Berliner Forschungsreaktor: Reaktor schläft weiter
Die Anlage in Wannsee bleibt zunächst abgeschaltet. Die Bauarbeiten verzögern sich und auch die Sonderüberprüfung läuft noch
Ein Wiederanfahren des Forschungsreaktors in Wannsee ist nicht in Sicht. "Die Umbauarbeiten dauern noch an", sagte Marie-Luise Dittmar, Sprecherin der Senatsverwaltung für Umwelt. Es müsse noch ein notwendiges Teil beschafft werden. Die laufenden Bauarbeiten sollten eigentlich erledigt sein: Noch im April ging der Betreiber, das Helmholtz-Zentrum, davon aus, dass die Anlage spätestens im Juli wiederangefahren wird. Parallel läuft eine Sonderüberprüfung zu Sicherheitsfragen.
Der Reaktor steht seit 1958 am Rande Berlins. Wissenschaftler forschen hier mittels Neutronen, die bei der Spaltung von Uran freigesetzt werden. Die Leistung des Reaktors ist deutlich niedriger als die von Atomkraftwerken: Rund 7 Kilo Uran hängen in dem Reaktorbecken, 10 Megawatt hat der Reaktor. Zum Vergleich: Block zwei des Atomkraftwerks Neckarwestheim hat eine Leistung von 1.400 Megawatt.
Doch im Unterschied zu den Strom erzeugenden Reaktoren hat die Anlage in Wannsee keine zusätzliche Schutzhülle aus Beton, ein sogenanntes Containment. Würde beispielsweise durch einen Flugzeugabsturz das Reaktorbecken zerstört werden und das Wasser auslaufen, könnte es zur Kernschmelze kommen. Daher entzündete sich die Debatte über den Betrieb der Anlage maßgeblich an den geplanten Flugrouten zu und von dem im Bau befindlichen Flughafen BER. Wie die Maschinen letztlich fliegen werden, wird voraussichtlich Anfang nächsten Jahres feststehen.
Der von der Bundesregierung beschlossene Atomausstieg bezieht sich nicht auf Forschungsreaktoren. Dennoch sollte der Reaktor einer Sonderüberprüfung unterzogen werden. Nach dem Willen der Berliner Atomaufsicht, die bei der Senatsverwaltung für Umwelt liegt, soll die Anlage so lange nicht wiederangefahren werden. Auch das Abgeordnetenhaus hatte sich im Juni für eine "ergebnisoffene Überprüfung" ausgesprochen.
Kritik an Gutachtern
Die scheint nun länger zu dauern als geplant. Bis Ende Juni sollte das Helmholtz-Zentrum - das zu 90 Prozent von Bund und zu 10 Prozent vom Land Berlin gefördert wird - einen Fragenkatalog beantworten. "Die Überprüfung ist noch nicht abgeschlossen", sagte Dittmar nun. Wann die Ergebnisse vorliegen, könne man derzeit nicht sagen.
Die Ergebnisse der Überprüfung sollen im Anschluss von der Reaktorsicherheitskommission bewertet werden. Kritik gab es unter anderem an den Gutachtern, die die Anlage überprüfen sollen. Die Sachverständigen vom TÜV Rheinland haben die Anlage zumindest teilweise schon früher untersucht. Kritiker hatten sich für eine Überprüfung durch bislang unbeteiligte Wissenschaftler ausgesprochen. Die Anti-Atom-Bewegung plant für den Herbst Proteste gegen den Betrieb des Forschungsreaktors.
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