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Bezirksamt zieht Toilette abKein Straßenklo am Bahnhof Zoo

Bezirksamt Charlottenburg-Wilmersdorf entfernt Toilettenanlage für Obdachlose am Bahnhof Zoo. Ersatz gibt es nicht

Sollen sich ihr Klo doch selber suchen: Berliner Obdachlose. Bild: dpa

An der Ecke Hertzallee/Jebensstraße, gleich hinterm Bahnhof Zoo, stand bis vor kurzem ein Container. Ein grauer Kasten voller Graffiti, mit zwei kleinen, vergitterten Fenstern, einer Tür und der Aufschrift "WC" und "Duschen". Obdachlose, Straßenzeitungsverkäufer und Nutzer des Fixpunkt-Präventionsmobils konnten hier über 15 Jahre lang kostenlos eine Toilette benutzen. Jetzt ist er weg. Vor zehn Tagen hat ihn das Bezirksamt Charlottenburg-Wilmersdorf abtransportiert.

Die Gegend um den Bahnhof Zoo ist ein sozialer Brennpunkt, viele Einrichtungen sind hier aktiv: die Bahnhofsmission, der Verein Gangway, die Obdachlosenzeitung strassenfeger, die Drogenhilfe Fixpunkt, die Kältehilfe. Die Toiletten im "Hygienecontainer" - so seine offizielle Bezeichnung - wurden intensiv benutzt. Offenbar zu intensiv für den Bezirk: "Der Container war alt und unsicher geworden, zudem waren die Betriebskosten für uns zu hoch", sagt Sozialstadtrat Carsten Engelmann (CDU).

Felix von Ploetz, Sozialarbeiter von Fixpunkt, war überrascht, als er die leere Stelle auf der Straße sah. "Uns hat niemand informiert", sagt er. Und Andreas Düllick, Vorsitzender des Vereins obdachlose machen mobil, schreibt in einem Internetartikel: "Hat jemand den Container geklaut? Wohl kaum, dachte ich." Immerhin: Die Bahnhofsmission, zuständig für Reinigung und Wartung des Containers, war vom Bezirksamt informiert worden. Schon letztes Jahr sei die Entscheidung gefallen, sagt ihr Leiter Dieter Puhl. "Wir wollten daraufhin eine neue Hygienestation bauen und haben zusammen mit einem Architekten ein Projekt entworfen." Es sollte etwas mehr als eine Toilette entstehen, "heller und menschenwürdiger". Ein Ort, so Puhl, wo Obdachlose "duschen oder eine Pediküre machen können, mit Waschmaschine, Trockner und Personal vor Ort".

Diese Pläne hätten 80.000 Euro für den Bau und jährlich 40.000 Euro für den Unterhalt nötig gemacht. "Leider ist es sehr schwierig, Sponsoren für ein Pinkelprojekt für Obdachlose zu finden", sagt Puhl. Ein besonders attraktives Thema sei das nicht. Der verbesserte Ersatz für das alte Angebot scheiterte vorerst.

Die Verteidiger der Pinkelstation erwarten, dass sich die Situation in der Gegend jetzt verschlechtert. "Ich kannte die Lage, als diese Toiletten noch nicht da waren. Es stank überall nach Urin", sagt Felix von Ploetz. Auch Dieter Puhl hat auf dem Heimweg schon große Lachen auf der Straße gesehen. Die nächsten öffentlichen Toiletten sind am Bahnhof Zoologischer Garten und kosten ein Euro. "Das ist nicht gerade wenig für unsere Leute", so Ploetz.

Der Bezirk plant jedenfalls nicht, einen neuen oder gar moderneren Container zur Verfügung zu stellen. "Alle soziale Einrichtungen sind zu Fuß zu erreichen, sie haben Toiletten und Duschen, die man problemlos benutzen kann. Die Leute müssen das nur wissen", sagt Sozialstadtrat Engelmann. Für den Mann von der Bahnhofsmission ist das keine Lösung: "Wir lassen schon viele Menschen bei uns rein, unser Abfluss ist mehrmals im Monat verstopft", so Puhl.

