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Brasilien will Verbrechen aufarbeitenVersteinerte Miene bei den Militärs

Jetzt will auch Brasilien eine Wahrheitskommission zu Folter und Mord während der letzten Militärdiktatur einsetzen. In den Nachbarländern ist das längst passiert.

Aufarbeitung der Diktatur: Die Oberkommandierenden der Streitkräfte hören es nicht gern. Bild: reuters

PORTO ALEGRE taz | 26 Jahre nach Ende des brasilianischen Militärregimes (1964-1985) ist eine alte Forderung von Menschenrechtlern beschlossene Sache: eine Wahrheitskommission. Bei einer Zeremonie am vergangenen Freitag unterzeichnete Präsidentin Dilma Rousseff gleichzeitig ein Informationsgesetz, das die staatlichen Behörden zu ungewohnter Transparenz verpflichtet. "Es ist ein entscheidender Schritt zur Festigung der Demokratie in Brasilien", sagte Rousseff, die als Studentin in den Untergrund gegangen war und dies mit Folter und fast dreijähriger Haft bezahlte.

Die Staatschefin sprach von einem historischen Tag, denn Militärs und konservative Politiker wehren sich seit Jahr und Tag gegen eine Aufarbeitung der Diktaturverbrechen. Rousseffs Vorgänger Lula da Silva (2003-2010) hatte die Wahrheitskommission erst in seinem letzten Amtsjahr auf den Weg gebracht.

Die Chefs der Streitkräfte hörten Rousseffs Rede mit versteinerter Miene zu. In letzter Minute hatte Verteidigungsminister Celso Amorim durchgesetzt, dass entgegen der ursprünglichen Planung kein Angehöriger der Diktaturopfer beim Staatsakt sprechen durfte.

Möglich wurde die Wahrheitskommission, weil weiterhin keinerlei Bestrafung der Folterer und Mörder in Uniform vorgesehen ist. Erst 2010 bestätigte der Oberste Gerichtshof das Amnestiegesetz von 1979, mit dem der langsame Übergang zur Demokratie eingeleitet wurde. Genau dieses Gesetz müsse noch widerrufen werden, forderte nun UN-Menschenrechtskommissarin Navi Pillay.

Menschenrechtler: Kommission "mangelhaft ausgestattet"

Während der Herrschaft der Generäle wurden in Brasilien zwischen 400 und 500 Oppositionelle ermordet - in Pinochets Chile waren es über 3.000, in Argentinien an die 30.000. Schon deswegen ist der Druck zur Aufarbeitung in den Nachbarländern größer, in Argentinien wurden bereits 262 Schergen verurteilt. In Brasilien hingegen setzte man bislang auf Entschädigung, immerhin 11.000 Diktaturopfer wurden bislang berücksichtigt.

Die Wahrheitskommission, deren Bericht 2014 vorliegen soll, sei daher ein zunächst einmal ein "wichtiger Schritt", findet der Menschenrechtler Jair Krischke. Er befürchtet allerdings eine mangelhafte Ausstattung der Kommission, bislang sind nur sieben Kommissare und 14 Assistenten vorgesehen. "Die Wahrheitskomission in Südafrika hatte über 400 Helfer", gibt er zu bedenken.

Mit gemischten Gefühlen reagierten Repressionsopfer und ihre Angehörigen. "Wir wurden überhaupt nicht gehört, Dilma hat uns nicht einmal empfangen", schimpfte der Kommunist Jarbas Marques, 67, der nach zehnjähriger Haft mit schweren körperlichen Schäden entlassen worden war, "aber immerhin können wir jetzt manche Schandtat öffentlich machen".

Auch Atila Roque von Amnesty International hofft auf Fortschritte. "Noch heute agiert die Polizei wie unter der Diktatur, oft unter dem Beifall der Bevölkerung", sagt er. Aufklärung über die Verbrechen der Vergangenheit könne dem abhelfen.

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