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Alternatives Arbeitssystem„20 Stunden Arbeit sind genug“

Weniger, lokaler und fröhlicher: Eine neue Form der Arbeit ist möglich, meint der Sozialphilosoph Frithjof Bergmann.

Grün, gesund, gemeinschaftlich. Nachbarschaftsgärten im Brightmoorviertel in Detroit, Michigan. Bild: reuters
Interview von Manuela Knipp-Lillich

taz: Herr Bergmann was ist neu an der „Neuen Arbeit“?

Frithjof Bergmann: Die alte Arbeit ist die Arbeit, die man tun muss, und die Neue Arbeit ist die Arbeit, die man wirklich wirklich tun will. Sie ist menschenentwickelnd statt menschenverzweifelnd. Sie ist die Arbeit, die Kraft gibt und sinnstiftend ist. Und – das möchte ich besonders betonen – sie findet vor Ort, lokal statt. Die Menschen produzieren vor Ort.

Wieso ist das so wichtig?

Ziel ist die Entwicklung eines neuen Arbeitssystems – und dafür ist es allerhöchste Zeit. Ein Teil ist die Entwicklung einer Grundwirtschaft am Ort. Heute ist es möglich, nahezu alles, was man zum Leben braucht, vor Ort herzustellen; also nicht nur Obst und Gemüse, Butter und Käse.

Man kann am Ort auch Elektrizität selbst herstellen, Zement und Möbel – und sogar Kühlschränke, Mikrowellen, Autoersatzteile und medizinische Hilfsmittel. Statt auf kolossale Fabriken setzen wir auf kleine Werkstätten. Das Ziel dabei ist wirtschaftliche Unabhängigkeit.

Sie sagen, zwanzig Stunden Arbeit sind genug. Reicht das wirklich, um damit seinen Lebensunterhalt decken zu können?

Bild: privat
Im Interview: FRITHJOF BERGMANN

82, ist emeritierter Professor für Philosophie und Anthropologie an der University of Michigan in Ann Arbour. 1984 gründete er die Bewegung „New Work – New Culture“, zunächst um den vielen Menschen, die nach der Schließung mehrerer Automobilwerke ihren Job verloren hatten, eine neue Perspektive zu geben. Im Zentrum steht die Forderung nach einem sinnerfüllten und selbstbestimmten Leben, bei dem die Menschen dort, wo sie leben, dezentral die Arbeit tun, die sie wirklich tun möchten.

Das von Bergmann postulierte Modell der Neuen Arbeit geht davon aus, dass die heutige Arbeitswelt mit dem Zwang, Geld verdienen zu müssen, eine Folge des auf Wachstum ausgerichteten Wirtschaftssystems ist.

Das ist eine Frage, die immer als Erstes gestellt wird. Die Lohnarbeit teilt sich auf in zehn Stunden Grundarbeit und zehn Stunden einer Arbeit, die man tun will. Und gemeinsam – ich möchte betonen: gemeinsam –, nicht allein, kann man so viel herstellen, dass die Kosten zum Leben sehr gedrückt werden können.

Das Modell geht davon aus, dass die Menschen gemeinsam kleine Werkstätten aufbauen und parallel dazu neue Unternehmen gründen, die sich vor allem dadurch unterscheiden, dass man dort nur zehn Stunden arbeiten kann. Aber für diese zehn Stunden wird man gut bezahlt.

Wie lange braucht eine Gesellschaft, um dieses Modell leben zu können, und wie weit ist die Umsetzung Ihrer Vision?

Das ist auf jeden Fall ein Prozess. Er hat schon begonnen, auch in Deutschland. Die Idee einer neuen Wirtschaft findet immer mehr Anhänger. Am weitesten in der Umsetzung ist derzeit die Stadt Detroit – besonders bekannt sind dabei die urban gardens von Detroit: Überall in der Stadt wird Gemüse angebaut, die Stadt ertrinkt schon fast in dem vielen selbst hergestellten Gemüse.

Ein wichtiger Schritt sind auch andere Wohnformen. Auch hier gibt es viele Modelle. Ein Modell ist das sogenannte co-housing, wo die Menschen in Gemeinschaften leben, aber trotzdem ihre Individualität erhalten.

Wie sähe die Welt aus, wenn alle Gesellschaften nach Ihrem Modell leben würden?

