Ansturm auf den Grenzzaun von Melilla: 500 Flüchtlinge kommen durch
1.000 Afrikaner versuchen, die Befestigungsanlagen zu stürmen. Das Auffanglager in der spanischen Exklave in Marokko ist überfüllt.
MADRID taz | Hubschrauberlärm, Polizei- und Krankenwagensirenen haben die Einwohner der spanischen Exklave Melilla am frühen Mittwoch Morgen aus dem Schlaf gerissen. Der Grund: Über 1.000 schwarzafrikanische Flüchtlinge hatten kurz vor 6 Uhr vom benachbarten Marokko aus den Grenzzaun gestürmt.
Laut Angaben eines Sprechers der Regierungsdelegation, der Vertretung der Madrider Zentralregierung in der autonomen Stadt, gelang es den Flüchtlingen den ersten von drei Grenzzäunen niederzureißen. 500 Flüchtlinge erreichten Melilla, der Rest wurden von der Grenzpolizei, die mit 400 Mann im Einsatz war, zurückgewiesen Rund 20 Flüchtlinge wurden direkt am Zaun gefasst und sofort abgeschoben.
Diese Praxis ist illegal. Wenn ein Flüchtling einmal auf spanisches Gebiet gelangt ist, braucht es einen ordentlichen Ausweisungsbescheid. Die Polizei hält sich jedoch nicht daran, wie Hilfsorganisationen immer wieder beklagen.
Ein Video, das von der spanischen grünen Partei Equo ins Netz gestellt wurde, zeigt größere Gruppen von Schwarzafrikaner, die durch die Straßen Melillas rennen. „Bosa, bosa“, rufen sie immer wieder. Es ist der Ruf der Freude und des Sieges über die Grenzbeamten. „Danke Gott!“, rufen andere. Einer stellt sich vor die Kamera und grüßt seine Familie in der Heimat. „Ich habe es geschafft, mein Sohn“, sagt er.
Auf den Bildern ist auch ein Flüchtling zu sehen, der regungslos am Boden liegt. Wie viele Verletzte es gab, wurde bisher nicht bekannt. Die Flüchtlinge meldeten sich umgehend im Auffanglager in Melilla, wo sie von ihren Leidensgenossen, die den Zaun bereits früher überwunden haben, mit Freudenrufen empfangen wurden. Unter den 500 befindet sich auch eine Frau. Sie ist die zweite, der es gelang über den Grenzzaun zu steigen.
Seit Jahresbeginn haben mehr als 2.000 Flüchtlinge den Zaun überwunden
Das Auffanglager in Melilla platzt mittlerweile aus allen Nähten. Ursprünglich wurde es für 480 Personen gebaut. Mit den 500 vom Mittwoch werden dort rund 2.500 Menschen untergebracht sein. Seit Jahresbeginn haben, so der Sprecher der Regierungsdelegation, mehr als 2.000 Flüchtlinge die Grenzanlagen überwunden. Der letzte große Ansturm fand Mitte März statt. Damals gelangten ebenfalls 500 Menschen nach Melilla.
In diesem Monat ist es bereits das dritte Mal, dass Flüchtlinge den Grenzzaun stürmen. Am 1. Mai erreichten 150 Melilla, am 17. Mai wurde der Ansturm von der Grenzpolizei verhindert. Angesichts des völlig überfüllten Auffanglagers schieben die Behörden in Melilla immer wieder größere Gruppen auf die iberische Halbinsel ab. Dort werden sie von NGOs versorgt oder kommen in Abschiebehaft, sofern ihr Herkunftsland ausgemacht werden kann.
Der Grenzzaun wird derzeit verstärkt
Der spanische Staatssekretär für Sicherheitsfragen, Francisco Martínez, sagte eine Reise auf die Balearen ab, um umgehend nach Melilla zu fliegen. Er steht seit Monaten in der Kritik. Denn die Lage an der Grenze scheint nicht kontrollierbar zu sein, obwohl die Zahl der Grenzpolizisten aufgestockt wurde, und ein Hubschrauber rund um die Uhr im Einsatz ist.
Derzeit wird der Zaun mit einem engmaschigem Drahtgeflecht verstärkt, um zu verhindern, dass die Flüchtlinge hochsteigen können. Die Polizei greift immer härter durch. In der zweiten spanischen Exklave an der nordafrikanischen Küste, in Ceuta, kam es bei einem Polizeieinsatz gegen Flüchtlinge im Februar zu mindestens 15 Toten.
Lesen gegen das Patriarchat
Auf taz.de finden Sie eine unabhängige, progressive Stimme – frei zugänglich, ermöglicht von unserer Community. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ergebnis der Sondierungen
Auf dem Rücken der Schwächsten
Frauen und Krieg
Krieg bleibt männlich
Krieg im Nahen Osten
Definitionsmacht eines Genozids
Schwarz-Rote Finanzen
Grüne in der Zwickmühle
Schwarz-rote Sondierungen abgeschlossen
Union und SPD wollen gemeinsam regieren
Vertreibung von Palästinensern
Amerikaner in Gaza