Appelbaum kritisiert Journalistenpreis: Nazi Nannen kein Vorbild
Für viele Journalisten wäre der Henri-Nannen-Preis eine Ehre. Für Jacob Appelbaum nicht. Der Internetaktivist will seinen Preis einschmelzen.
MANNHEIM taz | Als Matthias Lilienthal, Leiter der diesjährigen Ausgabe von Theater der Welt, den Internetaktivisten Jacob Appelbaum einlud, die Rede zur Eröffnung des Festivals am Freitag in Mannheim zu halten, wussten beide wohl noch nicht, dass sich die Rede um Henri Nannen drehen würde.
Am 16. Mai war Jacob Appelbaum in Hamburg der Henri-Nannen-Preis verliehen worden als Teil eines Spiegel-Teams, das eine Titelgeschichte zur NSA-Ausspähung im Oktober 2013 veröffentlicht hatte. Auf der Bühne des Nationaltheaters in Mannheim erzählte Appelbaum nun, dass ihm die Vergangenheit von Henri Nannen als Propaganda-Mann des Nationalsozialismus schon bei der Preisverleihung schwer auf der Seele lag, die soziale Atmosphäre es ihm aber unmöglich machte, eigentlich vorbereitete Worte herauszubringen.
Sein Vater, sagte Appelbaum, habe ihm viel über die Nazis erzählt. Wäre es nach denen gegangen, hätte er, Jacob Appelbaum, nie geboren werden sollen. Gerade dieses Wissen habe das Ethos geprägt, dem er sich als Journalist verpflichtet fühle. Deshalb könne er nicht verstehen, dass mit dem Preis eben auch der Name eines Mannes hochgehalten und als Vorbild stilisiert werde, der einmal bewundernd über Hitler schrieb, und „Propagandist der Waffen-SS“ war.
Nun ist diese Geschichte zwar bekannt, Nannen selbst, das schreibt jetzt Spiegel-Online, machte kein Hehl daraus und bedauerte sie. Hätte also Appelbaum, der im übrigen den Preis nicht zurückgeben will und gerne für die investigative Leistung ausgezeichnet wurde, nicht eigentlich offene Türen einrennen sollen, als er einen Text über seinen Blick auf Nannen der Süddeutschen Zeitung und dem Spiegel anbot?
Aber beide lehnten, obwohl sonst sehr an seiner Autorenschaft interessiert, ab. Das war für ihn der eigentliche Skandal. Der Moment, in dem er dachte, dass da noch immer falsche Loyalitäten walten.
Und so kam die Geschichte ins Theater. Appelbaum schloss ihr einen Appell an die deutsche Regierung an, Snowden Asyl zu gewähren. Der anschließenden Uraufführung von Elfriede Jelineks Drama „Die Schutzbefohlenen“ über Asylsuchende in Europa lieferte er damit auch schon ein Stichwort.
Den Bronzekopf Nannens, den er als Preis erhielt, will Appelbaum nun einschmelzen und das Preisgeld antifaschistischen Gruppen widmen. Die Jury des Henri-Nannen-Preises akzeptiert sein Vorgehen, wie ihr Mitinitiator, Thomas Osterkorn, Spiegel Online sagte.
Leser*innenkommentare
Erwin Wolfram
Hmm hat nicht soweiso jeder die Geschichte vom Agenten geglaubt, der in dem Moment kein Agent mehr ist als er Daten kopiert? Oder wird man dadurch tatsächlich zum Held? Was nun wenn er alle Daten gelöscht hätte? Ach so: So wird man zum pösen pösen Terrorist?
Ulli Bond
Unglaublich. Was kommt als nächstes. Keine Preise aus Deutschland mehr annehmen. Wettbewerbe boykottieren, an denen Deutsche teilnehmen. Deutsche Webseiten sperren. Die deutsche Sprache verbieten.
lions
@Ulli Bond Opferhaltung ?
90191 (Profil gelöscht)
Gast
@Ulli Bond Offenbar setzen Sie Deutsche mit Nazis gleich, oder warum differenzieren Sie nicht? Man sollte halt Preise vielleicht nicht nach alten Nazigehilfen benennen, dann hätte man das Problem auch nicht.
Ulli Bond
@90191 (Profil gelöscht) Nannen wurde während der NS-Zeit wg. Widerstand gegen die Staatsgewalt von der Uni verwiesen. Nach dem Krieg bekam er eine Lizenz zur Herausgabe einer Zeitung. Er war 30 Jahre lang Chefredakteur des linken Magazins Stern. Ich finde es sehr befremdlich, wenn jemand 70 Jahre nach dem Krieg - offensichtlich ohne den Hauch einer Ahnung - sich unversönlicher gibt als die Allierten direkt nach dem Krieg.