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Kabelbrand spaltet Nazi-Zug

Nazi-Demo Hunderte blockierten einen „Rudolf-Heß-Gedenkmarsch“ in Berlin-Spandau. Brandanschläge auf das Bahnnetz verhinderten die Anreise weiterer Rechtsextremer

Kein Marsch für Hitlers Stellvertreter: Gegendemonstranten stellten sich in den Weg Foto: Christian Mang/reuters

AUS BERLIN David Joram

Für Nazis war der Samstag in Berlin kein guter Tag. Knapp 1.000 von ihnen wollten vom Bahnhof des nordwestlichen Randbezirks Spandau zum Ort des ehemaligen Kriegsverbrechergefängnisses in der Wilhelmstraße ziehen, um dort an den 30. Todestag von Rudolf Heß, Hitlers einstigem Stellvertreter, zu erinnern. Insgesamt rund 2.000 Gegendemonstranten, darunter etliche Parteien, linke Gruppen und Bündnisse gegen rechts, wussten dies mit Blockaden an mehreren Stellen des geplanten Streckenverlaufs zu verhindern.

1.000 Polizisten waren im Einsatz, allein 300 von der Bundespolizei, welche die An- und Abreise überwachten. Zu Handgreiflichkeiten zwischen Nazis und Gegendemonstranten kam es kaum, die Taktik der Polizei ging auf. Rund ein Dutzend der Rechtsradikalen nahm die Beamten in Gewahrsam.

Laut Berlins Innensenator Andreas Geisel (SPD) war die Demo mit hohen Auflagen verbunden worden. „Ein Verbot wäre mir sehr sympathisch gewesen, wir haben das sehr sorgfältig geprüft und festgestellt, dass die freiheitlich-demokratische Grundordnung leider auch für Arschlöcher gilt“, sagte Geisel dem RBB-Inforadio wortwörtlich. Doch Hitlers Stellvertreter Rudolf Heß, der sich 1987 in der Haft in Berlin-Spandau das Leben nahm und als Nazi-Ikone gilt, durfte weder in Wort noch Schrift geehrt werden. Auch die Zahl von Trommeln war begrenzt worden, Marschmusik verboten. Stattdessen gab es von den Veranstaltern die Wagner-Oper auf die Ohren.

Dass der Heß-Zug in Spandau kaum sein Ziel erreichen würde, zeichnete sich schon gegen Mittag ab, als der Marsch hätte beginnen sollen. 150 Rechte befanden sich da noch auf der Bahnstrecke zwischen Charlottenburg und Spandau, weil die Regionalbahn ein Stellwerksproblem meldete. Nach dem Umstieg in eine S-Bahn kamen sie mit 25 Minuten Verspätung in Spandau an.

Auch ein Bus mit 50 Rechten aus dem südbrandenburgischen Landkreis Elbe-Elster traf verspätet ein. Erst eine Stunde später als geplant, unter lauten Pfiffen und „Nazis raus“-Rufen begann die Heß-Demo dann – um 20 Meter später schon wieder zum Stillstand zu kommen. Die Gegendemo, rund einen Kilometer entfernt, blockierte erfolgreich die Straßen, die Polizei musste den Zug der Rechten stoppen.

Für den Nazi-Tross ging es auch in der Folge nur schleppend voran – begleitet von BürgerInnen, die am Straßenrand ihren Unmut lautstark äußerten. „Nazis raus“, „Ihr habt den Krieg verloren“ oder „Haut ab“, skandierten die Nazigegner immer wieder. Zunächst blieb es auf der Gegenseite nahezu ruhig. Ein Fotograf wurde angerempelt. Ansonsten reagierten die Rechten mit abfälligen Handgesten und verbalen Beleidigungen. In der ersten Reihe präsentierten die jungen Rechten ein Banner, während die Mittagssonne das Warten nicht angenehmer machte.

Als die Kundgebung schließlich um 14.40 Uhr startete, übertönten Pfiffe die rechten Reden größtenteils. Die „15 Punkte“, die Sebastian Schmidtke, ehemals Chef der Berliner NPD, als Beweise verkaufen wollte, warum Heß am 17. August 1987 keinen Selbstmord begangen haben soll, gingen jedenfalls unter.

„Die freiheitlich-demokratische Grundordnung gilt auch für Arschlöcher, leider“

Berlins Innensenator Geisel (SPD)

Kurz darauf kam es zu Rangeleien, als etwa 20 Rechtsradikale auf Gegendemonstranten zu stürmten. Die Polizei war sofort zur Stelle und führte den Anführer aus den Reihen der Rechten sofort ab. Auch auf der neuen Route säumten wieder zahlreiche Nazi-Gegner die Straßen. „Erhängt euch“, riefen manche. Auf Plakaten standen Sätze wie: „Macht es wie Rolf Hässlich“ oder „We love Volkstod“.

Naziparolen waren nur auf den letzten 500 Metern zurück zum Bahnhof vernehmbar. Als die Abschlusskundgebung gegen 16 Uhr zwischen Bahnhof und Spandau-Arcarden startete, brüllten und pfiffen etwa 300 Antifaschisten die Redner gnadenlos nieder. Gegen 16.45 Uhr hatten die Verschwörungstheoretiker ausgeredet. Unter den Heß-Rednern waren je ein Norweger, Brite und Franzose. Um 17.17 Uhr verließen auch die letzten Rechten den Platz. Eine Wasserflasche flog ihnen hinterher, kurz darauf auch eine Bierflasche.

Doch anderswo war der Spuk noch nicht zu Ende. Infolge von – vermutlich politisch motivierten – Brandanschlägen auf Signalanlagen der Deutschen Bahn waren etwa 250 weitere Neonazis auf dem Weg nach Berlin im Umland hängen geblieben und sorgten dort für Unruhe. Eigentlich wollten auch sie in der Hauptstadt am Aufmarsch zum 30. Todestag des Hitler-Stellvertreters Rudolf Heß teilnehmen, wie die Polizei mitteilte. Weil sie dort nicht ankam, meldete die Gruppe daraufhin eine Spontandemonstration in Falkensee (Havelland) an, lief zwei Stunden lang durch die Kleinstadt und beschädigte das Schaufenster eines Büros der Grünen. Die Polizei sicherte die Veranstaltung mit 200 Beamten.

Brandanschläge auf die Bahnanlagen hatten am Samstag zu Ausfällen auf den Zugstrecken zwischen Berlin, Hamburg und Hannover geführt, die auch in der Nacht zu Sonntag noch nicht beseitigt waren. Die Polizei ermittelt in alle Richtungen, hält aber einen Zusammenhang mit der Anreise der Neonazis für nahe­liegend.

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