Besondere Errungenschaft

In besseren Tagen wurde die kostenlose Obdachlosentoilette sogar international als besondere Errungenschaft gewürdigt. Soziale Projekte "in ganz Europa" hätten Berlin um den Hygienecontainer beneidet, erzählt Andreas Düllick: "Wir waren hier Vorreiter und beispielgebend in der Arbeit mit obdachlosen Menschen." Dass der Container im Laufe der Jahre ziemlich heruntergekommen und alles andere als gemütlich war, gibt auch Dieter Puhl von der Bahnhofsmission zu. Eine Dusche gab es schon lange nicht mehr, auch kein warmes Wasser oder eine Gelegenheit zum Wäschewaschen. Manche hätten versucht, ihre Unterhosen unter dem Händetrockner zu trocknen. "Trotzdem wünsche ich ihn mir zurück."

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6 Kommentare

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  • F
    Franziska

    ",aber noch besser ist einen architekten für 80000€ zubeauftragen etwas neues zu bauen.der leiter der bahnmission muss ja auch ein ding an der waffel haben"

     

    Wer lesen kann, ist klar im Vorteil. Die Pläne "hätten" gekostet, das bedeutet, dass die Bahnhofsmission keine fünfstellige Summe ausgegeben hat für etwas, das nicht feststeht. Das macht kein karitativer Verein - nicht einmal die Treberhilfe. (Zumal das Jahresbudget eines mittleren Vereins meist nicht einmal über 5 Stellen hinausgeht.)

     

    Zunächst muss für ein Bauprojekt stets ein Vorentwurf geleistet werden, den Architekten und Ingenieure auf eigene Kosten machen und sich damit bewerben. Erst wenn sie den Zuschlag haben, wird verdient. Das bedeutet, dass die meisten Büros auf Vorausinvestition arbeiten. Architekten in Berlin und Deutschland haben ebenfalls das Problem der Arbeitssuche und statt großartige Bauvorhaben zu planen, sind sie "gezwungen", ihre kreative Energie in soziales Bauen zu investieren. Es sollte viel mehr gewürdigt werden, wenn besserverdienende Berufsstände sich im sozialen Bereich betätigen!

  • G
    gensi

    es ist gar ein starkes stück den countainer abzuräumen,aber noch besser ist einen architekten für 80000€ zubeauftragen etwas neues zu bauen.der leiter der bahnmission muss ja auch ein ding an der waffel haben. ach übrigens geile zeitung schade nur zu wenig gekauft

  • EM
    Etwas mehr Empathie bitte

    Schönes Scheißen!

     

    Zum Onlineartikel: Ich sprach auch mit jemandem vor Ort. Schon zu der Bahnhofsmission kommen in mehreren Schüben am Tag etwa 50 Menschen zur Essensausgabe. Eine Beobachterin vom Straßenfeger schätzte, dass davon etwa die Hälfte auf Klo muss. Die Klos in der Bahnhofsmission seien mit ihren dünnen Rohren und ihrer Anzahl deutlich zu wenige.

     

    Das private Hygiene-Unternehmen im Bahnhof nimmt einen Euro. Die werden ihr Geschäft bestimmt nicht aus Warmherzigkeit ändern. Sonst ist da im Umkreis nicht viel. Im Winter auch nicht viel Gebüsch.

     

    Dort muss etwas getan werden Leute! Ich hoffe, dass Zuständige, oder Beauftragte von Zuständigen (liebe Öffentlichkeitsarbeiterinnen und Öffentlichkeitsarbeiter von Berlin) sich Onlineartikel wie diesen mit Kommentaren durchlesen. Zu ihren Themen zumindest.

     

    Wie fühlt sich denn ein Mensch, der in einer Schlange draußen vor der Bahnhofsmission friert? Der dann noch muss? Der vielleicht noch unter Zeitdruck ist - was Armut ja nun mal so mit sich bringen kann.

