Asyl: Für ein qualifiziertes Bleiberecht
Flüchtlinge demonstrieren vor dem Roten Rathaus für Bleiberecht. Nächste Woche beginnen die versprochenen Einzelfallprüfungen.
Flüchtlinge aus der besetzten Gerhard-Hauptmann-Schule forderten am Dienstag auf einer Demonstration ein Bleiberecht nach Paragraf 23 des Ausländergesetzes. Dieser Paragraf würde einer genau definierten Gruppe von Flüchtlingen ein qualifiziertes Aufenthaltsrecht einräumen. Sie dürften damit arbeiten, sich selbständig Wohnraum suchen und sich innerhalb Deutschlands frei bewegen. So ein Schritt würde einen Senatsbeschluss erfordern. Der Bund dürfte dagegen kein Veto einlegen.
Rund 150 Flüchtlinge und Unterstützer zogen mit dieser Bleiberecht-Forderung von der Schule in Kreuzberg zum Roten Rathaus. Es war ein bunter, fröhlicher Zug mit Trommel- und Tanzeinlagen. Die 130 Polizeibeamten, die prophylaktisch in Kreuzberger Seitenstraßen standen, konnten sich auf die Absperrung des Verkehrs beschränken.
„Die Landesregierung und die Bundesregierung haben die Möglichkeit, uns ein Bleiberecht zu geben“, sagte Flüchtlingssprecher Patras Bwansi, der aus Uganda stammt. „Erst wenn wir dieses Recht und damit unsere Freiheit haben, verlassen wir die Schule und brauchen nicht mehr auf dem Oranienplatz zu demonstrieren.“ Andernfalls kündigte er einen „Plan B“ an: Der blieb vage, gemeint war aber wahrscheinlich eine erneute Besetzung des Oranienplatzes. Die Flüchtlinge wehrten sich in Redebeiträgen und Transparenten dagegen, illegalisiert zu werden.
Nach Angaben von Friedrichshain-Kreuzbergs Bezirkssprecher Sascha Langenbach leben in der besetzten Schule derzeit 211 Flüchtlinge sowie 60 Roma, hauptsächlich aus Spanien und Rumänien, und ein paar deutsche Obdachlose. „Für die Unterbringung der Roma und der Obdachlosen ist der Bezirk zuständig“, sagt Langenbach. „Die Unterbringung der Asylbewerber liegt hingegen in der Verantwortung der Landesregierung. Unser Bezirk hat dafür weder die finanziellen Voraussetzungen noch Gebäude.“
Der Bezirkssprecher kritisiert das Ansinnen der Landesregierung, den Bezirk für die Unterbringung und Versorgung der Flüchtlinge aus der Schule in die Verantwortung zu nehmen. Von den 211 dort lebenden Flüchtlingen wurden lediglich 12 vom Senat registriert. Nur für diese will die Landesregierung Wohnraum, Sozialhilfe und eine Überprüfung des Asylverfahrens anbieten. Weitere rund 10 sollen zwar auf der Liste des Senats stehen, hätten aber von den Registrierungsterminen zu spät erfahren. Der größte Anteil stand nicht auf der von den Flüchtlingen selbst erstellten Liste. Andererseits sind dort 160 Namen von Menschen notiert, die es nicht zu geben scheint. Wie es zu den Fehlern bei der Erstellung der Liste kam, ist unklar.
In der kommenden Woche sollen die versprochenen Einzelfallprüfungen der Flüchlinge vom Oranienplatz beginnen. Die ersten Anträge auf Asyl oder Aufenthalt würden in der Woche nach Pfingsten geprüft, sagte ein Sprecher der Senatsverwaltung für Inneres am Dienstag. Das Angebot aber gilt nur für 326 Menschen, die auf der Liste registriert wurden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Pro und Contra Letzte Generation
Ist die Letzte Generation gescheitert?
BSW-Chefin im ZDF
Wagenknecht macht BND für Irrtum verantwortlich
Elon Musk torpediert Haushaltseinigung
Schützt die Demokratien vor den Superreichen!
Studie zum Tempolimit
Es könnte so einfach sein
Fragestunde mit Wladimir Putin
Ein Krieg aus Langeweile?