deutschen haben die Wissenschaftler herausgefunden :-)

     

    Viele Grüße