Die Welt würde sich verändern. Nicht nur unsere Gesellschaft. Da die Menschen alles vor Ort selbst herstellen könnten, bräuchten sie ihre Länder und Kontinente nicht mehr zu verlassen. Auch Landflucht würde aufhören. Die Spaltung in Arm und Reich könnte überwunden werden. Die Menschen, die jetzt von Armut bedroht sind, weil sie sich nicht selbst helfen können, würden völlig neu motiviert, sich selbst zu versorgen.

Auch das Internet ist bei dieser Entwicklung hilfreich. Es ermöglicht neue Formen des Lernens – sogenanntes long-distance-learning. Schon heute verfügt unser Netzwerk über eine Vielzahl von Koryphäen, die gern in der Wissensvermittlung tätig werden. Und ich glaube, das Modell der Neuen Arbeit würde dazu beitragen, dass die Menschen fröhlicher werden, weil sie das tun können, was sie wirklich wollen.

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21 Kommentare

 / 
  • NN
    Nix Neues

    Absolut nix Neues, das hat Ester Vilar bereits 1978 vorgeschlagen und begründet, in "Die Fünf-Stunden-Gesellschaft". Dort geht es zwar vor allem um die Ermöglichung von Familienleben, die ökonomischen Gründ sind die Gleichen.

  • M
    Markus.harekrishna

    Er ist ja nicht der Einzige, der darüber forscht ...

    Ich habe Nico Paech ein Mal live gehört, er ist der Hammer!

    http://www.bild.de/geld/wirtschaft/wirtschaft/jeder-sollte-nur-noch-20-stunden-die-woche-arbeiten-27579450.bild.html

     

    In der letzten enorm-Ausgabe ist auch ein Porträt-Special, wie Grundeinkommen heute schon ganz individuell aussehen kann. Mit Konsumzurückhaltung ist mancher vielleicht gar nicht so weit weg .. vom Glück.

     

    Aber klar, ich frage mich auch - soll ich mein fucking 40h job weitermachen, nur des Geldes und der Rente wegen oder gehts auch nicht anders? Glück ist jedenfalls im Überfluss da und kostenlos.

  • S
    Sven

    20h/Woche statt 40h wie genau klappt das? Hätte jemand fragen können und kleine Werkstätten wirkt wohl eher in die andere Richtung. Und die Hälfte davon soll freiwillig sein, warum keine Fragen dazu?

  • PG
    Paul Gerhardt

    Minimana, haben Sie dafür auch eine Begründung?

    Die Menschheit hat Waschmaschinen, Geschirrspüler und anderes techn.Gerät erfunden, wir sind mittels ÖPNV umd PKW mobil und sollen immer mehr und mehr und mehr arbeiten? Wozu? Es ist doch alles da. Wozu hat die Menschheit so viel entwickelt, wenn sie nicht davon profitiert? Das ist doch ausgemachter Unsinn.

  • M
    Minimana

    Hallo liebe taz,

    ich bin kein Linker, trotzdem lese ich eure Zeitung gelegentlich. Meistens sind die Vorschläge, die in eurer Zeitung gemacht werden ja wenig realistisch, aber das ist einfach nur Banane. So werdet ihr komplett irrelevant und auch die restlichen Artikel werden durch so einen Klamauk entwertet.

  • H
    Hanne

    "Das beste ist wir lagen mit meinen Einkommen immer knapp 150 Euro unter Sozialhilfe-Hartz4."

     

    @no name

     

    Das ist dann vermutlich wieder mal so eine Nicht-ganz-korrekt "Wir leben von Hartz IV-Eigenberechnung":

     

    Was ist mit dem Kindergeld für drei Kinder in Höhe von 558 €? Das wird bei Hartz IV als Einkommen berechnet und vom sog. Bedarf abgezogen.

     

    Und wenn dem so wäre, dass Du tatsächlich unter dem ALG-II-Satz mit Deiner Familie, Deinem Einkommen und inklusive Kindergeld liegen würdest, dann wärst Du ein sogenannter Aufstocker und könntest sicher ein paar Hundert Euro noch bekommen, da das Erwerbseinkommen nicht zu 100% angerechnet wird. Oder zumindest zusätzlich Wohngeld beatragen inkl. Bildungsgeld etc.

     

    Nur so zur Info...

  • S
    steffen

    @ Heiko: Vor lauter Arbeitseifer haben Sie dort ein Verb vergessen. Unbedachter Durchbruch von linksradikaler Faulheit?! Obacht! ;-)

  • Y
    Yadgar

    82? Das Bild von Herrn Bergmann ist entweder mindestens 30 Jahre alt - oder die 8 sollte eigentlich eine 5 sein! Bartfärbemittel sind ja so etwas von albern...

