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„Massiver Druck ist notwendig“

Forderungskatalog Auch die SPD ist in der Flüchtlingspolitik viel schuldig geblieben, meint Georg Classen vom Flüchtlingsrat

Georg Classen

ist Sprecher des Flüchtlingsrats Berlin, der die Rechte von Geflüchteten im Blick hat. Sein Schwerpunkt ist das Flüchtlingssozialrecht, ­außerdem berät und schult er haupt- und ehrenamtliche Aktive.

taz: Herr Classen, Sie wenden sich nun mit einem 30 Seiten langen Forderungskatalog zur Flüchtlingspolitik an die Parteien und an die kommende Landesregierung. Was erwarten Sie von denen?

Georg Classen: Wir erwarten, dass sie unsere Forderungen in den Koalitionsvertrag übernehmen. Die Grünen und die Linken sind nach unserer Wahrnehmung im Wahlkampf sehr zurückhaltend mit Kritik am Senat und am Regierenden Bürgermeister. Zur Schließung der menschenunwürdigen Unterkunft in den Tempelhofer Flugzeuggaragen wünschen wir uns eine klarere Positionierung.

Und nach der Wahl wird dann vieles besser?

Wenn es auf Rot-Rot-Grün hinausläuft, hoffen wir, dass Linke und Grüne sich stark gegenüber der SPD positionieren. Wir haben die Jugendsenatorin Sandra Scheeres, die bei der Aufnahme minderjähriger Flüchtlinge laufend geltendes Recht bricht, wir haben Müller, der für Tempelhof verantwortlich ist, wir haben Bausenator Andreas Geisel, der den Wohnungsbau für Flüchtlinge unterlassen hat, und wir haben die Integrationssenatorin Dilek Kolat, die kaum in Erscheinung tritt – in all diesen Punkten hat die SPD versagt. Da ist massiver Druck notwendig.

Wie beurteilen Sie, dass das Lageso im Wahlkampf keine Rolle spielt – wurden die Probleme rund um die Behörde mit Gründung des LAF, des Landesamts für Flüchtlingsangelegenheiten, versteckt?

Für die Öffentlichkeit unsichtbar gemacht hat man die Katastrophe am Lageso, seit das ICC zum Wartebereich geworden ist. Dort warten die Flüchtlinge nun im Verborgenen. Ob das LAF es besser macht, muss man abwarten. Wir trauen der neuen Leiterin Claudia Langeheine zu, es besser zu machen als Sebastian Muschter am Lageso. Allerdings hat sich die Lage vor allem durch die geringen Zuzugszahlen entspannt. Umso wichtiger ist es, dass Ausstattung und Betrieb der Unterkünfte genauer kontrolliert werden und dass Leistungen als Geldleistungen zur Selbstversorgung ausgezahlt werden und nicht als entmündigende Sachleistungen und Fremdverpflegung.

Sie fordern auch, dass der Senat über Missstände bei Abschiebungen informiert. Ist das nicht Ihre Aufgabe als Flüchtlingsrat?

Ja, und das machen wir auch. Aber es gibt eine Abschiebebeobachtung der Caritas, die in Berlin im Gegensatz zu anderen Bundesländern keine Berichte veröffentlicht. Nach EU-Recht muss ein Abschiebemonitoring stattfinden. Das muss aber für die Öffentlichkeit transparent sein, sonst bringt es nichts.

Der Flüchtlingsrat feiert nun 35-jähriges Bestehen. Was hat sich in dieser Zeit geändert?

Die einschneidendste Veränderung war die Ankunft der großen Zahl Geflüchteter im vergangenen Herbst. Eine ähnliche Situation, dass die Grenzen relativ offen waren und viele Menschen vor dem Krieg nach Deutschland geflohen sind, hatten wir 1992/93. In den 90er Jahren war der Rassismus größer, heute geht die Bevölkerung viel offener auf die Flüchtlinge zu. Aber die Behörden konnten damals einfacher Unterkünfte herrichten. Heute sind viele öffentliche Immobilien privatisiert.

Interview Uta Schleiermacher

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