Bildung: Ganztagsschulen ersetzen Horte
Wenn im Sommer 20 Grundschulen zu offenen Ganztagsschulen ausgebaut werden, sollen im Gegenzug Hortplätze wegfallen. Viele Eltern sind verunsichert
"Schlechteres Mittagessen". Eine "konzeptlose, gekürzte Betreuung". Und ein "Mangel an Verlässlichkeit". Die Sorgen der Eltern sind vielfältig. Denn ab Sommer 2012 sollen 20 Bremer Grundschulen zu "offenen Ganztagsschulen" erweitert werden, die ein freiwilliges Nachmittagsprogramm anbieten. Im Gegenzug sollen entsprechend viele Hortplätze abgebaut werden. In einem Brief an Sozialsenatorin Anja Stahmann (Grüne) hat der Elternbeirat des Kinder- und Familienzentrums "Bei den Drei Pfählen" (KuFZ) zusammengetragen, was Eltern, Gewerkschaften und ErzieherInnen befürchten: Kürzungen bei der Kinderbetreuung.
Ab Freitag können Eltern ihre Kinder für das kommende Hortjahr anmelden. Erst am 19. Januar jedoch entscheiden die Bildungsdeputation und die Sozialdeputation, welche Grundschulen erweitert werden und wo dafür Hortplätze wegfallen. Bis dahin erarbeitet eine Arbeitsgruppe aus beiden Ressorts eine gemeinsame Vorlage. Und bis dahin herrscht Unsicherheit. Geschürt wurde diese durch eine sehr konkrete Liste, die Mitte Dezember 2011 von Sozialsenatorin Anja Stahmann an den Träger Kita Bremen ging: 17 Hort-Standorte wurden darin genannt, die sich auf eine Hortschließung einstellen sollten. Die Pläne seien vielleicht nicht "ausführlich genug" mitgeteilt worden, sagte dazu Bernd Schneider, Sprecher der Sozialsenatorin. Aber: "Wir können uns keine Doppelstrukturen leisten." Wo Schüler von 8 bis 16 Uhr zur Schule gehen können, brauchten sie keine Hortbetreuung.
Betroffen wären bis zu 600 GrundschülerInnen. Und deren Eltern protestieren. "Viele Horte gewährleisten eine längere Betreuung, von 7 bis 17 Uhr", sagte Heide Kattner, Sprecherin vom Elternbeirat des KuFZs in Hastedt. "Außerdem hat der Hort nur an vier Wochen im Jahr geschlossen, Schulen hingegen insgesamt drei Monate." Kattner und andere Eltern befürchten, dass für eine Ferienbetreuung künftig nicht gesorgt sei.
Laut Karla Götz, Sprecherin des Bildungsressort, ist diese Angst unbegründet: "Wir wollen die Vereinbarkeit von Familie und Beruf verbessern." Wie viele Kinder auch nach Schulschluss um 16 Uhr noch nicht nach Hause könnten, solle in den Stadtteilen ermittelt werden. Eine weitergehende Betreuung auch in den Ferien könne etwa an einer Schule im Stadtteil organisiert werden. Dieses Angebot wäre dann aber wie ein Hort kostenpflichtig, so Götz.
Statt einer Kürzung solle das ganztägige Lernen ausgebaut werden - an fünf Tagen in der Woche, auch mit weiteren Lehrerstunden. Das Geld dafür komme aus dem Sondertopf "Ganztägiges Lernen", über den die Bürgerschaft noch beschließen muss. 1,7 Millionen Euro wären für 2012 vorgesehen, für 2013 sogar 4,6 Millionen Euro. Für Investitionen in neue Gebäude seien 2012 fast fünf Millionen Euro, 2013 weitere knapp vier Millionen Euro eingeplant.
Für den Personalrat von Kita Bremen und die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) klingt dies nach einem Stellenabbau bei den Hort-ErzieherInnen. Bernd Schneider, Sprecher des Sozialressorts, sagte: "Es wird keine Entlassungen geben." Weiterhin bestehe ein "hoher Personalbedarf".
Von 74 Grundschulen in Bremen sind bereits heute 18 sogenannte "gebundene" Ganztagschulen. Hier sind die Kinder verpflichtet, nachmittags zu bleiben. Bei "offenen" Ganztagsschulen ist das freiwillig, der Pflichtunterricht findet nur vormittags statt. Dies lehnt die GEW ab, weil damit keine pädagogisch sinnvolle "Rhythmisierung" des Unterrichts über den gesamten Tag möglich ist. Eine Einführung von "gebundenen" Ganztagsschulen würden viele Eltern nicht mitmachen, so Karla Götz.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Abschiebung erstmal verhindert
Pflegeheim muss doch nicht schließen
US-Interessen in Grönland
Trump mal wieder auf Einkaufstour
Negativity Bias im Journalismus
Ist es wirklich so schlimm?
Künstler Mike Spike Froidl über Punk
„Das Ziellose, das ist doch Punk“
Rechte Gewalt in Görlitz
Mutmaßliche Neonazis greifen linke Aktivist*innen an
Hoffnung und Klimakrise
Was wir meinen, wenn wir Hoffnung sagen