Ausschreitungen bei kurdischem Fest: Verbote und Schmerzensgeld
Nach den Ausschreitungen in Mannheim fordert Baden-Württembergs Innenminister ein Verbot von Vereinen, die der PKK nahestehen.
BERLIN taz | Als Konsequenz aus den schweren Krawallen bei einem „kurdischen Kulturfest“ in Mannheim hat Baden-Württembergs Innenminister Reinhold Gall (SPD) gefordert, Medien und Vereine zu verbieten, die der verbotenen Kurdischen Arbeiterpartei (PKK) nahestehen.
Den Veranstaltern warf Gall vor, die Stimmung gegen die Polizei mit gezielten Falschinformationen über das Internet aufgeheizt zu haben. Gegen solche Propaganda müsse die Polizei in Zukunft besser gewappnet sein, so Gall.
„Die Verantwortung für den Ausbruch der Gewalt trägt in erster Linie die Polizei, die in den vergangenen Tagen vor allem kurdische Jugendliche drangsalierte und zu provozieren versuchte“, meint dagegen der Veranstalter, die „Föderation kurdischer Vereine in Deutschland“ (YEK-KOM), die bundesweit 43 Vereine vertritt. Sie fordert die Bundesregierung vielmehr auf, das seit 1993 bestehende Verbot der PKK aufzuheben.
Ähnlich sieht das die baden-württembergische Bundestagsabgeordnete der Linkspartei aus Tübingen, Heike Hänsel, die als Rednerin an dem Festival in Mannheim teilgenommen hatte. Die Ausschreitungen zeigten, dass das Konzept der Polizei nicht aufgegangen sei und „dass die Aufhebung des PKK-Verbots überfällig ist“.
Aus dem Ruder gelaufen
Das „kurdische Kulturfest“ in Mannheim war am Wochenende aus dem Ruder gelaufen, nachdem eine Gruppe von jungen Kurden versucht hatte, mit einer verbotenen Fahne auf das Festivalgelände zu gelangen. Als die Polizei deshalb anrückte, wurde sie von anderen Festivalgästen attackiert und mit Flaschen und Pflastersteinen beworfen. Dabei wurden bis zu 80 Beamte verletzt, 31 Randalierer wurden verhaftet.
Derzeit arbeite eine Ermittlungsgruppe „mit Hochdruck“ daran, das umfangreiche Videomaterial zum Vorfall zu sichten, heißt es aus der Polizei. Einfach dürfte es aber nicht werden, alle Angreifer zu identifizieren, denn viele der rund 40.000 Besucher waren aus Nachbarländern wie Frankreich eingereist.
Das „kurdische Kulturfest“ fand bereits zum 20. Mal statt – aber erstmals in Mannheim. Dass es sich dabei um keine reine Folklore-Veranstaltung handelte, zeigte schon das Motto „Freiheit für Abdullah Öcalan“, das auf den in der Türkei inhaftierten PKK-Gründer verweist. Für eine Minderheit der 600.000 bis 800.000 Kurden, die in Deutschland leben, ist er noch immer ein Idol.
In Köln und Gelsenkirchen war es in den Vorjahren jedoch zu keinen vergleichbaren Zwischenfällen gekommen, so dass sich Stadt, Polizei und Veranstalter vom Ausmaß der Gewalt nun völlig überrascht zeigten.
Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) fordert für die 81 verletzten Beamten jetzt ein Schmerzensgeld. Mannheims Oberbürgermeister Peter Kurz (SPD) kündigte an, er wolle neue Richtlinien für die Nutzung des Geländes erlassen, auf dem die Veranstaltung stattgefunden hatte. In der kommenden Woche werden die Krawalle von Mannheim auch den baden-württembergischen Landtag beschäftigen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
Proteste bei Nan Goldin
Logiken des Boykotts
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Bundeskongress der Jusos
Was Scholz von Esken lernen kann
Schwedens Energiepolitik
Blind für die Gefahren
Bündnis Sahra Wagenknecht
Ein Bestsellerautor will in den Bundestag