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die dritte meinungDie SPD muss beim Thema Bürgerversicherung jetzt hart bleiben, sagt Hilde Mattheis

Hilde Mattheis

sitzt seit 2002 im Bundestag und ist dort gesundheits­politische Sprecherin der SPD-Fraktion.

Im Zusammenhang mit den laufenden Sondierungen hat der Begriff der Bürgerversicherung wieder Hochkonjunktur. Dass er häufig mit der Wiedereinführung der paritätischen Finanzierung – Arbeitgeber und Arbeitnehmer zahlen jeweils den gleichen Anteil – verknüpft wird, ist irreführend. Zurück zur Parität bedeutet: Weg mit Sonder- und Zusatzbeitrag, weg mit dem seit 2011 eingefrorenen Arbeitgeberbeitrag. Das würde die gesetzlich Versicherten entlasten, womit die SPD schon mehr erreicht hätte als 2013 bei den damaligen Verhandlungen zur Großen Koalition, und ist deshalb unbedingt geboten.

Bürgerversicherung bedeutet aber noch mehr: Ein gemeinsames Krankenversicherungssystem für alle – und solidarische Finanzierung eines umfassenden Krankenversicherungsschutzes auf einer breiteren Einkommensgrundlage. Dafür sind viele Schritte notwendig. Die Angleichung der ärztlichen Honorare für Privatversicherte nach unten und gesetzlich Versicherter nach oben ist einer. Für sich allein entlastet dies allerdings die privaten Krankenversicherer. Solche Einzelschritte nun mit der Wiederherstellung der Parität zu „verrechnen“, anstatt die Idee der Bürgerversicherung in vollem Umfang durchzusetzen, ist ein Manöver, das bei den einen als Kunstgriff gelten mag, bei vielen anderen aber als das, was es ist: eine Mogelpackung.

Ebenso unerklärlich ist, dass in den aktuellen Verhandlungen die Einbeziehung sämtlicher Einkommen nicht mehr thematisiert wird. Kapitaleinkommen wachsen wesentlich stärker als Löhne und Gehälter. Wenn sich die SPD da nicht heranwagt, wie soll dann wieder mehr Vertrauen in die Sozialdemokratie und ihr Kernanliegen soziale Gerechtigkeit wachsen? Wesentlich wird außerdem sein, ob die SPD sich traut, das Thema der Altersrückstellungen in der privaten Krankenversicherung von ungefähr 280 Milliarden hart anzugehen.

Kurz: Die SPD darf bei diesem Thema nicht nachgeben. Es muss Bürgerversicherung drin sein, wo Bürgerversicherung draufsteht.

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