     

    Ich habe kein Problem mit Menschen, die in so einer Situation ihre Notdurft vor den Bahnhofstüren, vor den Bustüren, vor den TouristInnen und vor das Museum für Fotografie verrichten. Tücher zum Abwischen gibt es kostenlos (na ja oder fast) in der Bahnhofsmission, bei McDonalds, Burger King und Co. :)

  • T
    TRE

    Gut so Carsten Engelmann, wer hat dir eigentlich den Posten eines Sozialstadtrats gegeben? Wir kommen dann jetzt einfach zu dir auf den Pott. Da gibt es sicher auch warmes Wasser und ne Duftkerze.

  • S
    sigibold

    Keine Aufregung Leute. Schließlich werden wir nun von zwei Parteien regiert, die einmal christlich und einmal sozial im Namen tragen. Vielleicht ein etwas betagter Spruch aber er erklärt es noch immer: Im Hundekuchen ist schließlich auch kein Hund drin.

     

    Zur Farbenphysik: Wer in Rot Schwarz reinrührt bekommt ein Farbe, die sieht echt sch... aus.

     

    sigibold

  • WB
    Wolfgang Banse

    Berlin steht nicht für das,wofür es wirbt

    Das Land Berlin steht nicht für das,wofür es öffentlich wirbt.Tolereanz,Weltoffenheit.Sonst hätte man die Straßentoilette,die überwiegend von Wohnungs/Obdachlosen überwiegend benutzt wird,stehen gelassen.

    Menschen ohne Obdach habedn kein leichtes Los in der Bundeshauptstadt Berlin.Nirgends sind sie erwünscht,werden weggejagt.Überwiegend in der kalten Jahreszeit Herbst/ im Winter,in der kalten Jahreszeit sind sie Gesprächsstoff in den Medien.Notunterkünfte werden angeboten,von Kirchen,Verbänden-dies geschieht abre nicht aus reiner Nächstenliebe und Barmherzigkeit.Nein die Nozunterkünfte sind zu einer Einnahmequelle geworden,die von den hiesigen Bezirksämtern bezuschusst werden,so auch was die Berliner Stadtmision betrifft,die immer nach außen bekannt gibt,wieviel Menschen in den Notunterkünften so in der Lehrter Straße jede Nacht dort übernachten.Leider sagt nie der amtierende Stadtmissionsdirektor Filker nie,dass das Bezirksamt diese Notunterkunftstelle mit finanziert,im Rahmen der Kältehilfe bis zum 3e1.März eines jeden Jahres.Ab dem 1.April ist es dann aus mit der Notunterkunft,da keine Mittel mehr fließen.Aber die Wohnungs/Obdachlosigkeit ist mit dem 31.März eines jeden Jahres nicht behoben.Hauptzamtliche in den Kirchen,hier der Bischof der EKBO,die Pröpstin,der Konsistoralpräsident des Konsistoriums,die Superintendentinnen und Superintendenten,die Pfarrerschaft,die Angestellten könnten in einem Topf von ihrem monatlichen Salär ein zahlen,damit auch nach dem 31.März Notunterkünfte angeboten werden könnten.Ein Wohnungsloser wird in der Kirchengemeinde Frohnau nicht unterstüzt nach einer Wohnung.Wo kommt hier das zum Tragen,was Dietrich Bonhoeffer einforderte:"Kirche für andere da sein?""Nur wer für die Juden schreit der darf...."In die heutige Zeit übersetzt:"Nur derjenige sollte in das Halleluja mit einstimmen,der für einen Schwachen seine Stimme erhebt und sie ihnen verleiht."Es ist ein Skandal,dass es Wohnungs/Obdachlosigkeit in einemm der b reichsten Länder der Welt gibt.Gegenwärtig gibt es in Deutschland 240000 Wohnungs/Obdachlose,Tendenz steigend.

    Mitleideffekt ist nicht gefragt,sondern Hilfe. nicht nur in der kalten Jahreszeit.In der Vorweihnachtszeit zeigt man Herz,um sein Gewissen zu beruhigen und spendet diese Nächstenliebe und Barmherzigkeit den Gestrandeten gegenüber endet am Heiligen Abend mit Geschäftrsschluss.

    Eine falsch verstandene und praktizierte Hilfereitschaft ist dies.