  • NN
    no name

    Hallo,

    ich habe erfolgreich in Deutschland, als dreifacher Vater, 3 Tage die Woche, 24 Std. in selbiger gearbeitet. Das Frauchen hat, hat leider trotz lanjähriger gegenteiliger Beteuerungen, nichts zum Familieneinkommen beigetragen. Wir können wohnen, essen, auto fahren. Die Kinder gehen zur Schule. Das beste ist wir lagen mit meinen Einkommen immer knapp 150 Euro unter Sozialhilfe-Hartz4.

    Alles eine Frage der Bezahlung und der Ansprüche.

    So what?

  • N
    noname

    Tja , @ Lara Craft , ... das funktioniert da in Detroit einfach so : Wenn du mir ein Jahr lang Kartoffeln und Gemüse lieferst , nehme ich dir jetzt den Blinddarm raus . Eine Jacket-Krone gibt's für zwei Sack Weizen .

    Alles bestens ! :-)

  • LC
    Lara Croft

    Wäre interessant zu erfahren, welche Art Jobs der Ex-Prof. mit den Leuten in Detroit geschaffen hat. nur Gemüseanbaujobs in der Stadt oder auch Anderes?

  • W
    www

    und der Wachstumszwang der Wirtschaft liegt mit im Zinseszins- und Zinssystem. Das muss auch immer extra mit bedient werden.

     

    ich denke nach den mir vorhandenen Erkenntnissen zur Unterbeschäftigung, Mangel von Arbeitsplätzen, Produktivitätswachstum, technischen Fortschritt etc. reicht in DE eine 30 Std-woche für alle (großzügig gerechnet).

     

    ich selbst hab schon mal angefangen und arbeite nur 20 Std. momentan, hab Glück mit dem Arbeitgeber der mich lässt. Die Zeit kann man sinnvoll nutzen. Ich studier nebenbei und würd evtl. nachher so 25-30 Std. arbeiten wollen. die andere halbe Stelle kann ein Arbeitsloser haben. Es ist ja nicht so, dass man faul ist, aber ich bin mit dem Beruf krank geworden. Ich könnt das Vollzeit nicht ausüben.

     

    wie es mit nem anderen Job wäre kann ich nicht beurteilen bisher, aber man sollte die Menschen nicht krank machen mit schlechten Jobs.

     

    Es gibt viele Jobs da draußen, da ist eine zu lange Zeit einfach unzumutbar, weil es einfach nur geistlos und monoton ist. Gebt den Leuten einfach ein Grundeinkommen dazu und macht Jobsharing. Dann spart man Gesundheitskosten und Arbeitslosengelder.

     

    es ist übrigens nicht so, dass man das neu erfinden muss. Wir haben eine lange Phase der Massenarbeitslosigkeit und die wird überall verschleiert. Jedes Land hat andere Methoden. Holland schiebt seine Genderpolitik vor und lässt extrem viele Leute Teilzeit arbeiten, Norwegen und Dänemark quetschen einfach mal 30-34% (v.a. Frauen) in den öffentlichen Dienst.

     

    Damit verschleiert man auch oft die Unterbeschäftigung vieler Personen. Effektiv gibts da draußen viele Arbeitsplätze die zum Burnout führen, aber genauso viele die zum Boreout führen - wozu 9 Std. irgendwo rumsitzen wo effektiv nur für 5 Std. Arbeit vorhanden ist?

     

    ich kann dutzende Bsp. hier reinstellen, wo Stellenabbau zunehmen wird aufgrund von technischen Fortschritt und wo das Arbeitsvolumen weitersinken wird. Der demographische Rückgang ist da eher ein Vorteil. Wir haben ein Überangebot an Arbeitskräften, keinen Mangel.

     

    auch wenn Arbeitsfetischisten und die Wirtschaft einem das immer wieder einreden wollen. Ich leb nicht nur um zu arbeiten. Und Karriere machen die meisten eh nicht - es kann nicht jeder gleichzeitig in der obersten Etage sitzen. Das erzählen Neoliberale und alle plappern es nach.

  • B
    Bertina

    Das ist eine perspektive, die hoffen lässt. Nicht nur sozial, auch ökologisch wäre so vielleicht doch noch was zu retten. Ich bin dabei!

