Magnetbomben-Anschlag im Iran: Atomforscher getötet
Eine Autobombe in der iranischen Hauptstadt fordert zwei Todesopfer. Sicherheitsexperte sieht Zeichen für verdeckte Operationen gegen das iranische Atomprogramm.
TEHERAN dapd/rtr | Erneut ist in Iran ein Atomwissenschaftler Opfer eines tödlichen Bombenanschlags geworden. Zwei weitere Menschen wurden bei dem Anschlag auf den Universitätsprofessor Mostafa Ahmadi Roschan am Mittwoch in Teheran verletzt. Einer von ihnen erlag später im Krankenhaus seinen Verletzungen, wie die halbamtliche iranische Nachrichtenagentur Fars berichtete.
Zwei Angreifer auf einem Motorrad hatten demnach magnetische Sprengsätze am Auto des Professors angebracht - ein ähnliches Vorgehen wie bei anderen Attentaten auf iranische Atomwissenschaftler in den vergangenen zwei Jahren. Für diese hatte das Land den israelischen Geheimdienst Mossad und die USA verantwortlich gemacht. Außerdem wirft der Iran westlichen Geheimdiensten vor, durch die Einschleusung des Computerwurms "Stuxnet" im Jahr 2010 seine Anlagen zur Urananreicherung sabotiert zu haben. Beide Länder haben die Vorwürfe zurückgewiesen.
Sowohl die Morde als auch die Computersabotage könnten Anzeichen für eine verdeckte Kriegführung sein, die das iranische Atomprogramm torpedieren soll. Diese Einschätzung vertritt Theodore Karasik, Sicherheitsexperte am Institut für militärische Analyse im Nahen Osten und am Golf (Inegma) mit Sitz in Dubai. Die Verwendung magnetischer Bomben trage die Züge verdeckter Operationen. "Es ist eine sehr verbreitete Art, jemanden zu eliminieren: sauber, leicht und effizient."
Staatsform: Islamische
Republik (seit 1979)
Fläche: 1.648.195 km(2)
Bevölkerung: ca. 75 Mio.
Bevölkerungsdichte:
45 Einwohner/km(2)
Lebenserwartung: Männer 68,58, Frauen 71,61 Jahre
Fruchtbarkeitsrate:
1,8 Geburten/Frau
Bevölkerungswachstum: 1,2 %
Nationalitäten: 61 % Perser, 16 % Azeris, 10 % Kurden, 6 % Luren,
2 % Belutschen, 2 % Araber,
2 % Turkmenen, 1 % andere
Sprachen: Farsi (Amtssprache), Azeri, Assyrisch-Neuaramäisch, Armenisch, Kurdisch, Arabisch, Turkmenisch
Religionen: 89 % Schiiten (Staatsreligion), 9 % Sunniten, 150.000-500.000 Bahai, 280.000 Christen (armenisch-apostolisch, assyrisch, chaldäisch-katholisch, protestantisch), 25.000 Juden, 30.000 Parsen,
einige tausend Mandäer.
Bruttoinlandsprodukt (2010):
4.262 Euro/Einwohner/Jahr
Arbeitslosenquote: 23 %,
Männer 20 %, Frauen 34 %
Alphabetisierung: 77 % gesamt, Männer 83,5 %, Frauen 70,4 % (rr)
Das bislang letzte Opfer, der 32-jährige Roschan, war Chemieexperte und einer der Direktoren der Urananreicherungsanlage Natans. Laut Fars studierte er an der renommierten Technischen Universität Scharif in Teheran und war an der Entwicklung von Polymermembranen zur Trennung von Gasen beteiligt. In Natans war Roschan nach Angaben der iranischen Website mashreghnews.ir für die Beschaffung von Ausrüstung verantwortlich.
Natans ist die größte Anlage zur Urananreicherung im Iran. Allerdings gab Teheran vor wenigen Tagen die Inbetriebnahme eines weiteren Komplexes in Fordo bekannt. In dem unter rund 90 Meter Fels liegenden Bunker soll Uran auf bis zu 20 Prozent angereichert werden.
Zu den Opfern früherer Anschläge zählt ein Physikprofessor, der am 12. Januar 2010 in Teheran getötet wurde, als neben seinem Auto ein Motorrad mit einer Bombe explodierte. Im November 2010 wurde bei einem Anschlag in der iranischen Hauptstadt ein Atomwissenschaftler getötet, ein weiterer wurde bei einem zweiten Anschlag verletzt. Dieser, Fereidun Abbasi, wurde umgehend zum Leiter der iranischen Atomenergiebehörde ernannt. Im Juli 2011 töteten Bewaffnete auf einem Motorrad einen Elektronikstudenten. Andere Berichte bezeichneten ihn als Wissenschaftler, der am Atomprogramm beteiligt war.
Die USA und ihre Verbündeten fordern von Iran, die Anreicherung von Uran zu beenden. Angereichertes Uran kann für Atomsprengköpfe verwendet werden. Der Westen vermutet, dass Teheran die Entwicklung von Atomwaffen anstrebt. Nach iranischer Darstellung dient das Programm friedlichen Zwecken wie der Energiegewinnung und medizinischen Anwendungen.
Die USA und die EU haben kürzlich die Verschärfung der Sanktionen gegen den Iran beschlossen. Teheran reagierte mit der Demonstration militärischer Macht: Bei einer Marineübung im Persischen Golf drohte Iran, die Meerenge von Hormus zu sperren, durch die 40 Prozent des weltweiten Öltransports laufen. Die Spannungen zwischen Iran und den USA wurden diese Woche verschärft durch das Todesurteil über den angeblichen CIA-Spion Amir Mirzai Hekmati, der US-Staatsbürger ist. BS
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Alkoholpreise in Deutschland
Das Geschäft mit dem Tod
Grundsatzpapier von Christian Lindner
Eine gefährliche Attacke
Experten kritisieren Christian Lindner
„Dieser Vorschlag ist ein ungedeckter Scheck“
Jüdische Wähler in den USA
Zwischen Pech und Kamala
Regierungskrise der Ampel
Schmeißt Lindner hin oder Scholz ihn raus?
Soziologe über Stadt-Land-Gegensatz
„Die ländlichen Räume sind nicht abgehängt“