Blockaden gegen Dateitausch-Seite: Unblockierbare Piratenbucht
Provider in mehreren Ländern sollten das Filesharing-Portal The Pirate Bay sperren. Der Dateitausch hat trotzdem nicht abgenommen. Sind Netzblockaden wirkungsvoll?
KÖLN taz | Die Webseite ist mehr als eine Plattform, sie ist ein Fanal. The Pirate Bay ist seit seiner Gründung 2003 ein Vorreiter in Sachen Dateientausch. Über fast ein Jahrzehnt können hier Internetsurfer zuverlässig kostenlos fast alle digitalen Dateien finden, die anderswo kostenpflichtig angeboten werden: Software, Filme, Hörbücher und Pornografie. Über Jahre hatte die Musik- und Filmindustrie geklagt, Gesetzesänderung gefordert, Lobbyarbeit betrieben – lange vergeblich. Auch nach der Verurteilung der Gründer bleibt das Piraten-Portal online – und verhöhnt alle, die die Seite angreifen.
In den letzten Monaten hatten Film und Musik-Industrie endlich Erfolge zu melden: Zwar ist The Pirate Bay immer noch online. Doch immerhin konnten die Industrieverbände in den vergangenen Monaten sowohl in den Niederlanden als auch in Großbritannien die Provider gerichtlich dazu verpflichten, die Seite zu blockieren.
Doch das eigentliche Ziel – die Reduzierung des illegalen Dateientauschs – haben diese Maßnahmen offenbar verfehlt. So publizierte der niederländische Provider XS4ALL Anfang Juli eine Auswertung der eigenen Statistiken. Demnach hat der Datenverkehr über das Filesharing-Protokoll Bittorrent nicht etwa abgenommen, sondern sogar zugenommen. Gleiches beobachten auch andere niederländische Provider. Ein britischer Provider berichtet der BBC zwar von einer kurzfristigen Abnahme, aber kurz danach sind die Filesharer wieder unvermindert dabei, Musik und Filme kostenlos zu tauschen.
Die Daten der Provider sind nicht vollständig. Um genau zu ermitteln, wie viel in ihren Netzen getauscht wird, müssten sie alle Datenpakete analysieren und aufzeichnen – das wäre nicht nur aufwändig, sondern auch ein tiefer Eingriff in das Fernmeldegeheimnis. Aber die Provider können analysieren, wie viele Anfragen an bestimmte Netzadressen gerichtet werden und damit Rückschlüsse auf den Verkehr ziehen.
Die Technische Universität in Delft wählte im Frühjahr den umgekehrten Weg: Sie untersuchte die Filesharing-Aktivitäten über The Pirate Bay und analysierte, wie oft dabei IP-Adressen bestimmter Provider auftauchten. Das Ergebnis: Provider, die das Portal blockieren, tauchen in den Stichproben nicht seltener auf als Provider ohne Blockade.
Danke für die Gratis-Werbung
Netzblockaden werden immer gefordert, wenn es um die Übel geht, die man im Netz findet. In Deutschland waren die Internetsperren gegen Kinderporno-Seiten kurzzeitig Gesetz, wurden aber von der schwarz-gelben Koalition zugunsten einer besseren Zusammenarbeit bei der Verfügung der Täter abgeschafft. Noch in Kraft sind die Sperren bei vielen nordrhein-westfälischen Providern, die seit 2002 auf Anordnung der Bezirksregierung den Zugang zu zwei Neonazi-Seiten sperren müssen. Einziger Effekt bisher: Die Betreiber bedankten sich bei der Bezirksregierung für die Gratis-Werbung.
Unterdessen versuchen Provider auch Google für die Unterbindung von Filesharing in Anspruch zu nehmen. Dass der Suchmaschinenkonzern auf Zuruf der Rechteindustrie Zehntausende Links aus seinem Index löscht, war im Juni bekannt geworden, als die Redaktion heise online die Löschung eines ihrer Artikel aus dem Google-Index bemerkte – Microsoft hatte den Artikel aus Versehen löschen lassen.
Französische Richter entscheiden nun, ob Google auch die eigene Vorschlagsfunktion in den Kampf gegen Filesharing einbeziehen muss: Wer den Namen eines Künstlers eingibt, soll nicht durch die Ergänzungen wie „torrent“ direkt zu vermeintlich illegalen Angeboten geführt werden.
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