  • Z
    Zorro

    Es gibt EINIGE sehr interessante Ansätze und Ideen für eine freundlichere Arbeitswelt um Leben lebenswerter zu gestalten, aber:

    Es hilft alles nichts und es wird nicht funktionieren, solange die TÄTER, also die VORHERRSCHER, also die, die sich auf Kosten der Allgemeinheit die Dividende nehmen und somit die Kontrolle ausüben über eure Freiheit.

    So lange bleiben alle Ansätze Illusion. Z

  • N
    naseweiser

    Wunderbar ! Das Problem ist ja nur , dass die wunderbaren menschlichen Möglichkeiten auch tatsächlich möglich werden . Sprich : Erst müssen die in Ballungsräumen lebenden Milliarden Menschen , die immerhin auf das negative Betriebssystem namens Kapitalismus und dessen Noch-Funktionieren zum Überleben angewiesen sind , den unausweichlichen Niedergang dieses Systems überleben ...

  • H
    Heiko

    Nichts gegen neue Ideen, aber auf die Hälfte der Arbeitszeit verzichten und trotzdem den Lebensstandard halten?

    Ein Artikel der ganz nach dem Geschmack von Faulen, Gammlern und Linksextremen.

  • N
    nihi.list

    Immer diese Theoretiker. Wieder so eine Schnapsidee.

  • B
    BeobachterHH

    Eigentlich würden sogar 5 Stunden pro Woche ausreichen. Das zeigen entsprechende Berechnungen. Wenn man das Stichwort 5 Stunden Woche googelt, findet man sogar Bücher zu dem Thema.

     

    Abgesehen davon macht Frithjof Bergmann den typischen Fehler, die sozialen Formen (Kategorien) im Kapitalismus nicht zu reflektieren. Ökonomische Marktgesetze existieren bei ihm ebenso wenig. Von den 20 Stunden sollen 10 Stunden bei ihm Lohn- und Erwerbsarbeit bleiben und er tut so, als wenn deren "sehr gute Bezahlung" irgendwie kein Problem sondern praktisch ein Selbstläufer wäre. Ist es aber keineswegs. Ganz im Gegenteil.

     

    Die Lösung besteht darin, die Warenform zu verlassen, also eine Wirtschaft des Teilens und Beitragens, anstatt des schuldhaften Tauschens zu realisieren. Erst wenn Geld überflüssig wird, ist das Ziel nicht mehr Kapitalakkumulation sondern ein gutes Leben. Und dann reichen sogar 5 Stunden an Tätigkeit aus. Darüber hinaus kann man kreativ tätig sein, so viel man möchte, um sich zu verwirklichen.

     

    DANN ändert sich wirklich was!!!

  • HS
    Hari Seldon

    Die Frage: 20 Stunden pro Tag oder pro Jahr? Nun, wäre es interessant zu sehen, zum Beispiel, wie Rechner für Internet in kleinen, örtlichen Werkstätten hergestellt werden könnten, usw. Bitte, muss sich die TAZ wirklich mit solchen Blödsinnen blamieren? Übrigens, der ehemalige Ostblock war genauso: Niemand wollte arbeiten, und die Pleite ist bekannt (und wir alle bezahlen noch dafür, Stichwort: Soli). Oder die Bewegung in China unter Mao: Jeder Dorf mit der eigenen Eisenhütte n(jetzt die Grünen mit dem eigenen Windrad in jedem Hof), usw. Die Pleite ist auch bekannt.

  • CL
    Christoph Lixenfeld

    Realitätsferner geht es nicht. Alle wollen in die Stadt, und dort ist das Leben, vor allem das Wohnen, extrem teuer. Mit 20 Stunden Arbeit können das Zahnärzte, Makler und Unternehmensberater bezahlen. Aber andere - zum Beispiel TAZ-Redakteure - nicht. Und immer der Quatsch mit dem selbstgezogenen Gemüse: Darum geht es doch gar nicht, Lebensmittel sind in D eh billig. Wenn alle nur noch ganz wenig Arbeiten und wenig Geld haben, wer kauft dann die schönen selbstgebastelten Möbel? Dummes Zeug, ehrlich!

  • PG
    Paul Gerhardt

    Super Artikel!

    Ich muss umzugsbeingt einen Job machen, der mich total ankotzt und ich leide echt. Könnte ich die Arbeitzeit halbieren und mit der Kohle auskommen, wäre es erstens erträglicher und zweitens hätte ich Zeit für Dinge, die mich interessieren. So komme ich nache einem vollen Arbeitstag erschlafft nach Hause und hänge nur noch vor dem Rechner ab.